• Region

Aebersoldhaus Rüfenacht: Die alte Linde und die neue Überbauung

Die Tage des alten Aebersoldhauses sind gezählt, auf die Parzelle kommen vier Häuser mit 31 Wohnungen. Viele bedauerten, dass die alte Linde dem Bauprojekt zum Opfer fallen würde. Jetzt verkündet Jürg Schulthess von der Contractbau Bern GmbH überraschende Neuigkeiten.

Therese Bürki ist im Aebersoldhaus aufgewachsen. «Es ist gut so», sagt sie zum Abriss. Die neue Überbauung gefalle ihr ganz gut.
Das Leben ist aus dem alten Aebersoldhaus gewichen: Hier ein letztes Bild, bevor die Profile gesetzt wurden. (Foto: cw)
Dafür verleiht die 160-jährige Krimlinde rechts hinter dem Aebersoldhaus der neuen Überbauung den Namen. (Foto: cw)
So wird die neue Überbauung aussehen, und sie heisst künftig Überbauung Dorfmitte «Zur alten Linde». (Visualisierung: contractbau.ch)
Die Umgebung soll viel Grün beinhalten. (Visualisierung: contractbau.ch)
Der Bau der neuen Häuser ist für nächsten Frühling geplant. (Visualisierung: contractbau.ch)
Auch die Kastanie, Treffpunkt bei Schulreisen, bleibt gemäss den Plänen stehen. (Foto: cw)

Stattlich steht es mitten in Rüfenacht, das alte Aebersold-Haus. Mit etwas Fantasie kann man sich gut vorstellen, wie es aussah, als noch blühende Geranien die Fenster schmückten, als der Bauerngarten üppig blühte und als es in der Hostet noch wuselte von Kindern und Tieren.

 

Heute aber steht es leblos und leer. Und es hat Altersgebresten. Viele. «Es ist in einem dermassen schlechten Zustand, dass eine Sanierung schlicht keinen Sinn macht», bringt es Jürg Schulthess, Geschäftsführer der Baurechtnehmerin Contractbau Bern GmbH, schonungslos auf den Punkt.

 

31 Wohnungen statt ein renoviertes Bauernhaus

Eine Renovation, erklärt er, wäre allerdings ohnehin nicht mehr zeitgemäss: Heute seien Gesamtüberbauungen angesagt: «Mit einer noch so teuren Renovation könnte man immer noch den Platz längst nicht ausnützen.»

 

Wie der Platz für die Überbauung in der Dorfmitte künftig ausgenützt wird, zeigen die Profile, die seit ein paar Wochen dort stehen: 31 Wohnungen im höheren Preissegment sollen dort in den nächsten Monaten entstehen, verteilt auf vier Gebäude. Daneben sind die Erdgeschosse zweier Häuser für Gewerberäume vorgesehen. Wer sich einmieten wird, ist noch offen.

 

«Schau, da stehen Profile»

An einem heissen Sommernachmittag wartet Therese Bürki mit ihrer 97-jährigen Mutter Anna Aebersold auf den Transport, der die alte Dame ins Altersheim Beitenwil zurückfahren wird. Sie schauen auf das grosse Haus, das jahrzehntelang ihr Zuhause war und demnächst abgerissen wird.

 

«Schau, da stehen Profile», sagt Anna Aebersold auf einmal, und ihre Tochter nickt. Ja, das hätten sie doch schon letztes Mal gesehen. «Es ist gut so», sagt sie dann ruhig. Sie und ihre Geschwister hätten es sich lange überlegt, es sei die beste Lösung: «Zu viel hätte man am Haus aus dem Jahr 1741 machen müssen.»

 

Die Profile stehen mitten im Baum

Das einzige, was sie und mit ihr etliche Rüfenachter:innen ein bisschen bedauern sei, dass die alte Linde hinter dem Haus wohl dran glauben müsse. Tatsächlich, die Profile stehen quasi mitten im schönen grossen Baum. Jetzt aber lässt Jürg Schulthess den Überraschungsknaller steigen: «Die 160-jährige Krimlinde hinter dem Aebersoldhaus bleibt stehen», verkündet er fröhlich.

 

Die positive Botschaft über diese Projektänderung verbreitete er auch offiziell als Medienmitteilung. Darin erklärt er, wie diese Änderung zustande kam: Ein Gespräch zwischen der Bauherrin Contractbau Bern GmbH, der Gemeinde als Grundeigentümerin, dem Architekten und dem Baumpflegespezialisten Fabian Dietrich aus Därligen habe sehr rasch gezeigt: «Die Voraussetzungen sind günstig.»

 

Die Linde stand zwischen zwei Aussenmauern…

«Einerseits ist die Linde trotz ihres Alters sehr gesund», schreibt Schulthess. «Linden können übrigens mehrere hundert Jahre alt werden.» Andererseits habe sich die Linde im Lauf der Zeit gut an den begrenzten Raum angepasst, den sie zur Verfügung hatte: Sie stand angrenzend an zwei Aussenmauern des Bauernhauses. Fazit: «Die Linde kann in den Aussenraum der geplanten Überbauung integriert werden.»

