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Das Schloss Oberdiessbach und die Familie von Wattenwyl eine lange Geschichte
Sie wohnen wie Dornröschen in einem Schloss. Sigmund und Martine von Wattenwyl leben mit ihren vier Kindern im Alten Schloss Oberdiessbach. Der Alltag ist abwechslungsreich, aber nicht märchenhaft.
Das Alte Schloss Oberdiessbach sieht auf den ersten Blick wie ein unwichtiges Nebengebäude aus. Bestaunt wird immer das jüngere der beiden Schlösser, vor allem wegen dessen riesiger Gartenanlage.
Im Alten Schloss wohnen Martine und Sigmund von Wattenwyl mit ihren vier Kindern. Einzig der aus Sandsteinblöcken gemauerte Turm lässt erahnen, dass es sich bei diesem Gebäude um ein Schloss handelt. Tätsächlich wohnten im Alten Schloss früher Bedienstete. «Viele meinen, wir hätten noch heute Personal», sagt die Familienfrau.
Warum leben Martine und Sigmund nicht im Neuen Schloss? «Für eine Familie ist das Neue fast nicht bewohnbar», sagt Martine von Wattenwyl. Ihr Mann fügt an: «Man merkt gut, das der Erbauer des Neuen Schlosses keine Kinder hatte. Das Gebäude wurde nur zu Repräsentationszwecken genutzt.» Einzig die Eltern von Sigmund von Wattenwyl wohnen in einem Teil des Neuen Schlosses, das erst seit gut 100 Jahren auch im Winter bewohnt wird. Dass sie später dort leben werden, können sich die Schlossbesitzer nicht vorstellen.
Putzen, putzen, putzen
Die zwölf Zimmer und vier Toiletten umfassende Wohnung im Alten Schloss bringt auch Nachteile mit sich. «Putzen, putzen, putzen», meint Martine von Wattenwyl. Die alten Parkettböden, die Kassettendecken und die antiken Möbel bedürfen aufwändiger Pflege. Die ganze Einrichtung ist antik: Vom Fauteuil über die Kaffeekanne bis zum Silberbesteck. «Bei unseren gleichaltrigen Kollegen sehen wir viel Metall, viel Glas; dazu die Farben Schwarz und Weiss. Das passt hier nicht», sagt der Schlossherr. «Die meisten Möbel sind schon immer hier gestanden. Wir haben noch den Kaufbeleg für den Schreibtisch meines Ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-urgrossvaters. Eine so komplette Ausstattung in einem Schloss ist sehr selten.»
Was bedeutet es den von Wattenwyls ein solches Schloss zu besitzen? «Viel Ehre, viel Freude und viel Chrampf», fasst der Meisterlandwirt zusammen. «So ein Schloss ist sicher eine tolle, ja einmalige Sache. Wir lernen viele interessante Leute kennen. Andererseits ist der Unterhalt der Gebäude nicht billig.» Die fixen jährlichen Unterhaltskosten belaufen sich auf 150000 Franken. Alle zwei, drei Jahre kommen Sonderprojekte dazu, etwa eine Dachsanierung für 200000 Franken.
Zum Schloss Oberdiessbach gehören neben dem Alten und Neuen Schloss einige weitere Gebäude. Darunter ein altes Kornhaus und Ökonomiegebäude für den Landwirtschaftsbetrieb. Er umfasst 76 Hektaren Land und 50 Hektaren Wald.
Clevere Heiratspolitik
Der Zufall wollte es, dass der heute 44-Jährige in den Besitz des Schlosses kam. Denn hätte er das Licht der Welt nicht als von Wattenwyl erblickt, wäre das Schloss ein märchenhafter Traum geblieben. Sigmund von Wattenwyl gehört der elften Generation an, die das Schloss bewohnt. «Eigentlich ist es seit 18 Generationen in unserer Familie», erklärt er. Dazu geführt hat clevere Heiratspolitik: Seit Mitte des 16. Jahrhunderts (1546) residierten die Herren von Diesbach im Alten Schloss. Der Historiker Peter Vogel schreibt: «Durch Magdalena (geborene von Wattenwyl), die Witwe des letzten Besitzers aus der Familie Diesbach, kamen Besitz und Herrschaft 1647 an ihren Schwiegersohn, Sigmund von Wattenwyl (Namensvetter des heutigen Besitzers). Dieser verkaufte die Herrschaft ein Jahr später an seinen Bruder Albrecht von Wattenwyl, der schliesslich das Neue Schloss baute.»
