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Christine Hofer: "Ich bin keine typische Politikerin"
Seit acht Jahren ist Christine Hofer (EVP) im Gemeinderat Grosshöchstetten aktiv, seit vier Jahren als Gemeindepräsidentin. BERN-OST hat sie im Interview erzählt, welche Themen in der Gemeinde derzeit brennen, welche Zukunftsvisionen sie für Grosshöchstetten hat und dass sie nicht mehr fürs Gemeindepräsidium kandidieren wird.
BERN-OST: Frau Hofer, wenn Sie zaubern könnten: Was würden Sie an Grosshöchstetten verändern?
Christine Hofer: Das ist eine gute Frage. Wenn ich zaubern könnte, würde ich alle Gemeindeliegenschaften in einen nachhaltig sanierten Zustand mit erneuerbarer Energieversorgung verwandeln. So wie es zukunftsgerichtet sein sollte.
Warum ist Ihnen das wichtig?
Weil es einen Teil zum Klima beiträgt. Ich denke, wir können viel sparen, wenn wir zum Beispiel nicht so heizen, dass wir ganz Grosshöchstetten beheizen und Ananas und Bananen wachsen. Sondern so, dass es so viel Energie braucht, wie’s braucht, und nicht mehr. Das ist mir sehr wichtig. Wir haben unser eigenes Einfamilienhaus mit Photovoltaik, Thermik und Regenwasseranlage saniert. Als Gemeinde sind wir gefordert, auch unseren Teil beizutragen.
Welche grossen Themen bewegen derzeit die Gemeindebehörden und die Bevölkerung in Grosshöchstetten?
Die Liegenschafts- und Schulraumplanung mit der Sanierung der Turnhallen und die Zwischennutzung der Schulliegenschaft Schlosswil. Auch die Finanzen: Die Steueranlage muss so sein, dass sie tragbar ist für die Bevölkerung, aber doch den entsprechenden Spielraum bietet, damit sich die Gemeinde entwickeln kann. Wir können nicht mehr gross wachsen, aber uns entwickeln.
Sie sprachen die Schule Schlosswil an: Was bedeutet der Knatsch um die Schule für den Zusammenhalt oder das Zusammenwachsen der beiden fusionierten Gemeinden? Gelingt dies generell?
Das Zusammenwachsen kann gelingen, wenn beide Seiten von sich wegschauen und auf die anderen zugehen können. Wenn man sich lösen kann von Sachen, die in den letzten 50 Jahren immer so waren und jetzt anders werden und darin auch Chancen sehen kann. Auch wenn es uns gelingt, zu sehen, was das Positive ist am anderen Teil. In Grosshöchstetten sprechen wir vom Schloss, das nun auch zu unserer Gemeinde gehört und Schlosswil kann jetzt von der tieferen Steueranlage und vom Entsorgungshof profitieren. Oder von einem grösseren Angebot der Sportvereine, die auch zu dieser Gemeinde gehören. Auch die Mostete ist ein Fest, das in die Gemeinde Grosshöchstetten gehört, aber klar in Schlosswil ist. Wenn wir realisieren und wahrnehmen, was wir dank den Schlosswiler:innen oder Grosshöchstetter:innen nun haben, kann das Zusammenwachsen gelingen. Aber es ist ein Kraftakt, was wir hier machen und braucht Energie.
Blicken wir in die Zukunft. Wie sieht es in Grosshöchstetten in zehn, zwanzig Jahren aus?
Dann hat Grosshöchstetten immer noch einen ländlichen Charakter und immer noch grüne Flecken auf dem Gemeindegebiet, es hat ganz viele Bäume, Bänkli, um sich zu treffen. Es ist nach wie vor eine gesunde Gemeinde, in der man aufeinander zugeht, miteinander Feste feiert, miteinander etwas vom Zaun reissen kann. Dort wo Läden schlossen, gibt es neue Begegnungsplätze oder neue Formen von Geschäften und Firmen, die sich hier ansiedeln und Grosshöchstetten als ländliche Gemeinde schätzen. Ich träume von einer Markthalle, in der verschiedene Läden in einem sind. Die Leute gehen in einen Laden, aber gleichzeitig in die Metzgerei, den Blumenladen und so weiter.
Wie geht es weiter mit dem Restaurant- und Lädelisterben in 10 bis 20 Jahren?
Man sieht es aktuell: Der Sternen und der Löwen gingen kürzlich zu und nun wieder auf. Das verändert sich. Es geht auch um das Verhalten der Leute. Wenn die Leute es schätzen, dass sie in der Bäckerei einkaufen können, dann wird sie überleben. Als Gemeinde haben wir einen bedingten Einfluss darauf. Wir können nicht Vergünstigungen für Strom und Wasser machen. Sie haben dieselben Bedingungen wie andere auch. Was wir als Gemeinde und Gemeinderat machen können, ist, positive Signale auszusenden, dass es gut ist hier zu leben und zu arbeiten, zeigen was Grosshöchstetten bietet, so dass man denkt: Hier will ich einen Laden aufmachen oder etwas kaufen gehen.
Welche Kritik und welches Lob bekommen Sie als Gemeindepräsidentin am meisten zu hören und was sagen Sie dazu?
