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Bernhard Ryser: «Man weiss heute, wie eine Kuh aussehen sollte, damit sie möglichst alt wird»

Viehschauen sind mehr als nur ein lokales Ereignis: Für viele Bauern bedeutet es Leidenschaft, Fachwissen und einen tiefen Bezug zur Region. Bernhard Ryser, ehemaliger Experte und heutiger Präsident des Viehzuchtvereins Worb, berichtet von den Herausforderungen und besonderen Momenten, die diese Tradition mit sich bringt.

Für Bernhard Ryser ist der Austausch mit den anderen Bauern ein wichtiger Teil der Viehschauen. (Bild: Archiv BERN-OST)
Juror ist er nicht mehr, doch auch als OK-Präsident ist Bernhard Ryser gerne unterwegs. (Bild: Archiv BERN-OST)

Viele, die sich der Aufgabe als Juror von Viehschauen widmen, tun dies mit viel Leidenschaft und satte 12 Jahre. Einer von ihnen war Landwirt und Präsident des Viehzuchtvereins Worb Bernhard Ryser. «Die Anwesenden über die Kühe und Beschlüsse zu informieren, fand ich immer toll und es war spannend, unterwegs zu sein und mit den Menschen zu reden», erklärt Ryser. Die Juroren werden von den Bauern gewählt und stehen bei jeder Schau im Rampenlicht, wenn es darum geht, die Kühe nach Kriterien zu bewerten. Dabei geht es nicht hauptsächlich um Ästhetik, sondern vor allem um die Langlebigkeit der Tiere. «Man weiss heute genau, wie eine Kuh aussehen sollte, damit sie möglichst alt wird», sagt Ryser.

 

Die Viehschauen, die zweimal jährlich im Frühling und Herbst stattfinden, sind mehr als nur eine Tradition. Für die Bauern aus der Region geht es darum, ihre Kühe zu präsentieren und die Zuchtstandards mit anderen zu vergleichen. Besonders im Herbst, wenn die grössere Schau stattfindet, nehmen viele Bauern teil. Alle präsentieren bis zu 25 Kühe.

 

Auch die Rassenwahl ist eine bewusste Entscheidung: In Worb dominiert die Holstein- und Red Holstein-Rasse. Die passe am besten in die Region. «Wir haben die Möglichkeit, hier viel Futter selbst anbauen zu können, was den Milchkuhbetrieben zugutekommt. Unsere Kühe wären auf der Alp nicht wohl», betont Ryser. Während in den Bergen Kühe oft nur um die 5000 Liter Milch pro Jahr geben, schaffen es die Kühe in der Worber Umgebung auf bis zu 10’000 Liter.  Dies ist von Rasse zu Rasse unterschiedlich und auch die Futtergrundlage hier in der Region sei ideal, um Milchkühe zu halten.

 

Kosten und Nutzen der Milchviehhaltung

Die wirtschaftlichen Aspekte spielen in der Viehzucht eine zentrale Rolle. Eine Kuh kostet bis zu ihrem ersten Kalb im Alter von zwei Jahren zwischen 3000 und 4000 Franken. Bis dahin verursacht sie Kosten. «Wir Bauern wollen Geld verdienen mit den Kühen», erklärt Ryser. Deshalb sei das Ziel, dass die Kühe alt werden und so lange wie möglich Milch produzieren.

 

Bewertung der Kühe

Bei den Viehschauen werden die Kühe in acht Klassen eingeteilt und nach verschiedenen Kriterien bewertet. Die Experten vergeben Noten für den Körperbau, die Gliedmassen, das Euter und die Zitzen. Eine Kuh, die genetisch gute Voraussetzungen hat, wird von den Experten höher eingestuft, da sie die besten Chancen auf ein langes Leben hat. «Ein grosses Euter ist nicht gleichbedeutend mit viel Milch», sagt Ryser. Vielmehr sollte das Eutervolumen bei jungen Kühen möglichst gering sein, damit sie alt werden können.

