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Gemeindepräsident René Bergmann: «Es ist wie der erste Schultag»

Seit dem 1. April ist René Bergmann (Mitte) Gemeindepräsident von Bolligen. Er führt im Dorf die Gärtnerei Blumen Bergmann und ist seit zehn Jahren im Gemeinderat. BERN-OST erzählt er, wie sein Start ins Amt war, warum er sich weiter um die Bolliger Finanzen kümmern will und welches seine persönliche Lieblingsblume ist.

Gemeindepräsident René Bergmann vor dem Gemeindehaus Bolligen. (Bild: Anina Bundi)

Herr Bergmann, Sie sind seit knapp zwei Wochen Gemeindepräsident. Was ist das für ein Gefühl?

Es stellt mein Leben komplett um. Ich hatte meinen Tagesablauf, der zwar als Gärtner auch vom Wetter und der Jahreszeit geprägt ist, an den ich aber gewohnt war. Ich beklage mich nicht, ich habe diese Situation ja angestrebt. Es ist sehr schön, in meinem Alter nochmal ein neues Leben zu haben. Die ersten Tage ging es um Passwörter, E-Mailadressen, meine Präsenzzeiten. Eine Mitarbeiterin sagte, es sei wie ein erster Schultag. Und das stimmt.

 

Was wollen Sie für ein Gemeindepräsident sein?

Ich will da sein für alle die vielen Anliegen, die es gibt. Meine Tür ist offen, man erreicht mich, kann mich anrufen. Das ist mir wichtig. Das gilt auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Da will ich mithelfen, die Strukturen so zu gestalten, dass sie noch besser sein können.

 

In Ihren 10 Jahren als Gemeinderat hatten Sie Zeit, ihre Vorgänger:innen zu beobachten. Was möchten Sie besser machen?

Wenn ich darauf antworten würde, hiesse das, dass meine Vorgängerin etwas nicht gut gemacht hat und das würde ich nicht wollen. Der Unterschied zwischen Gemeinderat und -präsident ist gross. Als Gemeinderat ist man viel weiter weg von allem. Vieles von den Abläufen werde ich erst jetzt mitbekommen. Wir sind in Bolligen allgemein daran, die Strukturen anzuschauen, etwa auch die Anzahl Mitglieder im Gemeinderat, in welchen Bereichen man mehr oder weniger professionell werden will, wie man die Bürger und Bürgerinnnen einbezieht, alles zusammen.

 

Wie kam bei Ihnen die Lust auf das Präsidium?

Meine Tochter sagt immer, ich sei hobbylos, und das stimmt. Ich treibe zu wenig Sport, bin in keiner Jassgruppe, gehe nicht kegeln. Auch deshalb habe ich mich neben dem Betrieb in der Berufsbildung engagiert, bin im Verwaltungsrat der Berner Blumenbörse, einfach weil es mir gefällt, auch noch etwas ausserhalb des Betriebs zu machen, neue Leute kennenzulernen und andere Ansichten. So kam irgendwann die Idee von einem politischen Amt. Da Kathrin Zuber von Anfang an sagte, sie bleibe acht Jahre und nicht länger, war das Präsidium schon irgendwo im Hinterkopf, aber mehr nicht. Durch den Schicksalsschlag, den sie erleben musste, wurde es dann von einem Tag auf den anderen aktuell. Da habe ich beschlossen, es zu versuchen.

 

Sie wurden im ersten Wahlgang gewählt, obwohl sie zwei Konkurrentinnen hatten. Wie erklären Sie sich das deutliche Resultat?

Ich glaube, man kennt mich einfach. Ich habe meinen Betrieb hier und den Grossteil meines Lebens hier verbracht, bin sozusagen der Dorfgärtner und seit 10 Jahren im Gemeinderat. Dann hatte ich sowohl mit dem Tiefbau wie auch später mit den Finanzen Ressorts, bei denen man einen Auftritt hat, also sichtbar ist. Und ich denke, ich habe da auch einen guten Job gemacht, konnte den Leuten immer gut erklären, was möglich ist. Was ich öfter gehört habe vor der Wahl ist ‚Du bist der Linkste“ und ich wurde ja auch von SP und Grünen empfohlen. Aber ich sehe mich nicht als Linker. Ich bin sehr bürgerlich und verbiege mich da nicht. Allerdings habe ich auch keine Berührungsängste. In Bolligen sind SP und Grüne eine Macht und SVP und FDP mussten sich die Stimmen teilen. Das hat mir geholfen.

 

Sie behalten das Ressort Finanzen. Traditionell übernimmt der Präsident die Planung. Warum haben Sie sich so entschieden?

Es hat sich aufgedrängt. Ich bin da eingearbeitet und im Ressort Planung hätte ich bei Null anfangen müssen. Das Präsidiale ist Neues genug, da bin ich froh um die Finanzen, wo ich mich schon auskenne. Ausserdem sind die Finanzen wichtig und herausfordernd für Bolligen.

 

Das Ressort Planung ging an Marianne Zürcher (SVP). Als Trost für ihre Nichtwahl?

Nein. Sie hat sich im Gemeinderat sehr engagiert und gute Arbeit gemacht und fand, nach sechs Jahren im Amt sei die Zeit da für eine Veränderung. Und ich habe schon früh klargemacht, dass ich die Planung nicht anstrebe. Das Ressort hat ihr also niemand strittig gemacht.

