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Energie Grosshöchstetten AG: Offene Tür – und offene Frage
Mitte November kann die Heizungszentrale unter dem Neuhuspark besichtigt werden. Bis dahin wird sie bereits in Betrieb sein. Aber die Abstimmung über einen dringend nötigen Kredit findet erst gegen Ende November statt. Da stellt sich die Frage: Wie geht das? Magnus Furrer, Verwaltungsratspräsident der Energie Grosshöchstetten AG, erklärt.
In diesen Tagen wird der grosse Heizkessel im Untergrund des Neuhusparks erstmals eingefeuert. Das bedeutet, die neue Heizzentrale der Energie Grosshöchstetten (ENGH) AG wird offiziell in Betrieb genommen. Und zwar, «damit die Gebäude auf dem Areal Neuhuspark wie vorgesehen in diesem Jahr mit Warmwasser- und Wärmeenergie versorgt werden können». So schreibt die ENGH in ihrer Einladung zum Tag der offenen Tür.
Offizielle Präsentation…
An diesem Tag der offenen Tür Mitte November können Interessierte neben den grossen neuen Kaminen in den Untergrund hinabsteigen: Dort ist in den letzten Monaten eifrig gearbeitet worden, jetzt werden das Schnitzelsilo, der Heizkessel und die vielen imposanten Leitungsrohre – sozusagen das Herzstück des Wärmeverbunds – offiziell präsentiert.
…und erst dann die Abstimmung
Und am 24. November stimmt dann die Bevölkerung über einen Kredit dafür ab. «Energie Grosshöchstetten AG – Gewährung nachrangiges Darlehen und Finanzierungsrahmen für Darlehen und Bürgschaften», heisst das Geschäft. Dabei geht es um vier Millionen benötigte Franken.
Wie geht das denn?
Angesichts dieses Ablaufs drängt sich die Frage auf: Ist da nicht etwas verkehrt? Üblicherweise organisiert man zuerst die nötigen Gelder und baut erst, wenn die Finanzierung geklärt ist. Magnus Furrer, Verwaltungsratspräsident der ENGH, nickt. «In einer idealen Welt hätte sich alles schön der Reihe nach entwickelt», bestätigt er.
«Schnell und unkonventionell handeln»
Im Fall des Wärmeverbunds sei das nicht möglich gewesen: «Zögerliches Verhalten des alten Verwaltungsrats, der Wille des Gmeinderates, weg vom Erdöl und hin zu nachhaltiger Energie zu kommen», zählt er auf, «und vor allem die Vorgabe, dass der Neuhuspark im Herbst 2024 an den Wärmeverbund anschliessen muss, weil sonst das ganze Projekt nicht umgesetzt werden kann.» All das habe den neuen Verwaltungsrat gezwungen, schnell und unkonventionell zu handeln.
Geld auch für das Stromnetz
Allerdings, betont Furrer, sei der Vier-Millionen-Kredit, über den abgestimmt wird, nicht allein für den Wärmeverbund notwendig: «Auch das marode Stromnetz muss saniert und an neue Anforderungen beispielsweise punkto Solarenergie angepasst werden.» In der Abstimmungsbotschaft heisst es dazu: «Die von der Gemeinde ersuchten liquiden Mittel können daher auch in den Geschäftsbereich Strom fliessen.»
Komplexes Zusammenspiel Gemeinde – ENGH…
Tatsächlich zeigte sich aber schon bei der Informationsveranstaltung Mitte Mai: Es ist nicht einfach zu verstehen, wie die Gemeinde als Besitzerin der ENGH und die ENGH, als Energielieferantin zuständig für Wärme- und Stromversorgung der Gemeinde, genau zusammenspielen.
…und verwirrliche Aufgabenteilung
Auch Magnus Furrers Doppelrolle als Verwaltungsratspräsident der ENGH und als für Liegenschaften zuständiger Gemeinderat sorgt offenbar immer wieder für Verwirrung: «Welche Interessen vertreten Sie denn jetzt genau?», hört er immer wieder. Andere fragten an der Informationsveranstaltung geradeaus: «Wird da etwas gemischelt?»
«Vor- und Nachteil zugleich»
Auf solche Anwürfe reagiert Furrer ruhig. «Mir ist bewusst, dass meine Doppelrolle Vor- und Nachteil zugleich ist», erklärt er. Zwar wecke sie bei einigen Unmut, «aber dafür bin ich von allen Seiten sattelfest im Thema». Bei Geschäften rund um die ENGH, wie jetzt bei der Abstimmung, müsse er jedoch wie alle anderen Vertretungen des Gemeinderats in den Ausstand treten.
Lange Broschüre – als Verwirrungstaktik?
Daher kann er auch nicht auf die Frage antworten, ob den Stimmberechtigten eine achtseitige, klein bedruckte Abstimmungsbotschaft wirklich helfen soll, diese komplexen Zusammenhänge besser zu verstehen? Hier springt Caroline Devaux ein, sie ist als Gemeinderätin zuständig für das Ressort Finanzen. «Zugegeben, der Botschaftstext ist lang», räumt sie ein. Ziel sei es, «unsere Schritte offenzulegen, damit alle die Zusammenhänge nachvollziehen können».