Kritik habe ich natürlich wegen der Standortschliessung viel eingesteckt. Dass wir Sätze aus dem Leitbild zu wenig gut beachten. Ich kann die Kritik nachvollziehen. Es ist aber auch unsere Aufgabe, dass wir das Ganze im Blick haben müssen. Bei der Schulthematik mussten wir schauen, was der Schulorganisation und den Schüler:innen am meisten dient. Der finanzielle Aspekt war untergeordnet. Wir schliessen den Standort nicht, weil wir sparen müssen oder wollen. Auch bei anderen Themen ist es so: Wir können nicht nur das Einzelne anschauen, sondern müssen immer das Ganze sehen. Welche Auswirkungen hat es im Baulichen, Finanziellen und so weiter?
Und welches Lob bekommen Sie?
Beim Lob höre ich viel, dass ich mich sehr einsetze für das Wohl der Gemeinde. Das höre ich gerne. Das ist Arbeit, die man nicht gut in Stunden erfassen kann. Ich mache keine Zeiterfassung, deshalb kann ich nicht sagen, wieviel ich arbeite. Oder ich höre auch viel: "Das ist gut recherchiert, es wurde an alles gedacht." Das gebe ich gerne weiter an den Gemeinderat und die Verwaltung, die mitgedacht haben. Ich bin ja nur der Kopf dieses Gremiums. Dieses trifft immer einen Mehrheitsentscheid, hinter dem ich auch nicht immer mit Herzensblut stehe, aber ihn mittrage. Das Lob schliesst den ganzen Gemeinderat mit ein.
Wo geben Sie sich selbst in Ihrem Amt gute und wo schlechte Noten?
Ich gebe mir gute Noten im Engagement, das ich für diese Gemeinde zeige und für meine Dossiersicherheit. Und ich habe das Gefühl, dass ich zuverlässig, ehrlich, konfliktfähig, lösungsorientiert und teamfähig bin. Für diese Werte gebe ich mir sehr gute Noten. Wo ich mir nicht so gute Noten gebe ist darin, dass ich ungeduldig bin. Es geht mir manchmal zu wenig schnell und wenn der Weg so lange ist, bis man ans Ziel kommt, werde ich zappelig. Und Politik ist meistens langfädig. Darum bin ich keine typische Politikerin.
Sie sind seit 2018 Gemeindepräsidentin. Hatten Sie vor Amtsantritt Visionen, die Sie im Amt begraben mussten?
Nein, gar nicht. Bevor ich antrat, war ich im festen Glauben, dass ich nochmals eine Legislatur als Gemeinderätin und Ressortleitern Bildung mache, weil ich gerade richtig gut drin war. Dann kam das Gemeindepräsidium, das ich nicht gesucht hatte. Ich habe mich dann darauf eingestellt, dass ich nochmals vier Jahre in einem politischen Amt arbeite und wusste, dass ich einfach noch etwas weniger Zeit haben werde. Aber Visionen oder Wünsche habe ich keine begraben.
Sie sind Mitglied der Evangelischen Volkspartei (EVP). Welche Rolle spielt Ihr Glaube in Ihrer Politik? Welche christlichen Werte wollen Sie einbringen?
Der Glaube spielt für mich eine grosse Rolle, allgemein, in meinem privaten Leben, aber auch als Gemeindepräsidentin. Was ich leben möchte ist, dass ich ehrlich und geradlinig sein möchte. Was ich sage, mache ich auch. Der Glaube ist meine Basis, mein Boden unter den Füssen. Bei allem was ich mache oder nicht mache, ob man damit einverstanden ist nicht – es ist einer da, der mein grösster Fan ist und mich liebhat, egal was ich mache.
Sind sie aktives Mitglied einer christlichen Gemeinde? Wenn ja, welcher?
Ja, ich bin aktives Mitglied der Freikirche "Pfimi" in Grünenmatt. Wir wohnten früher in der Nähe und wollten wegen unseren Freunden nicht wechseln.
Sie wurden letztes Jahr für eine weitere Amtsperiode wiedergewählt. Welche Pläne haben Sie danach? Kandidieren Sie wieder?
Ich werde nicht mehr kandidieren, weil ich Pläne habe, zusammen mit meinem Mann eine SAC-Hütte in den Bergen zu bewarten. Ich bin jetzt daran, einen Hüttenwartkurs zu machen. Es ist eine grosse Leidenschaft, die mein Mann und ich gemeinsam haben: In den Bergen unterwegs zu sein, Leute zu bewirten, Leuten zu begegnen, die gerne in der Natur und den Bergen sind, und auch das Einfache schätzen. Es ist also nicht so, dass mir mein Amt verleidet wäre. Ich bin immer noch sehr motiviert. Sondern, dass ich einen Traum verwirklichen möchte. Damit, dass ich meine Pläne jetzt schon kundtue, ermögliche ich hoffentlich eine gute Nachfolgeregelung und gebe meinen Ratskolleg:innen die Chance, sich entsprechend mit ihren Parteien für die Kandidatur des Präsidiums zu besprechen und bereit zu machen. Die Kandidat:innen stehen ja nicht Schlange. Die Übernahme des Gemeindepräsidium muss man sich gut überlegen und allenfalls beruflich etwas anpassen, weil es zeitaufwändig ist und man viel verfügbar sein muss.
[i] Christine Hofer hat Jahrgang 1970, ist verheiratet und Mutter dreier erwachsener Kinder. Sie wurde 2014 in den Gemeinderat Grosshöchstetten und 2018 wurde sie ins Gemeindepräsidium gewählt. Letztes Jahr wurde sie für eine weitere Amtsperiode bis 2025 bestätigt.
Erstellt:
16.06.2022
Geändert: 16.06.2022
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