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"150 Jahre Eisenbahn Konolfingen" Teil 6: Minutiöse Planung auf Zigarrenschachtel

Am 31. Mai und 1. Juni 2014 feiert die Gemeinde Konolfingen mit einem grossen Fest "150 Jahre Eisenbahn Konolfingen". Die lange Geschichte wird mit einer Sonderausstellung, sie ist jeden ersten Sonntag und Mittwoch sowie jeden dritten Sonntag im Monat geöffnet, im Dorfmuseum nachgezeichnet. BERN-OST blickt in einer Serie auf die Geschichte zurück - und auf das Bahnhoffest voraus.

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Milchannahme in Milchkannen durch das Personal der BAMG. (Bilder: zvg)
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Bahnhof Konolfingen noch ohne Unterführung.
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Immer wieder wurde der Bahnhof Konolfingen-Stalden für die zukünftigen Aufgaben umgebaut oder erweitert. Auch führten die Erweiterungen des Bahnangebotes im Gebiet zwischen den Gemeinden Gysenstein und Stalden zu einem grossen Bauboom. Inmitten des bisherigen Niemandslandes entstand eine neue Siedlung, getrennt durch die Gemeindegrenze, die sowohl das Bahnhofsareal wie auch die Fabrik der Berneralpen Milchgesellschaft (BAMG) auf zwei Gemeinden aufteilte. Erst die Gemeindefusion von 1933 führte zur neuen Gemeinde Konolfingen und damit zum heutigen Bahnhofsnamen. Konolfingen kam nach und nach in den Sog eines Zentrums. Bern war so nahe, dass Konolfingen in den letzten Jahrzehnten zur Agglomerationsgemeinde von Bern wurde.
 
Reisende mussten über Schienen zum Zug
 
„Es war auch lustig den Leuten zuzuschauen, die bis zum Bau der Unterführung beim Ein- und Aussteigen über die kaum mit Schotter, jedoch mit viel Dreck verklebten Gleise klettern mussten“, erinnert sich Erwin Gugger an seine Jugendzeit. Er hat nicht nur den Grossteil seiner beruflichen Laufbahn in Konolfingen verbracht, sondern ist auch in Konolfingen geboren. Seine Erinnerungen aus der Aktivzeit am Bahnhof Konolfingen gibt ein Bild der Eisenbahn, wie sie bis vor wenigen Jahren funktionierte.
 
„Der Bahnhof war Dreh- und Angelpunkt im Eisenbahnverkehr. Nicht nur Anschlüsse mussten zwischen den Linien gewährleistet werden oder Waren von der einen zur anderen Linie umgeladen oder rangiert werden. Es galt auch, die wichtigen Abnehmer und Zulieferer in Konolfingen zu bedienen. Der Betrieb begann Frühmorgens und endete kurz nach Mitternacht. So mussten die ganze Zeit mindestens 4 Personen im Bahnhof sein. Neben dem  Vorstand oder seinem Stellvertreter war eine Person im Gepäckdienst (dazu gehörte auch das Umladen der schweren Fleischkörbe), ein Rangiermeister und ein Mann im Stellwerk.
 
Morsetelegraph und Zigarrenschachtel als Notizbuch
 
Rangierfahrten, nicht nur für die „Siedi“ (BAMG) sondern auch für die BTB Werkstätte mussten tagtäglich erledigt werden. Der Bahnhof klärte mittels Morsetelegraph ab wie viele Güterwagen ankommen oder wieder aus der Reparatur, die in der BTB Werkstätte durchgeführt wurde, verschickt werden können. „Konolfingen sendet so und so viele K2 oder Konolfingen empfängt drei M4“, lautete die Meldung. Damit wurde gewährleistet, dass die Wagen möglichst bald wieder eingesetzt werden konnten und zwar so, dass möglichst keine Leerfahrten entstanden.
 