 

Jürg Schulthess freut sich sehr, dass dies trotz einer Gesamtüberbauung des Areals gelungen ist: «Ich finde es grossartig und in der heutigen Zeit mit Klimaerwärmung sehr wichtig», kommentiert er. In der Mitteilung schreibt er zudem: «Alle Beteiligten sind sich einig, dass ein Erhalt der Linde, die auch ökologisch sehr wertvoll ist, zur Qualität der Überbauung beitragen wird.» Ausserdem werde so ein Stück Ortsgeschichte und -Identität bewahrt.

 

…und spielt künftig eine wichtige Rolle

Mehr noch: Die alte Linde bleibt nicht nur stehen, sondern sie spielt in der künftigen Überbauung sozusagen eine tragende Rolle. Die neue Häusergruppe wird nämlich «Überbauung Dorfmitte ‘Zur alten Linde’» heissen. Und in Anlehnung an die Front des Aebersoldhauses werden die Fassaden mit Holz verkleidet.

 

Ausserdem soll die Überbauung von viel Grün umgeben sein. «Eine hohe Wohnqualität und attraktive Freiräume», verspricht Bauherrin Contractbau. Konkret: Um einen zentralen, gemeinschaftlich nutzbaren Aussenbereich gruppieren sich vier Neubauten mit jeweils drei bis vier Stöcken.

 

Baubeginn im Frühling 2025

Wenn alles nach Plan läuft, kann mit dem Bau im Frühling des nächsten Jahres begonnen werden. Das hänge auch davon ab, wie sich die Wohn- und Gewerbeflächen verkaufen lassen. «Das Baugesuch wurde bereits Ende April dieses Jahres beim Regierungsstatthalteramt eingereicht», teilt Schulthess mit. «Mit einer Baubewilligung wird noch in diesem Jahr gerechnet.»

 

Therese Bürki, die ihre Kindheit im Aebersoldhaus verbracht hat, freut sich über die Lindenrettung: So bleibt ein schöner alter Baum bestehen, und Rüfenacht wird zwar weiter überbaut, aber insgesamt wieder grüner als bisher. «In den letzten Jahren war immer mehr zubetoniert worden», hat sie festgestellt.

 

«Auf der Hostet grasten früher Kühe»

Mit einer Armbewegung zeigt sie auf den betonierten Sonnenplatz und die Strasse davor. «All das war früher grün», erzählt sie. «Hier auf der Hostet grasten unter den Bäumen unsere Kühe, etwas weiter hinten waren die Schweine.»

 

Den Garten habe ihre Mutter immer liebevoll bepflanzt, ein blühender und farbenprächtiger Bauerngarten sei es gewesen. Und wenn Therese Bürki erzählt, wie rund um das Haus Hühner pickten, Kinder spielten und samstags zwischen Haus und Schöpfli ein kleiner Markt stattfand, kann man sich lebhaft vorstellen, wie idyllisch Rüfenacht als Bauerndorf ausgesehen haben muss.

 

Das Dorf wurde zum Schlafort

In den 70er-Jahren, mit den ersten Betonblöcken, habe sich das Gesicht des Dorfes rasant verändert, sagt sie dann: «Die Dorflädeli gingen nach und nach zu, das Dorf wurde zum Schlafort.»

 

Immerhin blieb die Kastanie hinter dem Sonnenplatz bis heute stehen – respektive ihre Nachfolgerin: Nachdem die alte Kastanie vom Blitz getroffen und morsch wurde, pflanzte man an ihre Stelle eine junge.

 

Der Treffpunkt für Schulreisen bleibt

Diese ist inzwischen zu einem stattlichen Baum herangewachsen, und sie dient wie ihre Vorgängerin immer noch als Treffpunkt für Kindergartenreisen und Schulausflüge. Die gute Nachricht: Auch diese Kastanie bleibt gemäss Plänen stehen.

 

So wird Rüfenacht auch in Zukunft weiter wachsen. Neben dem Projekt Überbauung Dormitte «zur alten Linde» sind drei weitere Überbauungen vorgesehen. Aber neben den neuen Häusern werden auch alte Bäume stehen.

 

[i] Die Neugestaltung der Dorfmitte erfolgt im historischen Dorfkern in verdichteter Bauweise. Baurechtsnehmerin und Bauherrin ist die Contractbau Bern GmbH, Landbesitzerin und Baurechterteilerin ist die Gemeinde Worb. Entworfen wurde das Projekt vom Worber Architekturbüro ANS Architekten und Planer SIA AG. Die Häuser werden an das Fernwärmenetz angeschlossen und mit Photovoltaikanlagen ausgestattet.


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 15.08.2024
Geändert: 15.08.2024
Klicks heute:
Klicks total: