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Bolligen: Der Gemeindepräsident atmete auf

Der Kirchgemeindesaal war voll, obwohl die Traktandenliste nicht so spektakulär schien: Positives Budget, Arealentwicklung «VistaRotonda» und Friedhofsreglement standen an. Und – eben doch ein bisschen spektakulär – der Punkt «Organisationsentwicklung». Tatsächlich gab dieser an der Gemeindeversammlung Bolligen einiges zu reden.

Gemeinderat von Bolligen (von rechts): Gemeindepräsident René Bergmann, Catherine Meyer, Marianne Zürcher, Carmen Dölle, Lilianna Eggimann-Keller, Daniela Freiburghaus und Christoph Frech. (Foto: cw)

Als Gemeindeversammlungsleiter Peter Muntwyler (FDP) die 214 Bolliger:innen im vollen Saal des Kirchgemeindehauses begrüsste, war er optimistisch: Er hoffe doch sehr, dass er nach dem Anlass um 22.55 Uhr noch den 200-Meter-Frauenlauf von Mujinga Kambundji an der Leichtathletik-EM sehen könne, sagte er mit einem Augenzwinkern.

 

Sorgfältig aufbereitete Jahresrechnung…

Aber bereits die detaillierte Erläuterung der Jahresrechnung dauerte: Bolligens Gemeindepräsident René Bergmann (Vereinte Mitte, BDP) erklärte sorgfältig: Wie dem um 1,745 Millionen Franken höheren Steuerertrag («deutlich höher als budgetiert») auf der anderen Seite ein höherer Personalaufwand gegenübersteht.

 

…erhielt Note Fünfeinhalb…

Nach vielen Zahlen und Bilanzen empfahl Norbert Riesen (SP) im Namen der GPK klar die Annahme dieser guten Jahresrechnung: «Zwar ist nicht einfach der Reichtum ausgebrochen.» Aber nebst den höheren Steuererträgen erwähnte er unter anderem den tieferen Aufwand punkto Sozialleistungen und bezeichnete die Jahresrechnung insgesamt als saubere Arbeit. «Im Untergymnasium Eisengasse hätte das eine Fünfeinhalb gegeben», scherzte er.  

 

Die Jahresrechnung mit einem Gewinn von 1,57 Millionen Franken im allgemeinen Haushalt wurde einstimmig genehmigt.

 

Knacknuss: Neue Geschäftsführung Gemeinde

Dann aber die Knacknuss des Abends: Der Punkt «Organisationsentwicklung (OE) – Neue Führungsstruktur». Gemeindepräsident René Bergmann war schon im Vorfeld darauf vorbereitet worden, dass die SVP einen Rückweisungsantrag vorlegen werde.

 

Das gab ihm zu denken, just dieses Traktandum lag ihm sehr am Herzen: Schon seit über einem Jahr überlegt er gemeinsam mit dem Gemeinderat und dem Verwaltungskader, wie sich die Arbeit in der Gemeinde professioneller und effizienter gestalten lässt.

 

Gemeinderat strategisch, Verwaltung operativ…

Kurz zusammengefasst, geht es bei der Organisationsentwicklung darum, dass sich der Gemeinderat besser auf seine Kernaufgaben konzentrieren kann: Er soll die Gemeinde politisch und strategisch führen und dafür auch genügend Zeit haben. Ohne dass ein Pensum von 25 Prozent überschritten werden muss. Das heisst zugleich, dass der Gemeinderat operative Aufgaben vermehrt an die Verwaltung abgibt.

 

… und Geschäftsführung als Schnittstelle

Die Verwaltung wiederum muss mehr Kompetenzen erhalten, um diese erledigen zu können. Dafür soll an der Schnittstelle von Verwaltung und Politik ein neuer Posten geschaffen werden. Diese neu angestellte Person soll künftig Verwaltung und Personal führen und zugleich die Verantwortung gegenüber dem Gemeinderat übernehmen.

 

Kurz: Die neue Kaderstelle soll zugleich das Gemeinderats-Amt und die Arbeit der Verwaltung attraktiver machen. An sich eine sinnvolle Neuerung, darin schien sich nach Bergmanns Erklärungen eine grosse Mehrheit im Saal einig zu sein.

 

Etliche wollten über die 200'000 Franken reden

Das sei eine grosse Entwicklungschance für Bolligen, sagte Gerhard Kipfer (BDP) im Namen der GPK. Die GPK sei anfangs nicht Feuer und Flamme gewesen, «aber wir sehen immer besser die positiven Aspekte des Projekts».

 

Für die Neuschaffung der Stelle müssen allerdings jährlich 200'000 Franken aufgeworfen werden. Ein Betrag, der offensichtlich vielen sauer aufstiess: Gleich eine kleine Prozession von Rednern wanderte nach vorne an das Rednerpult.

 

Plädoyers halb dafür…

Rolf Freiburghaus (BDP) dankte für die gute Vorbereitung und lobte das «KMU-Modell mit strategischer Führung und operativer Geschäftsführung». Aber: «200'000 Franken sind in fünf Jahren eine Million, in zehn Jahren zwei Millionen.» Er befürworte das Geschäft, stelle aber im Annahmefall den Antrag, dass das kostenneutral geschehen müsse.

 

… und halb dagegen…

Alt-Gemeindepräsident Ruedi Burger doppelte nach: Er fand es unangebracht, jetzt einfach so 200'000 Franken mehr ausgeben. «Gemeinderat zu sein, ist ja auch ein Ehrenamt», plädierte er: «Wir werden keinen Mangel haben.» Darauf ging spontan ein ablehnendes Murmeln durch die Reihen. Burger blieb unbeirrt dabei: «Das neue Modell ist in Ordnung. Aber die 200'000 Franken werde ich ablehnen.»

 

…ziemlich dagegen…

Auch Michael Christen (SVP) fand, man sei nicht grundsätzlich dagegen. Aber die SVP stelle einen Rückweisungsantrag zur Überarbeitung: Zu viele Fragen rund um Rollen, Verantwortlichkeiten und Pflichten stünden noch im Raum. «Und vor allem zu hohe Kosten.» Auch er schlug vor, der Gemeinderat solle weiter überlegen, vielleicht lasse sich kostenneutral eine neue gute Lösung finden?

 

… oder ganz dafür

Adrian Ihly (Grüne Bantiger) hielt dieser Position entgegen, indem er argumentierte, ein Rückweisungsantrag bringe nicht viel, «das wirft uns zurück». Er sei für ein Ja zu diesem Schritt, denn es gebe keinen Grund, diesen Prozess aufzuhalten: «Ein Jahr oder zwei bringt uns nicht weiter, sondern verursacht nur zusätzliche Kosten.»

 

Unterstützt wurde er von FDP-Parteipräsident Urs Klaeger, der fand, es sei «kein perfektes Modell, aber eine Chance». Wenn das bewirke, dass die Leute dem Gemeinderat erhalten bleiben, solle man doch «dieser Chance eine Chance geben».

 

Einige wollten gleich loslegen…

Thomas Kiser (SP) spricht von einem «wegweisenden Geschäft in diskreter Verpackung»: Nicht alle Fragen seien gelöst, aber dennoch plädiert er für Vertrauen in den Gemeinderat: «Nichthandeln wird die Rahmenbedingungen nicht verbessern.»

 

Ein Sprecher der Mitte Bolligen verkündete, er unterstütze die Neuorganisation uneingeschränkt. «Lassen wir den Gemeinderat machen, wir wollen ihn nicht deckeln»: Hohe Fluktuationen könnten auch hohe Personalkosten von bis zu einem Jahreshonorar verursachen. Er schloss mit der beschwingten Aufforderung: «Vorwärts, die Mitte sagt ja!»

