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Baustreit in Walkringen: Die Sache ist verfahren, nichts geht mehr

Ein Bürger aus Walkringen ist im Streit mit der Bauherrschaft, die auf dem Nachbarsgrundstück baut. Ein Baustopp wurde bereits verfügt, es fanden Sitzungen mit der Gemeinde statt. Noch ist keine Einigung in Sicht. Kommuniziert wird nur noch über die Anwälte.

Urs Lüchinger in seinem Carport, der abgerissen werden soll. (Foto: Rolf Blaser)
Urs Lüchinger: «Wenn man ohne Bewilligung baut und damit durchkommt, dann können wir das Baurecht kübeln.» (Foto: Rolf Blaser)
Diese Stützmauer wurde 2021 gebaut, dahinter das Grundstück und Haus von Urs Lüchinger. (Foto: zvg)

«Der Anwalt der Gegenpartei erwähnte schon zwei Mal, ich soll endlich zur Vernunft kommen, die Geduld mir gegenüber sei endgültig am Ende.» Urs Lüchinger sagt das, während wir an seinem Esstisch sitzen. Er besitzt seit 20 Jahren ein Einfamilienhaus in Walkringen. Seit über einem Jahr wird die Idylle an der Friedbergstrasse gestört. Das Nachbargrundstück wurde verkauft, dort entsteht am Hang eine Wohnsiedlung.

 

Deshalb wurde an der Grenze zu Lüchingers Grundstück eine Stützmauer in Form einer Nagelwand errichtet. Diese Stützmauer wird von 26 langen Nägeln gesichert. Diese Nägel stecken im Untergrund von Urs Lüchingers Garten und reichen unterirdisch bis zu acht Meter in sein Grundstück. Nachträglich stellte sich heraus, dass diese Stützmauer separat hätte bewilligt werden müssen.

 

«Kann das nicht akzeptieren»

Dies ist der Punkt an dem Lüchinger sagt: «Stopp, bis hier und nicht weiter.» Lüchinger arbeitet beim Schweizer Zoll. «Bei meiner täglichen Arbeit achte ich darauf, dass die Gesetze eingehalten werden», sagt er. Deshalb könne er es nicht akzeptieren, dass neben ihm ohne Bewilligung in sein Grundstück gebaut wird. Letztes Jahr reichte die Bauherrschaft nachträglich ein Baugesuch ein und ersuchte um eine Bewilligung (BERN-OST berichtete). Lüchinger reichte Beschwerde ein. Zudem zeigte er die Bauherrschaft und den Architekten an, er wirft ihnen vor, ohne Bewilligung gebaut zu haben.

 

Ein Fehler ist passiert

Die Wohnsiedlung wurde gebaut, die neuen Besitzerinnen und Besitzer sind zum grossen Teil bereits eingezogen. Hier gilt festzuhalten, diese Siedlung wurde nicht ohne Baubewilligung gebaut. Für den Bau der Siedlung wurde die Bewilligung erteilt. Übersehen im ganzen Verfahren wurde jedoch, explizit diese Nagelwand zu bewilligen. Bauherrschaft, Architekt, Gemeinde und Regierungsstatthalteramt hatten dies übersehen. Die Stützmauer wurde gebaut und erst danach meldete Lüchinger seine Bedenken an. Jetzt wo die Mauer steht, kann sie nicht mehr zurückgebaut werden.

 

«Es geht nicht ums Geld»

Im Dezember fand eine Einigungsverhandlung zwischen der Bauherrschaft, Lüchinger und der Bauverwaltung der Gemeinde statt. Die Bauherrschaft liess sich durch einen Anwalt vertreten. Diese Verhandlung habe «gar nichts gebracht», so Lüchinger. «Die Meinungen gingen diametral auseinander.»

 

Die Gegenpartei habe ihm 3000 Franken für die 26 Nägel angeboten, Lüchinger hat abgelehnt. Es gehe ihm nicht ums Geld. «Ich verlange, dass die Nägel entfernt werden. Irgendwann will ich das Haus verkaufen, 26 unterirdische Nägel, auf einer Fläche von über 100 Quadratmeter, entsprechen einer Wertverminderung.»

 

Über 10‘000 Franken für Anwältin

Das Seilziehen zwischen ihm, der Bauherrschaft und deren Anwalt ging weiter. E-Mails wurden verschickt. Urs Lüchinger listete seine Kritik Seite um Seite auf, als Antwort erhielt er lediglich zwei Zeilen. Sein Frust wuchs. Briefe gingen hin und her. Anfang Jahr liess sich auch Lüchinger durch eine Anwältin vertreten.

 

Für Gutachten, Beratungen und Anwältin hat er, Stand heute, gegen 10‘000 Franken ausgegeben. Er könne es sich leisten und fragt rhetorisch: Aber was wäre, wenn er die finanziellen Möglichkeiten nicht hätte? Er müsste wohl aufgeben und die Bauherrschaft könnte die Mauer stehen lassen, obwohl sie ohne Bewilligung gebaut wurde. Deshalb kämpfe er weiter.

 

Nach der Mauer wird über den Carport gestritten

Ende April erhielt er eine Aufforderung der Bauherrschaft seinen Carport zurückzubauen. «Jetzt versuchen sie mich in die Knie zu zwingen», sagt Lüchinger. Beim Carport handelt es sich um einen Autounterstand, den er vor 15 Jahren bauen liess. Er befindet sich auf dem Grundstück der Gegenpartei. Lüchinger hat ein Nutzungsrecht für diesen Parkplatz.

 

Der Bau des Carports war damals von der Gemeinde und vom Vorbesitzer bewilligt worden. Jedoch ging vergessen, dies im Grundbuch einzutragen. Jetzt verlangt der neue Besitzer, dass dieser entfernt wird. Lüchinger sagt: «Wenn die das wünschen, muss ich das zurückbauen.» Für den Rückbau rechnet er mit Kosten um die 5000 Franken.

 

Warum tut er sich das an?

Lüchinger ist überzeugt im Recht zu sein. Er habe schon besser geschlafen, viel Geld ausgegeben, seitenweise Gesetzestexte gelesen und Briefe geschrieben. Warum tut er sich das an wegen ein paar unterirdischen Nägeln, die man gar nicht sieht? «Wenn man ohne Bewilligung baut und damit durchkommt, dann können wir das Baurecht kübeln.» Er sei bereit, bis vor Bundesgericht zu gehen. Das könne bis zu vier Jahren dauern und würde gegen 100‘000 Franken kosten. «Die Drohungen machen mir nichts, im Gegenteil.»

 

Die Sache bleibt verfahren

Urs Lüchinger beharrt auf seinem Standpunkt. Es lief ein ordentliches Bewilligungsverfahren ab. Scheinbar haben sämtliche Seiten übersehen, dass eine Stützmauer hätte bewilligt werden müssen. Die Mauer wurde gebaut und wird nun zum Streitobjekt. Alle Parteien kommunizieren nur noch über die Anwälte. Keiner scheint bereit zu sein auf den anderen einen Schritt zuzugehen. Ob diese Stützmauer nachträglich bewilligt wird, muss die Gemeinde entscheiden.

 

[i] BERN-OST hat allen Parteien die Möglichkeit gegeben, den Vorfall zu kommentieren. Da der Fall noch hängig ist, wollten sich weder Gemeinde noch Bauherrschaft zum laufenden Verfahren äussern.


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 12.06.2023
Geändert: 12.06.2023
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