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Auf einen Kafi mit Santina Griessen: Theaterspielen für Heiterkeit auf der Welt

Santina Griessen ist Präsidentin des Frauenchors Richigen und Projektverantwortliche der Seniorenbühne Worb. Sie steht seit über 40 Jahren hobbymässig auf der Bühne. Wir haben uns in Worb auf einen Kaffee getroffen und darüber gesprochen, warum ihr Singen und Theaterspielen so wichtig sind. Und welche Gedanken ihr für das neue Jahr durch den Kopf gehen.

Santina Griessen findet, dass Theater Leichtigkeit bringen soll, weil es sonst genug Schweres auf der Welt gibt. (Foto: cw)
Santina Griessen vor dem Bärensaal Worb, wo die Seniorenbühne jeweils spielt... (Foto: cw)
...und 2005 als in der Rolle einer Pflegefachfrau (links) im Stück «Uf Bali u zrügg». (Foto: zvg)

Ende Januar ist es wieder so weit: Santina Griessen, 67, wird das Bühnenkostüm überstreifen und sich für ihre Rolle im jährlichen Theaterstück des Frauen- und Männerchors Richigen bereitstellen. Diesmal spielt sie Trudy Wüest, eine der beiden nicht mehr ganz jungen Schwestern, die im Stück «Gülle, Mischt und Schönheitswahn» Abenteuer erleben. Es ist bereits ihr 40. Auftritt mit dem Chortheater.

 

Theater hier und dort

Was «Mist» und «Schönheit» miteinander zu tun haben, sei an dieser Stelle nicht verraten. Vielmehr möchte ich von Santina Griessen wissen, warum ihr das Theaterspielen so viel bedeutet, dass sie trotz anfänglicher Bühnenscheu immer wieder auf der Bühne steht: Nicht nur beim jährlichen Chortheater Richigen spielt sie seit Jahrzehnten mit, sondern auch im Theaterverein Signau und bei den Freilichtspielen Moosegg. Ausserdem ist sie Theaterleiterin bei der Seniorenbühne Worb (VSeSe Worb).

 

«Ein Riesenerlebnis»

Was ihr am Theaterspielen so gefällt, erklärt sie am Beispiel des Freilichttheaters Signau 2022: «Wir spielten Bärenwirts-Töchterli vor dem Bären Signau, ein Ensemble mit 46 Personen samt Kindern und Mitspieler:innen von fast 80 Jahren, und das war ein derart schönes Zusammenspielen und eine so harmonische Stimmung – ein Riesenerlebnis», schwärmt sie. «Es ist für mich wie eine Familie und ein wunderschönes Hobby.»

 

«Das kannst du vergessen»…

Sie überlegt kurz und nimmt einen Schluck von ihrem Espresso. «Eigentlich wollte ich ursprünglich gar nie auf die Bühne», sagt sie dann mit einem Schmunzeln. Im Mai 1980 war sie als 23-Jährige frisch als Sängerin im Frauenchor Richigen beigetreten und wollte vor allem «einmal reinhören». Als die damalige Präsidentin sie gegen Herbst für das Theater anfragte, antwortete Santina Griessen prompt: «Nein, das kannst du vergessen, ich kann nicht vor Leuten auf der Bühne stehen.»

 

…dann stand sie auf der Bühne…

Schliesslich liess sie sich doch überreden, das Büchlein mit dem Stück zu lesen. «Mönsche am Chrüzwäg» hiess es, sie erinnert sich noch gut, und es blieb bei ihr liegen. Mehr noch, irgendwie stand sie auf einmal für die Proben auf der Bühne. «Die Proben waren dann ganz lustig», erinnert sie sich. Zwar war schnell fertig lustig: «Drei Wochen vor den Aufführungen musste ich mir in der Drogerie etwas zur Entspannung besorgen, weil ich nicht mehr schlafen konnte!»

 

…und konnte gar nicht mehr aufhören

Irgendwie überstand sie trotzdem diese ersten Aufführungen, und schon wenige Monate später fand sich Santina Griessen wieder auf der Bühne – diesmal als Aushilfe im Theater des Männerchors. «Und da hat es mich dann richtig gepackt», erzählt sie, und ihr Gesicht leuchtet. Seither fehlte sie bei den Stücken nur dreimal während ihren Schwangerschaften – und das ist lange her, ihre Söhne sind inzwischen 42, 40 und 35 Jahre alt.

 

Auch Freilichtspiele…

Mit der Zeit breitete sich bei der gelernten Verwaltungsangestellten das Theaterfieber sogar noch weiter aus: Sie trat dem Theaterverein Signau bei. Und weil sie unbedingt bei den Freilichtspielen Moosegg dabei sein wollte, meldete sie sich zunächst als Helferin bei Kostüm und Eintrittskontrolle, später meldete sie sich für eine Bühnenrolle bei Pesche Leu, dem damaligen Leiter.