 

…andere gleich stoppen

Jean-Pierre Remund sprach «für sich», als er fragte, ob es denn dann noch sieben Gemeinderät:innen brauche, oder ob man Ressorts zusammenlegen könne? Er rechnete mit doppelt so teuren effektiven Kosten und warnte: «Wir kaufen die Katze im Sack, wenn wir heute ja sagen – also bitte ich um Rückweisung!» Ein paar applaudierten verhalten.

 

«Das war ja klar»

Gemeindepräsident René Bergmann fand, ihm sei «klar gewesen, dass es um die Kosten gehen wird». Aber die 200'000 Franken seien nicht fix, eine jüngere Person auf dem neuen Posten koste vielleicht um die 140'000 Franken. Und wenn er sämtliche Kosten von Überzeit der Verwaltungsmitarbeitenden und externer Unterstützung mitrechne, komme er momentan auf den doppelten Betrag für die Gemeinde.

 

«Ich kann so nicht weiterarbeiten»

Er habe immer Leute geführt, argumentierte Bergmann weiter. «Ich schaffe das aber im aktuellen Modell nicht, ich kann so nicht weiterarbeiten.» Das Modell habe viel Potenzial und lasse sich künftig vielleicht kostenneutral gestalten. «Deshalb ist es schade, wenn wir jetzt nur um die Kosten diskutieren.» 

 

Könnte ohnehin allein entscheiden…

An sich hätte der Gemeinderat sogar die Kompetenz gehabt, das allein zu entscheiden, sagt Bergmann. «Wir brauchen aber in Zukunft für die Schulraumplanung und den YB-Campus die Gemeinde auf unserer Seite.» Noch einmal erwähnte er die vielen Chancen dieses Modells und betonte: «Ich als Unternehmer würde nie etwas machen, was sich nicht in Zukunft lohnt.»

 

…aber zum Glück sagte die Gemeinde ja

Sein Schlussplädoyer zeigte Wirkung, der Rückweisungsantrag der SVP wurde mit 154 Nein- zu 32 Ja-Stimmen klar abgelehnt. In der Runde darauf wurde der Antrag des Gemeinderats ebenso klar angenommen. Und damit war die angeregte Debatte plötzlich vorbei.

 

Auch der EM-Lauf war vorbei

Knapp vor elf Uhr wurde die Gemeindeversammlung geschlossen. Zu dieser Zeit hatte Mujinga Kambundji ihren 200-Meter-Lauf und damit die Goldmedaille übrigens bereits gewonnen.

 

[i] 130 Männer und 84 Frauen (214 Stimmbürger:innen total) nahmen an der Gemeindeversammlung teil. Das sind 4,86 Prozent von 4'400 Stimmberechtigten in Bolligen.

 

[i] Folgende Beschlüsse wurden ausserdem gefasst:

Arealentwicklung Bolligenstrasse «VistaRotonda»
Die Ueberbauungsordnung (UeO) «VistaRotonda» mit Änderung der Zonenpläne 1 und 3 wurde einstimmig beschlossen.

 

Bestattungs- und Friedhofreglement – Teilrevision
Die Gemeindeversammlung genehmigte einstimmig die Teilrevision des Bestattungs- und Friedhofreglements per 1.1.2025.

 

Kreditabrechnungen – Kenntnisnahmen

Musikschulhaus Bolligen – Neubau
Die Kreditabrechnung im Betrag von Fr. 4'456'796.10 mit einer Unterschreitung von Fr. 43'203.90 gegenüber dem Kreditbeschluss von 4,5 Mio. Franken wurde zur Kenntnis genommen.

 

Pfrundschüür, Kirchstrasse – Umbau und Einbau Kindergarten
Die Kreditabrechnung im Betrag von Fr. 904'161.85 mit einer Überschreitung von Fr. 4'161.85 gegenüber dem Kreditbeschluss von Fr. 900’000.00 wurde zur Kenntnis genommen.


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
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Erstellt: 15.06.2024
Geändert: 17.06.2024
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