Männer spielen in der Geschichte des Schlosses meist die wichtigere Rolle, als ihre Frauen. Dies zeigt sich daran, dass im Alten wie im Neuen Schloss wesentlich mehr Gemälde von männlichen Vorfahren als von Schloss-Frauen zu sehen sind. «Von überall blicken Vorfahren auf mich herunter», meint der Schlossherr.
Dass der jetzige Schlossherr auf den Name Sigmund hört ist kein Zufall. Sein Grossvater Eduard wünschte, dass sein Enkel auf den Namen Albrecht getauft werde. Dies missfiel Vater Charles von Wattenwyl, worauf sie sich auf den Namen des zweiten Schlossherrn «Sigmund» einigten.
«Die alte Zeit ist interessant. Aber, sie ist vorbei», meint Sigmund von Wattenwyl. «Würden die alten Regeln noch heute gelten, so hätte ich nie eine Frau aus der Waadt heiraten können.» Martine von Wattenwyl ihren Mann kennenlernte, wusste sie nichts vom Schloss. Sie war angenehm überrascht: «Die Architektur des Schlosses sagte mir von Anfang an zu und gefällt mir noch heute.»
Der grosse Bezug zum Grossvater
Sigmund von Wattewyl ist mit dem Bruder Bernard und der Schwester Catherine aufgewachsen. «Dass Sigmund das Schloss und den Landwirtschaftsbetrieb übernimmt, war eigentlich klar», sagt seine Schwester Catherine. «Er interessierte sich schon als Kind für die Geschichte und half viel in der Landwirtschaft mit. Zudem hatte er einen sehr grossen Bezug zu unserem Grossvater.»
Obwohl die von Wattenwyls noch jung sind die meisten Schlossbesitzer sind über 70 Jahre alt wird sich die Frage der Zukunft stellen. Ihre Kinder David, Julien, Vivienne, Vincent gehen noch zur Schule. Sie hoffen, dass das Schloss weiterhin in der Familie bleibt. «Eines ist sicher», sagt die vierfache Mutter. «Die künftige Schwiegertochter muss das Schloss gern haben. Die Verpflichtungen sind sonst zu gross.» Man müsse unbedingt Herzblut ins Schloss stecken. Ihr Mann fügt an: «Denn, das Schloss besitzt uns nicht wir das Schloss!»
Informationen: www.schloss-oberdiessbach.ch
http://www.bern-ost.ch/images/neues-schloss-oberdiessbach.jpg" width="300" height="180">
Das grosse Neue Schloss, rechts daneben das Alte, das um 1550 von den Herren zu Diesbach erbaut wurde. (Bild: zue)
www.wochen-zeitung.ch
www.oberdiessbach.ch
Im Alten Schloss wohnen Martine und Sigmund von Wattenwyl mit ihren vier Kindern. Einzig der aus Sandsteinblöcken gemauerte Turm lässt erahnen, dass es sich bei diesem Gebäude um ein Schloss handelt. Tätsächlich wohnten im Alten Schloss früher Bedienstete. «Viele meinen, wir hätten noch heute Personal», sagt die Familienfrau.
Warum leben Martine und Sigmund nicht im Neuen Schloss? «Für eine Familie ist das Neue fast nicht bewohnbar», sagt Martine von Wattenwyl. Ihr Mann fügt an: «Man merkt gut, das der Erbauer des Neuen Schlosses keine Kinder hatte. Das Gebäude wurde nur zu Repräsentationszwecken genutzt.» Einzig die Eltern von Sigmund von Wattenwyl wohnen in einem Teil des Neuen Schlosses, das erst seit gut 100 Jahren auch im Winter bewohnt wird. Dass sie später dort leben werden, können sich die Schlossbesitzer nicht vorstellen.
Putzen, putzen, putzen
Die zwölf Zimmer und vier Toiletten umfassende Wohnung im Alten Schloss bringt auch Nachteile mit sich. «Putzen, putzen, putzen», meint Martine von Wattenwyl. Die alten Parkettböden, die Kassettendecken und die antiken Möbel bedürfen aufwändiger Pflege. Die ganze Einrichtung ist antik: Vom Fauteuil über die Kaffeekanne bis zum Silberbesteck. «Bei unseren gleichaltrigen Kollegen sehen wir viel Metall, viel Glas; dazu die Farben Schwarz und Weiss. Das passt hier nicht», sagt der Schlossherr. «Die meisten Möbel sind schon immer hier gestanden. Wir haben noch den Kaufbeleg für den Schreibtisch meines Ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-urgrossvaters. Eine so komplette Ausstattung in einem Schloss ist sehr selten.»