Von 1933-1952, als in der BAMG Frucht- und Gemüsekonserven hergestellt wurden, kam jeweils der Erbsenzug von Kerzers. Der Zug bestand aus 5-6 K-Wagen und einer Ae 3/5. Die Milchwagen für die Siedi kamen aus einer grösseren Region. So trafen täglich mehrere Wagen von Payerne, Sissach, Gelterkinden und Biel in Konolfingen ein. Dazu gesellten sich Wagen von allen Orten an der Strecke Worb‒Luzern und Hasle-Rüegsau‒Thun. Nicht gerade täglich, aber doch recht häufig kam auch Milch aus dem Kanton Freiburg, so beispielsweise von Düdingen oder von Schmitten. Das Erstellen der Transportpläne mit genauen Zeiten für die Milchwagen war sehr zeitaufwändig und anspruchsvoll. Spezialist in dieser Angelegenheit war, wie Erwin Gugger berichtet, während Jahren Rangiermeister Ernst oder eben „Aschi“ Fuhrer. „Er notierte jeweils seine Milchwagenstrategie auf einer hölzernen Zigarrenschachtel und, wenn „Aschi“ etwas in die Hand nahm, dann klappte es auch. Seine minutiöse Planung sah vor, dass die Wagen abgehängt wurden und mit einem sogenannten „Stoss“ wurden die Wagen ins Gleis 1 Richtung Siedi abgestossen“.

 

Einmal pro Woche war auch eine Kühlwagentour eingeteilt. Dieser Kühlwagen, in dem Fleisch der Metzgerei Gerber, Grosshöchstetten transportiert wurde, wurde in Konolfingen nur rangiert. An den anderen Tagen kam jedoch das Fleisch in grossen Körben im Gepäckwagen der Regionalzüge nach Konolfingen und musste umgeladen werden. „Diese Arbeit war brutal hart, konnten diese Körbe doch bis 350 kg schwer sein und die Fleischstücke ragten oft weit über den Rand hinaus. Weniger appetitlich waren im Sommer die Wagen mit Fleischabfällen, bei denen die Maden auch ausserhalb des Wagens äusserst zahlreich herumkrochen und wenn der Wagen in Konolfingen abgestellt werden musste, lag anschliessend ein ganzer Madenteppich auf dem Schotter“, erinnert sich Erwin Gugger.
 
Kniezug und 30 Franken Stundenlohn
 

Jährlich einmal, im August kam der Kniezug, genau genommen waren es zwei, von Langnau her in Richtung Bern. Der erste kam morgens um drei Uhr. Dieser Zug musste in Konolfingen warten, weil der zweite Zug vor dem ersten in Ostermundigen (bis 1951 im Wylerfeld) eintreffen musste. Das Manöver war schwierig, weil das Gleis 2 zu kurz war. So musste der Zug zuerst vorgezogen und anschliessend mit dem Traktor teilweise in das Stumpengleis zurückgezogen werden. Der zweite Zug konnte anschliessend im Gleis 3 den Zug überholen.

 

Periodisch kamen so genannte Gefahrenwagen von Thun via Konolfingen nach Altdorf. In diesen Wagen wurden Granaten transportiert. Die Wagen trafen jeweils um Mitternacht von Thun her in Konolfingen ein, der  Zuglauf wurde telegrafisch vorangemeldet. Nun mussten von 24 bis sechs Uhr die Wagen bewacht werden. Die Armee bezahlte sehr gut, die 30.- Franken pro Stunde waren für die damalige Zeit sensationell. Die Arbeit war einfach, der Wagen musste mit dem Traktor in das Gleis 87 gezogen werden. Anschliessend musste man die Nacht auf dem Traktor bei diesem Wagen verbringen und ihn am frühen Morgen wieder in den Bahnhof zurückfahren. Kein Wunder also, dass der Job sehr begehrt war und Neid und Missgunst entstanden.

 

Wollen Sie wissen, welche Bahnüber- oder unterführungen rund um Konolfingen im Laufe der Zeit entstanden oder geändert wurden, dann lesen Sie nächste Woche hier in dieser Serie weiter…
 

[i] Sonderausstellung „150 Jahre Eisenbahn Konolfingen“ auf BERN-OST...

[i] Bahnhoffest „150 Jahre Eisenbahn Konolfingen" auf BERN-OST...

[i] Dorfmuseum Alter Bären...

[i] Konolfingen...

[i] Sonderseite der BLS AG...

[i] Nostalgisch ans Bahnhoffest fahren...

 

[i] Zum ersten Teil der BERN-OST Serie "150 Jahre Eisenbahn Konolfingen" mit Links auf alle bisherigen Artikel...


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Erstellt: 24.03.2014
Geändert: 24.03.2014
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