Finanzmittel für die eigene AG
Das klingt so weit plausibel. Aber für Laien mutet es tatsächlich seltsam an, dass ein Wärmeverbund, kaum in Betrieb genommen, bereits einen Nachkredit benötigt. Verwaltungsratspräsident Furrer verweist auf das bereits erwähnte zögerliche Verhalten des damaligen Verwaltungsrates und bleibt dabei: Der Entscheid des Gemeinderates sei das Beste für die gemeindeeigenen Liegenschaften. «Grundsätzlich ist es ein übliches Vorgehen, dass die Eigentümerin für Finanzmittel sorgt, um ihre eigene Aktiengesellschaft betriebsfähig zu halten.»
Wünschenswert wäre anders
Ausserdem habe eine Gemeinde im Allgemeinen eine wesentlich höhere Kreditwürdigkeit als eine Aktiengesellschaft und erhalte erst noch viel bessere Konditionen. Selbstverständlich, ergänzt er dann, «wäre es wünschenswert gewesen, die finanziellen Mittel vor dem Bau der Heizzentrale zu sichern».
«Energie gibt es nie gratis»
Magnus Furrer hat in seinem Jahr als Verwaltungsratspräsident inzwischen wahrscheinlich alle Argumente der Gegner:innen einmal gehört. Er hält dann jeweils entgegen mit Argumenten wie: «Ein Verbund ist weit günstiger als Einzelsanierungen.» Und: «Energie gibt es nie gratis.» Und er betont unermüdlich: «Das Projekt Wärmeverbund basiert weder auf unverantwortlicher Spekulation noch ist es ein Risikogeschäft.»
«90 Prozent Fernwärme verkauft»
Das lässt sich einfach sagen. Aber tatsächlich, versichert er, habe der neu zusammengesetzte Verwaltungsrat sauber gerechnet: Nach nur einem Jahr seien mit dem Neuhuspark, den 17 Mehrfamilienhäusern im Talacker, für den 2025 die Leitungen verlegt werden, sowie den Gemeindeliegenschaften im Zentrum, «bereits rund 90 Prozent der Fernwärme vertraglich abgesichert».
«Energie-erfahrene Verwaltungsräte…
Vorwürfe wie beispielsweise, die Fernwärme sei ein finanzielles Vabanque-Spiel mit Gemeindegeldern, oder das Ganze sei total auf Sand gebaut, bringen ihn deshalb nicht aus der Ruhe: «Im Verwaltungsrat sitzen Mitglieder, die jahrelang Erfahrung im Energiegeschäft gesammelt haben, unter anderem bei der BKW», sagt er, und doppelt nach: «Auf Sand gebaut ist der Wärmeverbund nicht, das ist solider Beton!»
…und aussergewöhnliche Auslastung»
Ihm ist deshalb wichtig, die Grosshöchstetter:innen zu beruhigen. «Eine solch hohe Auslastung bereits nach zwei Jahren nach Inbetriebnahme des ersten Heizkessels ist aussergewöhnlich», versichert er.
Was passiert bei einem Nein?
Was aber, wenn das Stimmvolk sich von seinen Argumenten nicht überzeugen lässt und den Kredit bachab schickt? «Einfach zu schlucken wäre ein Nein nicht», das gibt Furrer unumwunden zu. Aber nicht nur für die ENGH, sondern für die ganze Gemeinde.
«Stromnetz saniert sich nicht von selbst»
«Für einen Wärmeverbund finden sich allenfalls andere Energieunternehmen, die sich daran beteiligen», erklärt er. Für die Sanierung des Stromnetzes hingegen sei letztlich wieder die Stimmbevölkerung gefordert: Sie müsse entscheiden, ob sie ein Darlehen, eine Kapitalerhöhung oder gar einen Verkauf des Stromnetzes in Betracht ziehe. Denn: «Das Stromnetz saniert sich nicht von selbst.»
«Dann haben wir ein Problem»
Ein Verkauf wiederum hätte grosse Konsequenzen: «Das bedeutet, dass die Gemeinde zum einen ihre Energieversorgung nicht mehr selbst bestimmen kann, und zum anderen, dass sie Gewinne aus dem Energiegeschäft teilen oder gar ganz abtreten müsste.» So gesehen, wiederholt er, gelte im Fall einer Ablehnung tatsächlich, was er bereits am Info-Anlass mitgeteilt habe: «Dann haben wir ein Problem.»
Und was passiert bei einem Ja?
Was aber hätte ein Ja für die Gemeinde zur Folge? Gemeinderätin Caroline Devaux erklärt: «Das Ja ist ein Zeichen für eine unabhängige Energiepolitik unserer Gemeinde.» Ob diese Argumente dem Grosshöchstettener Stimmvolk einleuchten oder nicht, wird sich am 24. November weisen.
[i] Energie Grosshöchstetten AG: Tag der offenen Tür
Erstellt:
05.11.2024
Geändert: 15.11.2024
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