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Auf einen Kafi mit Mirjam Gygax: Weiterlieben, weitersingen, weiterleben!
Die Konolfingerin Mirjam Gygax hat zugleich ein Musik-Album und eine Biografie herausgegeben. Und das, obwohl sie seit Jahren mit gravierenden Gesundheitsproblemen kämpft. Mirja, so ihr Künstlername, erzählt bei einem Kaffee, wie sie es schafft, sich nicht unterkriegen zu lassen und trotz Gegenwind weiterzusingen.
Die ehemalige Schoggifabrik Ammann in Konolfingen wirkt heimelig: Das Haus ist in freundlichen Farben gestrichen und apart eingerichtet, nur schwer kann man sich heute noch vorstellen, dass es vor Jahren noch wie eine Ruine aussah. Mirjam Gygax, 45, strahlt. «Ich liebe unser Zuhause, darin steckt viel Arbeit und Herzblut.» Der Einzug im Sommer 2008 allerdings lief ziemlich dramatisch ab.
Ein Album ... und gleich noch ein Buch ...
Aber der Reihe nach. Mirjam Gygax, Lehrerin, Sängerin und Autorin, schaltet die Kaffeemaschine ein und brüht sich selbst einen Tee auf. Mit der Tasse setzt sie sich an den Tisch und erzählt, wie es kam, dass sie letzten Oktober fast zeitgleich das Album «Zwüsche Bärn u Texas» und die Biografie «Herzklang» herausbrachte. Und worum es geht im Album, das aus einem Dutzend Songs besteht, und im Buch, das ein Dutzend Kapitel hat. Beide erzählen von Schmerzen und Freuden, von Gegenwind und Rückenwind. Das alles gehört zu ihrer Geschichte.
... und dann noch eine Liebesgeschichte
Die musikalische Reise der Sängerin/Songwriterin Mirja, so ihr Künstlername, begann, als sie mit 17 Jahren ihr erstes Album «Mir-Jam» produzierte. Im Lauf der Jahre folgten fünf weitere Musikalben. Daneben schrieb sie fünf Kinderbücher und drei Lehrbücher. Und irgendwann unterwegs erlebte sie ihre persönliche Liebesgeschichte.
«Wie konnte sie nur?»
Diese spielt eine wichtige Rolle in ihrem Leben, und sie hört sich an wie aus einem Roman. Beim Raclette-Essen bei der Familie einer ihrer Viertklassschülerinnen erfuhr die damals 26-jährige Lehrerin, dass der vierfache Familienvater alleinerziehend war: Seine Frau hatte ihn verlassen. «Wie konnte sie nur einen so tollen Mann verlassen?», sei ihr nach diesem Abend durch den Kopf gegangen.
Vierfache Stiefmutter? Niemals!
Dennoch dauerte es viele Wochen, bis die Sache zwischen ihnen klar war, denn die Bedenken der jungen Lehrerin waren gross: «Stiefmutter von vier Kindern? Das schaffe ich niemals!» Als sie aber einer Freundin davon erzählte, meinte diese: «Was du mir da erzählst, das nennt man Liebe.» Sie drängte sanft: «Das musst du wagen, sonst bereust du es ewig!» Wie das Paar dann doch noch zusammengefunden hat, beschreibt Mirjam Gygax in der Biografie, und diese heisst nicht zufälligerweise Herzklang.
Oder vielleicht doch …
Von da an sei alles einfach gewesen – für das Paar jedenfalls. Für die Kinder, heute alle erwachsen, war es schwierig vor zwanzig Jahren im kleinen Dorf, in dem das Schulhaus mittendrin steht und in dem sich alle kennen. Zeit für einen Wechsel. Sie suchten lange. Dann der Lottosechser: Ein Fünfeinhalb-Zimmer-Haus samt Lagerräumen, die sich in Zimmer umwandeln liessen, und das erst noch bezahlbar war.
«Das rocken wir»
Ein Haus aber auch, in dem 20 Jahre Schokoladenmanufaktur Ammann und 20 Jahre Berner Kraftwerke BKW tiefe Spuren hinterlassen hatten. Der Zustand des Gebäudes hatte viele abgeschreckt, das Ehepaar Gygax beschloss: «Das rocken wir!» Vom Februar bis Juli erneuerte die Familie ihr neues Haus von Dach bis Boden, sie bauten um, verlegten Böden, strichen Wände, «ich weiss nicht mehr, wie wir das geschafft haben».
Ein Haus wie ein Praliné
Das war im 2008, und die beiden dachten: «Da hat uns das Universum ein Praliné hingeworfen!» Einen Tag vor dem Umzug im August dann der gesundheitliche Zusammenbruch: Schon ein Jahr zuvor hatte Mirjam Gygax nach einer Kieferentzündung links eine grosse Operation über sich ergehen lassen müssen, dann noch eine zweite. Jetzt kam eine Sehnerventzündung am linken Auge dazu.