 

…und heitere Stücke

Ein Leben ohne Singen und ohne Theater kann sich Santina Griessen seither nicht vorstellen. Für sie passt es auch gut, dass sich 1987 der Frauen- und der Männerchor für das Theater zusammengeschlossen haben: Vorher habe der Frauenchor nachdenkliche Stücke gespielt, erzählt sie, der Männerchor Lustspiele. «Jetzt haben wir uns darauf geeinigt, nur noch heitere Stücke aufzuführen – es gibt schliesslich genug Trauriges auf der Welt.»

 

Viel Engagement

Ausserdem lassen sich so die Proben kombinieren, denn das viele Theaterspielen und -organisieren sei auch manchmal anstrengend: Santina Griessen hatte regelmässig 70 Proben für die Freilichtspiele Moosegg, 25 für das Chortheater, manchmal auch für den Theaterverein Signau, dazu noch die wöchentliche Chorprobe und rund 15 jährliche Sitzungen für die Seniorenbühne Worb und den VSeSe.

 

Viele ältere Sängerinnen...

Genau das ist auch das Problem des Frauenchors Richigen: «Niemand mag sich mehr fix den Abend für Chorproben freihalten, geschweige denn, noch für jährliche Konzerte.» Daher fehlt wie in allen Chören der Nachwuchs. Die drei jüngsten Sängerinnen seien inzwischen auch schon über 40, einige schon über 80 und viele in den 60ern und 70ern. Sie selbst sei seinerzeit auch eher hineingewachsen, erinnert sie sich, habe das Sekretariat übernommen, dann das Präsidium - das ist inzwischen auch schon 15 Jahre her.

 

...und ein neues Lokal

Dieses Jahr kam ein weiteres Problem dazu: «Früher spielten wir immer im Rössli Richigen, jetzt ist dieses geschlossen.» Ein neues Aufführungslokal musste her. Nach einigem Suchen fand sich eine günstige Lösung mit der Aula des Oberstufenzentrums Worbboden – «eine sehr gute Lösung», wie sie sagt: Dank der grossen Aula können die Chöre sogar Tische aufstellen und Essen servieren. «Jetzt sind wir gespannt, wie das wird!»

 

Sinnieren über die Zukunft

Dann wird Santina Griessen ein bisschen nachdenklich, wenn sie über die Zukunft des Chors sinniert, und darüber, wie sich das neue Jahr entwickeln mag: Ihr gebe zu denken, wie sich die Leute seit der Pandemie verändert hätten, sagt sie. «Viele sind egoistischer geworden, oft fehlt das menschliche Miteinander.» Daher hätte es auch der Gedanke eines Vereins schwer, dieses «Mitmachen, ohne dass es einem einen Nutzen bringt».

 

«Etwas leidet – manchmal Singen und Theater»

Nach kurzem Nachdenken ergänzt sie aber: «Heute haben die Leute auch viel weniger Zeit, und ein Einkommen reicht nicht mehr.» Da sei es oft schwierig, alles unter einen Hut zu bekommen: «Irgendetwas leidet – vielleicht halt eben Hobbies wie das Singen und Theaterspielen.» Sie selbst freut sich, diesen Herbst endlich mit ihrem Mann zusammen anderthalb Monate lang ihre italienische Familie in den Abbruzzen zu besuchen, obwohl sie ein paar Singproben verpassen wird.

 

Hoffnung: Annähern und menschlicher werden

Santina Griessen trinkt den Espresso aus, dann sagt sie: «Für das neue Jahr hoffe ich, dass sich die Leute wieder annähern und menschlicher werden.» Und dass die Menschen der Umwelt Sorge tragen mit Elektro-Fahrzeugen und Solarpanels beispielsweise. Oder wie sie mit ihrem biologischen Gemüsegarten, in dem Rüebli und Salat ungespritzt einfach so wachsen, wie sie mögen. «Ich möchte meinen drei Grosskindern eine lebenswerte Umwelt hinterlassen.»

 

[i] Konzert und Theater des Frauen- und Männervereins Richigen: Freitag, 31. Januar, 20 Uhr, Samstag, 1. Februar, 20 Uhr und Sonntag, 2. Februar, 13.30 Uhr, Aula des Oberstufenzentrums Worbboden, Lauigasse 5, 3076 Worb. Ein Essen kann dazugebucht werden. Informationen und Tickets: Ab 13. Januar bei Margrit und Res Bigler, Telefon 031 839 48 04, oder hier.


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 06.01.2025
Geändert: 06.01.2025
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