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Chüngelizüchter Erich Zingg: «Meine Frau ist die Stallmeisterin»
Erich und Heidi Zingg leben in einem Einfamilienhaus mit prächtiger Alpensicht in Oberdiessbach. Obwohl auch zwei Katzen da wohnen, spielen klar die Kaninchen die Hauptrolle. Vor kurzem gab es für den 81-jährigen Züchter die ersten Schweizermeistertitel.
Wer bei Erich und Heidi Zingg zur Haustüre hereinkommt, sieht sofort, wer hier die Hauptrolle spielt: Schon im Entrée hängen Urkunden von gewonnenen Kaninchenschauen. Das Stübli schliesslich ist hochoffiziell das Züchterstübli. Unzählige Pokale, Medaillen, Holztafeln und weitere Preise zeugen hier davon, dass Erich Zinggs Zucht zu den richtig guten gehört.
Loh schwarz und Deilenaar – so heissen die Kaninchen-Rassen, die Erich Zingg züchtet. Vor allem mit den Loh schwarz feierte er grosse Erfolge: drei Mal wurde er Europameister, davon zwei Mal mit Einzeltieren und einmal mit einer „Kollektion“, das ist eine Gruppe von vier Kaninchen.
Fürs Taschengeld
Angefangen mit der Zucht hatte Zingg aus ganz praktischen Gründen. Der Bauernbub aus Diessbach bei Büren verdiente sich mit dem Verkauf der Kaninchen etwas Taschengeld. Ein Kollege aus Lengnau, Gribi Walter, schenkte ihm die ersten Rasse-Kaninchen, Loh schwarz. „So fing man an“, erzählt Zingg. Er trat einem Chüngelverein im Seeland bei. „Ich hatte immer wahnsinnig gern Tiere“, sagt er. Den Bauernhof der Eltern konnte er nicht übernehmen. Zu klein und unrentabel, fand der Vater. So lernte Erich Zingg Schreiner und widmete seine Freizeit den Kaninchen.
Zu den Loh schwarz kamen bald die Deilenaar dazu. Zuerst allein, später zusammen mit seiner Frau, reiste er nicht nur quer durch die Schweiz, sondern auch nach Österreich, in die Tschechei, nach Luxemburg, Dänemark und Holland an Kaninchenschauen. Zwölf Europaschauen besuchte er mit seinen Kaninchen.
"Man kann nicht einfach den Schlüssel drehen"
Ferien seien schwierig mit den Tieren, erklärt er. „Man kann nicht einfach den Schlüssel drehen und gehen.“ Und um einfach irgendjemanden um Hilfe zu bitten, geben sie zu viel zu tun. „Man muss auch chli wissen, wie.“ Dafür hätten er und seine Frau die Schauen immer dazu genutzt, sich auch noch die fremde Stadt anzusehen. Später hatten Zinggs Hilfe aus der Nachbarschaft, heute gibt es einen Klubkollegen, Simon Krähenbühl, der die beiden unterstützt.
Er taucht auch beim Interview-Termin noch kurz auf und assistiert beim Fotografieren. Die Kaninchen müssen richtig hocken, dann sollte auch ihr Züchter gut auf dem Bild sein – es ist eine Wissenschaft. Supersüss sind die jüngsten Loh schwarz, die pünktlich zum Fototermin zur Welt gekommen sind. Eine Woche alt sind sie, die Augen noch geschlossen, ein kleines, in Heu und Haaren vergrabenes Knäuel von fünf Kaninchenbabies.
Mit 81 Jahren Schweizermeister
Der Vater, Rammler nennt man die Männchen, einen Namen hat er nicht, verhalf Zingg zum ersten Schweizermeistertitel seines Lebens. Die Schweizermeisterschaften finden nur alle drei Jahre statt. Bis jetzt habe er nie im richtigen Moment das perfekte Tier gehabt. Mehrmals wurde er Zweiter. Nun, mit 81 Jahren, hat es noch geklappt.
Früher sei er jedes Jahr an sieben, acht Schauen gegangen, erzählt erich Zingg. Heute seien es noch vier oder fünf. An diesem Wochenende im Februar, wo er besagten Titel gewann, war allerdings der Bär los in Zinggs Züchterleben. Zeitgleich mit der Schweizermeisterschaft der Loh schwarz fanden die emmentalische Stämmeschau und auch die Schweizermeisterschaft der Deilenhaar statt – die er auch gleich gewann. Weil er sich nicht zweiteilen konnte, holten die Organisator:innen der Deilenhaar-meisterschaft Zinggs Tiere ab, brachten sie ins Wallis und dann wieder zurück. „Ich sagte ihnen, dass sie sonst zuhause bleiben, und das wollten sie nicht“, lacht Zingg.
"Da muss ich sie rühmen"
Er müsse langsam abbauen, das sage ihm auch seine Frau, erzählt Zingg. „Wenn ihm etwas passiert, hängt alles an mir“, sagt Heidi Zingg dazu. Sie habe sich aber durchaus auch mitbegeistert für die Kaninchenzucht ihres Mannes und Freude bekommen an den Tieren. Sie sei die „Stallmeisterin“, sagt Erich Zingg. Bringe den Tieren am Abend Heu und Wasser und putze die Wasserschälchen. „Da muss ich sie rühmen.“
80 Ballen Heu müssen die beiden jedes Jahr anschleppen für die Tiere. Statt Rasen wächst im Garten Gras, aus dem sie heuen. „Aber das reicht nirgends hin.“ Weiter bekommen die Kaninchen Zuchtwürfel und ab und zu ein Stück Apfel oder Rüebli und die Mütter zum Dessert eine Handvoll Löwenzahn. „Das ist gut für die Milch“, weiss Zingg. Um Bewegung zu bekommen, können sie im Sommer regelmässig in einem kleinen Auslauf herumhoppeln. Aktuell sind es acht Rammler, zehn Zibben und dreissig Junge.
"Ältere Leute wissen noch, wie man Chüngel kocht"
Chüngel, die nicht zur Zucht geeignet sind, landen im Kochtopf. „Je älter ich werde, umso schwieriger ist das für mich“, sagt Zingg. Das Fleisch sei besonders bei älteren Leuten beliebt. „Die wissen noch, wie man Chüngel kocht.“ Ausserdem sei Chüngelfleisch gesund. Traurig sei es trotzdem. „Aber wir schauen ihnen wirklich gut und sie haben es in ihrem kurzen Leben schön.“
Hinweis: Der Oberdiessbacher Chüngelzüchter heisst Erich Zingg und nicht Ernst Zingg. In einer ersten Version des Artikels gab es da ein Durcheinander. Danke für den Hinweis!
[i] Dieser Artikel erschien zuerst im Newsletter der Gemeinde Oberdiessbach.
Erstellt:
09.04.2023
Geändert: 10.04.2023
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