Was bedeutet es den von Wattenwyls ein solches Schloss zu besitzen? «Viel Ehre, viel Freude und viel Chrampf», fasst der Meisterlandwirt zusammen. «So ein Schloss ist sicher eine tolle, ja einmalige Sache. Wir lernen viele interessante Leute kennen. Andererseits ist der Unterhalt der Gebäude nicht billig.» Die fixen jährlichen Unterhaltskosten belaufen sich auf 150000 Franken. Alle zwei, drei Jahre kommen Sonderprojekte dazu, etwa eine Dachsanierung für 200000 Franken.
Zum Schloss Oberdiessbach gehören neben dem Alten und Neuen Schloss einige weitere Gebäude. Darunter ein altes Kornhaus und Ökonomiegebäude für den Landwirtschaftsbetrieb. Er umfasst 76 Hektaren Land und 50 Hektaren Wald.
Clevere Heiratspolitik
Der Zufall wollte es, dass der heute 44-Jährige in den Besitz des Schlosses kam. Denn hätte er das Licht der Welt nicht als von Wattenwyl erblickt, wäre das Schloss ein märchenhafter Traum geblieben. Sigmund von Wattenwyl gehört der elften Generation an, die das Schloss bewohnt. «Eigentlich ist es seit 18 Generationen in unserer Familie», erklärt er. Dazu geführt hat clevere Heiratspolitik: Seit Mitte des 16. Jahrhunderts (1546) residierten die Herren von Diesbach im Alten Schloss. Der Historiker Peter Vogel schreibt: «Durch Magdalena (geborene von Wattenwyl), die Witwe des letzten Besitzers aus der Familie Diesbach, kamen Besitz und Herrschaft 1647 an ihren Schwiegersohn, Sigmund von Wattenwyl (Namensvetter des heutigen Besitzers). Dieser verkaufte die Herrschaft ein Jahr später an seinen Bruder Albrecht von Wattenwyl, der schliesslich das Neue Schloss baute.»
Männer spielen in der Geschichte des Schlosses meist die wichtigere Rolle, als ihre Frauen. Dies zeigt sich daran, dass im Alten wie im Neuen Schloss wesentlich mehr Gemälde von männlichen Vorfahren als von Schloss-Frauen zu sehen sind. «Von überall blicken Vorfahren auf mich herunter», meint der Schlossherr.
Dass der jetzige Schlossherr auf den Name Sigmund hört ist kein Zufall. Sein Grossvater Eduard wünschte, dass sein Enkel auf den Namen Albrecht getauft werde. Dies missfiel Vater Charles von Wattenwyl, worauf sie sich auf den Namen des zweiten Schlossherrn «Sigmund» einigten.
«Die alte Zeit ist interessant. Aber, sie ist vorbei», meint Sigmund von Wattenwyl. «Würden die alten Regeln noch heute gelten, so hätte ich nie eine Frau aus der Waadt heiraten können.» Martine von Wattenwyl ihren Mann kennenlernte, wusste sie nichts vom Schloss. Sie war angenehm überrascht: «Die Architektur des Schlosses sagte mir von Anfang an zu und gefällt mir noch heute.»
Der grosse Bezug zum Grossvater
Sigmund von Wattewyl ist mit dem Bruder Bernard und der Schwester Catherine aufgewachsen. «Dass Sigmund das Schloss und den Landwirtschaftsbetrieb übernimmt, war eigentlich klar», sagt seine Schwester Catherine. «Er interessierte sich schon als Kind für die Geschichte und half viel in der Landwirtschaft mit. Zudem hatte er einen sehr grossen Bezug zu unserem Grossvater.»
Obwohl die von Wattenwyls noch jung sind die meisten Schlossbesitzer sind über 70 Jahre alt wird sich die Frage der Zukunft stellen. Ihre Kinder David, Julien, Vivienne, Vincent gehen noch zur Schule. Sie hoffen, dass das Schloss weiterhin in der Familie bleibt. «Eines ist sicher», sagt die vierfache Mutter. «Die künftige Schwiegertochter muss das Schloss gern haben. Die Verpflichtungen sind sonst zu gross.» Man müsse unbedingt Herzblut ins Schloss stecken. Ihr Mann fügt an: «Denn, das Schloss besitzt uns nicht wir das Schloss!»
Informationen: www.schloss-oberdiessbach.ch
Das grosse Neue Schloss, rechts daneben das Alte, das um 1550 von den Herren zu Diesbach erbaut wurde. (Bild: zue)
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www.oberdiessbach.ch
Autor:in
Bruno Zürcher, Wochen-Zeitung
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Erstellt:
25.07.2004
Geändert: 16.09.2004
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