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Frust nach Wegzug: «Das Gewerbe ist nicht mehr erwünscht»

Die Hallen der ehemaligen Verzinkerei Worb sind leer. 16 Jahre lang hatte André Dürig die Hallen gemietet und dort Felgen aufbereitet. Letzten Monat musste er mit seiner Firma umziehen. Firmeninhaber André Dürig kritisiert, wie es gelaufen ist. Er habe durch den Umzug seiner Firma rund eine Viertelmillion Franken verloren.

André Dürig (links) und Andreas Greber mussten ihre Hallen räumen. (Foto: Rolf Blaser)
Hinter dem Worber RBS-Bahnhof: Anstelle der Hallen sollen Wohnungen entstehen. (Foto: Rolf Blaser)
Dieses Areal soll bebaut werden. Unten rechts der RBS-Bahnhof, unten links der Kreisel Rüfenacht.(Grafik: Google Maps)

Die Bank EEK will auf dem Areal Wohnungen bauen. Dort, wo die letzten Kisten in einen Lieferwagen geladen werden, sollen 40 neue Wohnungen entstehen. Es geht um das Gewerbegebiet zwischen den RBS- und Bernmobil-Geleisen hinter dem Worber RBS-Bahnhof. Früher war dort die Verzinkerei Worb. Nach deren Wegzug siedelten sich neue Mieter in den Hallen an. André Dürig von der Felwag AG mietete für seine Firma zwei Hallen. «Noch 2020 hiess es vom damaligen Vermieter Richard Sägesser, dass wir langfristig hierbleiben können», sagt Dürig.

 

Fast halbe Million investiert

Wir gehen zurück ins Jahr 2020. Dürig entschied damals, eine Halle auszubauen. «Ich habe 400'000 Franken in eine neue Halle investiert. Wir haben auf die Aussagen von Herrn Sägesser vertraut, uns wurde stets versichert, dass wir hierbleiben können.» Er baute die Halle aus, liess Strom neu ziehen, eine Renovation hier, neue Maschinen da, der Umbau sei von der SUVA abgenommen worden.

 

«Das kann ich mir jetzt alles ans Bein streichen», so Dürig. Die Maschinen habe er an seinen neuen Standort gezügelt, aber was er in die Halle gesteckt habe, könne er nicht mitnehmen. «Das sind 200'000 bis 300'000 Franken, die ich abschreiben muss.»

 

Verschiedene Ansichten

Warum hatte er nicht zuerst verlangt, dass sein Mietvertrag verlängert wird? Dürig sagt: «Der Vermieter Richard Sägesser spielte nicht mit offenen Karten. Er war immer schwammig, es hiess, wir kriegten einen langfristigen Mietvertrag. Er sagte das öffentlich in der "Worber Post".» Dürig ging davon aus, dass er in den Hallen bleiben kann. Im Herbst 2021 erfuhr er, dass Sägesser die Hallen verkauft hatte. Die neue Besitzerin hiess Bank EEK, bald wurde verkündet, dass auf dem Areal neue Wohnungen geplant sind.

 

Das sagt Sägesser

Der bereits erwähnte Richard Sägesser sagt zu den Vorwürfen: «Das sind leere Behauptungen.» André Dürig von der Felwag habe schon 2014 gesagt, dass er einen neuen Standort suche. Richard Sägesser sagt, es sei immer klar gewesen: «Dass ich das Land verkaufen will, Dürig wusste das.» Der Verkauf sei abhängig gewesen vom Bau der Umfahrung Worb. «Als diese fertig war, habe ich mich um den Verkauf gekümmert.» Am 1. September 2021 habe er einen Käufer gefunden und verkauft.

 

Alles sei klar gewesen

Er habe den Mietern stets gesagt, dass er das Land, auf dem die Hallen stehen, verkaufen will, so Sägesser. «Wenn ich nicht hätte verkaufen wollen, hätte ich nicht befristete Verträge gemacht.» Der Verkauf ging dann schnell, die Käuferschaft habe die Mietverträge übernommen, danach seien die Kündigungen ausgesprochen worden.

 

Zum Vorwurf von André Dürig, dass er 400'000 Franken in die Halle investiert habe, sagt Richard Sägesser: «Das hat er im Wissen gemacht, dass er einen befristeten Mietvertrag hatte. Ich sagte ihnen immer, überlegt euch, was ihr macht. Vielleicht dachte er, dass nicht so schnell verkauft wird.» Das Land wurde verkauft, der Mieter war überrascht, dass er raus musste.

 

Er wäre gerne in Worb geblieben

«Ich verstehe nicht, dass man im Worbboden aufs Gewerbe setzt und daneben Wohnungen baut. Hier war immer Gewerbe, jetzt sollen Wohnungen gebaut werden», sagt Dürig. Die Suche nach einer neuen Halle war schwierig. Er wäre mit seiner Firma gerne in Worb geblieben, aber der Standort Worb SBB sei für ihn zu teuer. Auch sonst sei die Suche nach einer zahlbaren Halle mühsam gewesen. «In der Region Bern findet man unter 120 Franken pro Quadratmeter nichts.  Erst ab 180 Franken gibt es Hallen, aber das kann ich nicht bezahlen.»

 

André Dürig hat den Eindruck, dass das Kleingewerbe nicht mehr erwünscht sei. In der Stadt sei dies schon lange der Fall, jetzt scheinbar auch auf dem Land. «Überall werden Wohnungen gebaut. Es ist klar, dass das Interesse an Steuerzahlern mit guten Löhnen grösser ist, als an Büetzern, die 5000 bis 6000 Franken verdienen.»

 

Neue Halle gefunden

Dürig ist auf der Suche nach einer Halle schliesslich in Wangen an der Aare fündig geworden. Neu ist die Felwag AG jetzt dort, produziert aus alten Felgen neue. Von den 13 Angestellten, die er in Worb beschäftigte, machten nicht alle den Umzug mit. Lediglich vier kämen mit, die restlichen Stellen wird er mit Leuten aus der Umgebung von Wangen besetzen.

 

Der Frust bleibt

Im September 2021 hatte er die Kündigung für die Halle erhalten, bis März 2023 müsse er die Halle räumen. Nach diversen Verzögerungen ist der Umzug jetzt vollzogen, die Hallen sind leer. Zurück bleibt bei André Dürig ein schaler Nachgeschmack. «Mich stört die Art und Weise, wie kommuniziert wurde. Es hatte in den Hallen auch Künstler, die ein Atelier betrieben, auch die sind weg. Alle mussten Platz machen für Wohnungen.»

 

Nicht nur Felwag betroffen

Ähnlich erging es Andreas Greber von der Firma Greber & Sohn aus Ittigen. Er hatte für seine Baufirma seit Anfang 90er Jahre eine Lagerhalle gemietet. Auch er rechnete damit, dass er die Halle bis mindestens 2030 mieten kann. Auch Greber war überrascht von der Kündigung, in der Zwischenzeit konnte er in Belp eine Halle mieten.


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 12.07.2024
Geändert: 12.07.2024
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