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Mirchel - Eine Imkerin kämpft gegen das Gift

Quelle
Berner Zeitung BZ

Heidi Baumgartner hat in den letzten Jahren zweimal ihre Bienenvölker verloren. Die Imkerin fordert einen verantwortungsvolleren Umgang mit Pflanzenschutzmitteln – und nimmt auch ihre Berufskollegen in die Pflicht.

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Genugtuung: Pflanzenschutzmittel rafften Heidi Baumgartners Bienenvölker dahin. 2017 dürfte hingegen ein gutes Honigjahr werden. (Bild: Andreas Blatter)
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Tote Bienen blockieren den Eingang in den Stock. Die Aufnahme stammt vom letzten Mai. (Bild: zvg)
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Zwanzig Gehminuten von Zäziwil entfernt liegt Mirchel. Ein kleiner Weiler an sattgrünen Hängen, Blick auf die Stockhornkette. Seit zehn Jahren wohnt Heidi Baumgartner hier in einem umgebauten Bauernhaus, gemeinsam mit ihren sechs Kindern und ihrem Ehemann. Seit sieben Jahren züchtet sie hier ihre Honigbienen, im gepflegten Garten hinter dem Haus stehen sechzehn Kästen, in denen je ein Bienenvolk haust. Zehn davon sind Jungvölker: der Nachwuchs für die nächsten Jahre.

Die Bienen leisten in diesen Tagen Schwerstarbeit, schaffen unablässig Nektar heran. Der Jahrgang 2017 verspricht ein ausgezeichneter zu werden: 300 Kilogramm Honig habe sie schon geerntet, sagt die Imkerin, die sich über die Jahre ein kleines Geschäft mit ihrem Waldhonig aufgebaut hat. «Wenn es so weitergeht, könnte es am Ende eine halbe Tonne sein.» In Heidi Baumgartners Stimme schwingt Genugtuung mit. Den reichen Ertrag, man könnte ihn ausgleichende Gerechtigkeit nennen. Denn in den letzten Jahren traf es Baumgartner hart, wie viele Imker in der Region. Gleich zweimal dezimierten unsachgemäss eingesetzte Pflanzenschutzmittel ihre Völker dramatisch – Tausende Bienen wurden dahingerafft.

Zweimal Massensterben

«Die Tiere sind qualvoll verendet», erzählt Baumgartner und man spürt, dass sie diese Ereignisse mitgenommen haben. Etwa damals im Sommer 2014, als sie das erste Sterben ihrer Völker miterleben musste. Woran die Tiere zugrunde gegangen waren, blieb lange ungelöst. Erst ein deutsches Labor fand die Ursache: ein mit Fipronil verunreinigtes Pflanzenschutzgift. Fipronil ist in der Schweiz verboten, dennoch fanden sich Spuren davon in einem Mittel, welches ein regionaler Landwirt auf seine Plantagen spritzte.

Die Herstellerfirma habe ihre Anlage nicht korrekt gereinigt, so die offizielle Begründung. Das Bundesamt für Landwirtschaft startete eine Rückrufaktion. Die Firma schickte eine Delegation von Anwälten ins Emmental und regelte den Fall im Stillen.

Im Mai 2016 das zweite Sterben. Diesmal war nicht ein Produzent schuld, sondern ein Anwender, ein 38-jähriger Bauer aus dem Gebiet. Der Mann hatte ein für Bienen tödliches Schutzmittel während der Blütezeit gespritzt. Vor zwei Wochen verurteilte ihn das Regionalgericht Bern Mittelland wegen fahrlässigen Widerhandlung gegen das Umweltschutzgesetz. Vor Gericht gab sich der Mann reuig und versicherte, sich künftig besser mit den Imkern abzusprechen. Etwa mit einem SMS-Dienst: Wenn er Schutzmittel einsetze, werde er die Imker vorwarnen.

Heidi Baumgartner hatte zusammen mit Berufskollegen Privatklage gegen den 38-Jährigen geführt. Sie einigten sich schliesslich aussergerichtlich. Trotz der teilweise Rückerstattung des monetären Schadens, die Situation ist für Baumgartner nicht befriedigend. Von einem SMS-Dienst sei zwar die Rede gewesen, bislang sei der aber noch nie zum Einsatz gelangt, so die Imkerin. «Wir wissen noch gar nicht, was wir mit diesem Dienst anfangen sollen.» Die Tiere einzusperren, «wenn Landwirte Gift in die Landschaft spritzen», sei keine Option. Für Wildbienen würde das sowieso nicht funktionieren.

Das Sterben melden

Baumgartner befürchtet ein Abschieben von Verantwortung: «Landwirte benutzen diese Mittel, und wir sollen dafür sorgen, dass unsere Tiere nichts abbekommen.» Für sie ist klar: «In der Pflicht stehen die Bauern und Zulassungsbehörden.» Die Imkerin appelliert überdies auch an ihre Berufskollegen. Viele würden Vergiftungen gar nicht erst melden, das müsse sich ändern.

Anja Ebener ist Leiterin des Bienengesundheitsdienstes (BGD). Der Dienst wurde 2013 ins Leben gerufen und bietet seither im Auftrag des Bundes diverse Dienstleistungen für Imker an, darunter auch Abklärungen von Verdachtsmeldungen. Ebener bestätigt: «Uns werden längst nicht alle Vergiftungen gemeldet.» Für das laufende Jahr rechnet der BGD mit deutlich mehr Fällen (siehe Kasten).

Für Heidi Baumgartner fängt das Problem nicht erst beim Landwirt an. Wenn man die Beschreibung von Pflanzenschutzmitteln lese, müsse man sich grundsätzlich fragen, wieso man diese überhaupt noch einsetze. «Als Gesellschaft sollten wir über ein generelles Verbot nachdenken.» Sie weiss, diese Forderung ist utopisch. Aber: «Eine stärkere Regulierung beim Verkauf von Schutzmitteln für Hausgärten wäre zumindest ein Anfang.»

Es gäbe durchaus auch positive Beispiele, Landwirte, die ohne schädliche Stoffe auskommen, mit denen man reden könne. Baumgartner: «Diese Zusammenarbeit müssen wir unbedingt ausweiten. Es geht nur miteinander.»

Hohe Dunkelziffer

2016 gingen beim Bienengesundheitsdienst (BGD) 19 Meldungen über eine mögliche Bienenvergiftung ein. In vier Fällen bestätigte sich der Verdacht. «Die Dunkelziffer liegt weit höher», sagt Anja Ebener, Leiterin des BGD. Für Wochenendimker seien Ausfälle in ihren Kolonien nicht immer nachvollziehbar. Der BGD hielt die Imker dazu an, aktiver zu kommunizieren. Im laufenden Jahr wurden laut Ebener wohl auch deshalb bereits mehr Vergiftungen nachgewiesen als im Vorjahr. Zahlen publiziert der BGD zu einem späteren Zeitpunkt. Bei einem Verdacht erreichen Imker den Dienst unter 0800 274 274. cef

Autor:in
Cedric Fröhlich, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 20.07.2017
Geändert: 20.07.2017
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