Flachliegen statt zügeln
Der Augenarzt schickte sie in die Neurologie, und dort behielt man sie gleich stationär. «Tags darauf wollten wir zügeln.» Ihr Mann und die vier Kinder schafften das dann mit viel Hilfe von Freunden, sie selbst musste fünf Tage lang komplett stillliegen. Und das, so stellte sich im Nachhinein heraus, war nur der erste Schub gewesen.
Nach dem Praliné viel Scheiss
Im Dezember 2008 folgte eine zweite gesundheitliche Krise, und diesmal gleich bei beiden Eheleuten: Am gleichen Tag erhielt sie die Diagnose «Multiple Sklerose», ihr Mann die Diagnose «bösartiger Tumor». Das Paar hielt sich an den Händen, beschloss, das zusammen zu überstehen und fand: «Das ist viel Scheiss. Machen wir das Beste draus.»
Noch im Spitalbett losgelegt
Aufgeben kam für Mirjam Gygax nie in Frage: Noch im Spitalbett begann sie die Bücher ihrer Kinderbuchreihe «Zauberlinse» zu schreiben. Danach suchte sie sich jahrelang ihren Weg quer durch alle Therapiemöglichkeiten, zuerst schulmedizinische, dann alternative. Sie stellte fest, dass Stress ihr schadet, Medizin aus Pflanzen, Chinesische Medizin und Energiemedizin hingegen helfen.
Gelernt zu verzichten
Sie nickt nachdenklich, giesst sich eine zweite Tasse Kräutertee ein. «Ich habe seither gelernt zu verzichten», sagt sie dann. Die Krankheit brachte ein Chronisches Erschöpfungssyndrom mit sich, und dieses raubt ihr alle Kraft: «Ausflüge, Konzerte, Ferien – alles ausser dem täglichen Leben strengt mich zu sehr an.» Statt in der Schule unterrichtet sie seit ein paar Jahren Homeschooling-Kinder im eigenen Klassenzimmer unten im Haus.
Musik aufgeben? Niemals!
Ihre Musik jedoch wollte Mirjam Gygax um nichts in der Welt aufgeben. Im Gegenteil: Sie vertonte ihr Leben in zwölf sehr persönlichen und kraftvollen Songs. Diese schickte sie an den texanischen Produzenten Lloyd Miller, den sie online ausfindig gemacht hatte. Dieser fand ihre Lieder toll und mailte zurück: «I will do it!» Das war der Start des Musikalbums «Zwüsche Bärn u Texas», das Ende Oktober 2024 erschien.
Biografie als Chance
Konzerte jedoch, um dieses zu promoten, liegen nur selten drin: «Einen Auftritt bezahle ich mit tagelanger Bettlägerigkeit», sagt Mirjam Gygax. Stattdessen bot ihr der Zufall die Möglichkeit, im Weber Verlag eine Biografie zu publizieren – ein Kapitel für jeden Song. Zuerst schreckte sie vor der Idee zurück, «eine Biografie schien mir doch sehr vermessen».
War’s wegen der Feng-Shui-Beratung?
Aber der Wink des Schicksals war deutlich, und sie begeisterte sich zunehmend für die Idee. Sie lacht, zeigt auf die «Erfolgsecke» bei der Treppe, die sie auf den Rat ihrer besten Freundin Yvonne Wiedmer eingerichtet hat. Ob tatsächlich alles mit deren Feng-Shui-Beratung zusammenhängt? So genau werde man das nie wissen, sagt sie. Aber Tatsache ist, dass ebendiese Freundin als Autorin beauftragt wurde, worauf das Buch in freundschaftlicher Zusammenarbeit entstand.
Weiterkämpfen, weitersingen, weiterleben
Kürzlich hat sich Mirjam Gygax einen weiteren Lebenswunsch erfüllt und bei einem Konzert samt Lesung die Nordlichter gesehen – nicht in Norwegen, aber im «Space Eye» des Berner Planetariums. «Geht etwas nicht, muss ich halt einen anderen Weg finden», sagt sie schlicht. Und genau so will sie weiterkämpfen, weitersingen, weiterleben – nach dem Motto ihres Songs: «I bi no da, de chani ou wieder ufsta.»
[i] www.mirja.ch
Buch: «Mirja – Herzklang», Weber Verlag Thun, 2024, 164 Seiten, 39 Franken, ISBN 978-3-03818-586-4
CD: «Mirja - Zwüsche Bärn u Texas», Weber Verlag Thun, 2024, 12 Songs, 25 Franken
Lesung mit Musik: Freitag, 28.März 2025, Bibliothek Konolfingen, ab 19.30 Uhr
Erstellt:
28.02.2025
Geändert: 28.02.2025
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