 

Das Finale auf dem Schwand

Nach den vielen Dorfschauen gibt es jedes Jahr das grosse Schaufinale auf dem Schwand in Münsingen, bei dem die besten 80 bis 90 Kühe aus der Region teilnehmen. Am Finale sind weitere Rassen mit dabei, wie Swiss Fleckvieh oder auch Simmentaler. Dabei werden Preise in verschiedenen Kategorien vergeben, unter anderem für die «schönste Kuh» und die Kuh mit dem besten Euter. «’Schönste Kuh’ ist eigentlich falsch, ich sage gerne, ‘die beste Kuh’», lacht Ryser.

 

Tradition im Wandel

Die Teilnahme an Viehschauen nimmt in Worb ab. «Vor 20 Jahren gab es noch 20 Bauern, die teilgenommen haben, heute sind es nur noch wenige», so Ryser. Immer mehr Bauern steigen auf Mutterkühe um, was die Zahl der Teilnehmer reduziert. Doch für Ryser ist die Viehzucht nach wie vor eine Herzensangelegenheit. Eine seiner Kühe, die früher immer die Leitkuh war, wurde 14 Jahre alt und hat noch heute einen besonderen Platz in seinen Erinnerungen.

 

Eine besondere Anekdote erzählt Ryser von einer Leitkuh, die immer vorne laufen wollte, wenn es zur Viehschau ging. «Sie war schon 14 Jahre alt und wir wollten sie schonen und mit dem Viehanhänger abholen. Doch sie wusste, dass die anderen zur Viehschau gingen und drehte im Stall fast durch.» Deshalb hat er sich dazu entschieden, dass die Kuh von der Viehschau zurücklaufen kann. «Ich lief mit ihr an der Spitze voraus.» In Worb SBB angekommen, musste Ryser mit der Leitkuh zwei Minuten auf die Herde warten, da sie so schnell gelaufen sei.

 

Herausforderungen auf dem Weg zur Viehschau

Der Weg zur Viehschau sei oft ein Abenteuer für sich. Die Herde muss über einen Bahnübergang und entlang der Bahnlinie laufen, was potenzielle Gefahren birgt. Auch die Hauptstrasse sei nicht ungefährlich. «Es gibt Autofahrer:innen, die man nicht einschätzen kann», sagt Ryser. Sicherheit geht vor, weshalb immer ein Viehtransporter am Ende des Zuges mitfährt.

 

Grundsätzlich zählt für Ryser aber immer: «Mir ist es wichtig, dass es den Kühen an 365 Tagen gut geht. Das Tierwohl steht an oberster Stelle und nur so können wir am meisten von ihnen profitieren.»

 

[i] Seit 2018 ist Bernhard Ryser Präsident des Viehzuchtvereins (ZVZ) Worb, doch seine Verbindung zur Viehzucht reicht weit über seine Präsidentschaft hinaus. Neun Jahre lang war er selbst als Experte tätig, richtete und bewertete Kühe auf Viehschauen und erlangte so tiefen Einblick in die Zucht, Haltung und Bewertung der Tiere. Ursprünglich wären es zwölf Jahre gewesen, doch betriebliche Gründe bewegten ihn dazu, diesen anspruchsvollen und zeitraubenden Posten früher niederzulegen. Als Experte war er im Frühling und Herbst je zwei Wochen unterwegs, vom Berner Oberland über Solothurn bis nach Luzern, und die Arbeit auf dem eigenen Hof musste aufwändig organisiert werden.

 

[i] Viehschau VZV Worb, 22. Oktober ab 10 Uhr

[i] Schaufinale Region Konolfingen 2024, 8. November ab 19.30 Uhr auf dem Schwand Münsingen


Autor:in
pg, info@bern-ost.ch
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Erstellt: 20.10.2024
Geändert: 20.10.2024
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