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Alan Taeggi: Ein Schweizermeister, den keiner kennt
Alan Taeggi aus Worb ist Boccia-Schweizermeister. Im Gespräch mit BERN-OST erzählt er, warum die Region Bern Niemandsland im Boccia ist, wie oft er trainiert und was Boccia mit Curling zu tun hat.
Da es in der Region Bern-Ost keine Boccia Bahn gibt, treffen wir uns im Boccia Club Neufeld in der Äusseren Enge. Die Anlage scheint auf den ersten Blick ein wenig in die Jahre gekommen. Ein Well-Dach aus Plastik schützt vor Sonne und Regen. Auf den zweiten Blick wirkt die Einrichtung gemütlich. Links von der Bahn blickt man in den Wald, Buchfinken und Amseln singen um die Wette. Alan Taeggi (50) begrüsst mich. Wir sitzen im Schatten des Clubhäuschens, während er mich in die Welt des Boccias einweiht.
Auf der Bahn, nicht am Strand
Unter Boccia stellte ich mir bisher die farbigen Kugeln vor, die man am Strand kauft. Rote, blaue, grüne oder gelbe Kugeln waren in ein Plastiknetz verpackt. Als Kinder gab es jeweils den ersten Streit, wenn es um die Wahl Farbe ging. Gespielt haben wir dies in den Sommerferien am Murtensee. Wer am nächsten an die kleine rote Kugel kam, erhielt zwei Punkte, der zweitnächste Wurf kriegte einen Punkt.
Alan Taeggi (sprich: Taëtschi) begann auch schon als Kind Boccia zu spielen. Mit sieben nahm er an seinem ersten Turnier teil. Heute ist er Schweizermeister im prestigeträchtigen Zweier.
Wie Billard und Curling
Taeggi ist in Ostermundigen aufgewachsen, seit Jahren wohnt er mit seiner Familie in Worb. "Boccia ist Sport, es ist mehr als ein Hobby", sagt Taeggi gleich zu Beginn. Boccia wird nicht am Strand, sondern auf einer glatten Kunststoffbahn gespielt. Die Kugeln sind nicht wie beim Boule aus Stahl, Boccia wird mit Kunststoffkugeln gespielt, die fast ein Kilo wiegen.
Grundsätzlich werden die Kugeln gerollt. Nur wenn man eine fremde Kugel abschiessen will, wird geworfen. "Es ist eine Kombination aus Billard und Curling", beschreibt Taeggi seine Leidenschaft. "Man muss seine Würfe ansagen und es braucht Präzision, Genauigkeit, Gefühl und eine gute Koordination."
Taeggi demonstriert danach seine Treffsicherheit auf der Bahn. Ob über die Distanz von fünf oder 15 Metern, er trifft die Kugel jedes Mal. Von zehn Würfen. Trifft er zehn Mal.
Der Weg in den Final
"Boccia wird immer im Cup-System gespielt. Wer verliert, ist draussen." Mitte Mai gewann Taeggi erstmals den Schweizermeistertitel im Zweier. "International sind die Italiener die Besten. In der Schweiz sind es die Tessiner", so Taeggi. Schon in der dritten Runde trafen er und sein Partner Alessandro Corbo auf zwei Tessiner. "Beides waren Nationalspieler, wir gewannen. Danach spielten wir gegen den Junioren-Europameister und im Halbfinal warteten wieder zwei Tessiner."
Alan Taeggi und sein Partner gewannen Spiel um Spiel und schafften es in den Final. Dort wartete ein "Vater-Sohn-Team". Der Vater ist zweifacher Weltmeister und mehrmaliger Schweizermeister. Aber auch hier erzielten Taeggi und Partner als erste die zwölf Punkte und waren Schweizermeister.
Für Ruhm und Ehre
"Das war ein Riesenfest. Der ganze Club war dabei und applaudierte bei gelungenen Würfen", erzählt Taeggi mit einem breiten Grinsen. "Die Halle in Biel war voll, die Stimmung super." Für das Siegerpaar gab es eine Medaille und einen Früchtekorb. "Wir spielen für Ruhm und Ehre", bei weiteren Turnieren gibt es Preisgelder oder Preise von Sponsoren. Da gebe es für einen Sieg schon mal um die 1'000 Franken. Taeggi spielt für den Club Italgrenchen und hat einen Sponsor, der Spesen für Anreise und Übernachtung bezhalt.
Meister und keiner weiss es
Der neu gekürte Schweizermeister feierte seinen Titel abseits der Öffentlichkeit. Zeitungen, Radio und Fernsehen berichten nicht über Boccia. "Ich finde das schade." Schweizweit gibt es aktuell 1'609* lizenzierte Spieler:innen. Die Region Bern finde in der Szene praktisch nicht statt. Moderne Hallen gebe es in Zürich, Basel oder Luzern. "Da gibt es Bocciahallen wie Tennishallen, davon können wir hier nur träumen."
Taeggi arbeitet voll als Projektleiter beim Bund und investiert pro Woche vier bis sechs Stunden ins Training. Samstag und Sonntag spielt er an Turnieren in der Schweiz. "Da kann es auch passieren, dass ich morgens um neun Uhr im Tessin spiele. Verliere ich das erste Spiel, kann ich wieder nach Hause reisen."
Boccia, Bier und Bräteln
"In Brenzikofen hatte es früher eine Boccia-Bahn, da habe ich als Jugendlicher oft gespielt", so der Schweizermeister. Heute trainiert er in der Äusseren Enge im Berner Rossfeld und in Biel. Neben uns dröhnt aus dem Clubhäuschen Musik aus dem Radio. Wie wichtig ist das Gesellige beim Boccia? Alan Taeggi sagt: "Auf dem Turnierniveau spielt es keine Rolle. Da geht’s um den Sport. Aber abends im Boccia-Club Neufeld geht es auch darum, unter sich zu sein, Freude zu haben und danach noch zu grillieren." Die Region Bern mag von der Boccia-Infrastruktur her im Rückstand sein, dennoch kommt der Schweizermeister aus Worb.
[i] Alan Taeggi ist verheiratet, hat eine Tochter und einen Sohn. Er gewann bereits das Swiss Masters und diverse nationale Turniere im Einzel. Im Zweier hat Taeggi verschiedene nationale Turniere gewonnen. Drei Mal war er Schweizermeister im Dreier und vier Mal Sieger des Schweizer Cups mit der Mannschaft.
[i] Boccia wird auf einer 26 Meter langen und vier Meter breiten Bahn gespielt. Die Kugeln wiegen 920 Gramm und haben einen Durchmesser von 10.7 Zentimetern (Zum Vergleich: Boule-Kugeln wiegen 700 Gramm und messen um die 7.5 Zentimeter).
[i] Laut der Internetseite des Schweizerischen Boccia-Verbands gibt es aktuell 1'609 lizenzierte Spieler:innen.
Erstellt:
28.05.2022
Geändert: 28.05.2022
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