 

Und warum der Wechsel beim Vize-Präsidium? Das hätte nächstes Jahr Catherine Meyer (Grüne) übernehmen sollen. Nun macht es Daniela Freiburghaus (FDP) bis Ende Legislatur.

Die FDP ist in Bolligen eine starke Kraft. Es gibt die ungeschriebene Regelung, dass sie, solange sie das Präsidium hat, nicht auch das Vize-Präsidium besetzt. Nun fanden wir, es sei der richtige Zeitpunkt, die FDP da wieder einzubeziehen. Dass es nun für länger als ein Jahr ist, war mein Wunsch und unabhängig von der Partei. Der jährliche Wechsel bringt mir zu viel Unruhe.

 

Was steht an in Bolligen?

Als Erstes die Schulraumplanung. Da sind wir an der Gemeindeversammlung gescheitert. Es gibt zwar eine Machbarkeitsstudie, aber wir brauchen eine neue Auslegeordnung und es gibt Grundsätzliches zu klären: Braucht es das Schulhaus Ferenberg? Wie gut ist der Schulraum ausgelastet? Wir suchen nun einen externen Projektleiter und werden eine Projektgruppe bilden aus Gemeinderat, Bildung, Bau und den Kommissionen. Ausserdem wollen wir mit einem sogenannten „Sounding Board“ die Stimmen aus der Bevölkerung sammeln. Anreissen tun wir das im Gemeinderat, vermutlich brauchen wir aber später einen Planungskredit von der Gemeindeversammlung.

 

Was ist der Stand beim Bahnhofareal, wo die Gemeindeversammlung eine neue Bauordnung beschlossen hat, mit der höhere Neubauten möglich wären?

Das ist jetzt eines der neuen Geschäfte von Frau Zürcher. Vielleicht hilft ihr der Bezug zum Ländlichen, einer der Akteure dort ist ja die Landi. Bis jetzt haben sich Landi, RBS und Gemeinde da etwas den Ball zugeschoben. Da erhoffe ich mir schon etwas. Für die Gemeinde geht es zurzeit darum, den Fuss noch drin zu haben, und den eigenen Teil nicht sofort zu verkaufen, damit man mitbestimmen kann. Es ist auch so, dass sich vieles tut im Unterdorf, etwa in der Mühle, wo neue Wohnungen entstehen sollen. Da braucht es vielleicht plötzlich eine Kita oder einen Kindergarten, anstatt dass man die Kinder ins Oberdorf raufschickt. Das wäre zum Beispiel auf dem Areal der alten Musikschule möglich.

 

Bolligen steht finanziell nicht so gut da und hat viele anstehende Investitionen. Sie haben an der letzten Gemeindeversammlung ein Sparprogramm angekündigt. Wo kann und soll Bolligen sparen?

Es sind vor allem kleine Sachen, die sich im Budgetprozess diesen Frühling zeigen werden. Wir richten das Augenmerk vermehrt auf wiederkehrende Kosten. Ich sage es ungern, aber der budgetlose Zustand letztes Jahr hat etwas ausgelöst. Wir haben Verträge angeschaut, uns gefragt, was die Gemeinde selber machen könnte, anstatt es extern zu vergeben. Ein Beispiel wäre da der Winterdienst. Der nächste grosse Schritt wird die Aufgabenüberprüfung sein. Da wird es auch um Themen gehen wie das Hallenbad, das immer defizitär ist und in den nächsten Jahren saniert werden muss. Da wird man aber die Bevölkerung einbeziehen.

 

Als Kathrin Zuber ihren Rücktritt bekanntgab, sagten Sie, Sie müssten vor einer Kandidatur noch die Nachfolge in Ihrer Gärtnerei regeln. Haben Sie das nun getan und wie?

Wir sind ein klassischer Familienbetrieb. Die Eltern bauten die Gärtnerei auf, ich bin Gärtner, mein Bruder ist Gärtner und Florist, ich habe eine Gärtnerin und Floristin geheiratet und meine Söhne sind auch Gärtner und Florist. Eigentlich sind wir gut aufgestellt. Meine Frau war immer 100 Prozent im Betrieb. Die Kinderbetreuung haben wir geteilt. Sie führt die Floristik und den Verkauf. Das ist mittlerweile fast der wichtigere Teil als die Pflanzenproduktion. Nun hat der Sohn, der mich eigentlich entlasten sollte, noch eine Lehre als Landschaftsgärtner gemacht und einen Job in einer anderen Firma angenommen. Wir sind jetzt daran, eine AG zu werden, damit die Übergabe einfacher wird und sind allgemein noch im Prozess. Es ist aber auch so, dass ich mich nicht für das Präsidium beworben hätte, wenn ich nicht hätte Gärtner bleiben können. Mein Aufgabengebiet wird einfach kleiner sein.

 

Was gefällt Ihnen am Gärtner sein?

Vieles. Das Spüren der Jahreszeiten, der Temperaturen und des Klimas, wie die Pflanzen wachsen, die Erde. Das ist meine Leidenschaft, mein Ding. Aber auch der geschäftliche Teil, das Planen der Pflanzenkulturen und das Führen der Mitarbeitenden, das hilft mir jetzt in meinem neuen Job wohl mehr.

 

Welches ist Ihre persönliche Lieblingspflanze?

Das ist eine eher weibliche Pflanze. Ich liebe Duftwicken. Die fangen jetzt langsam an, zu blühen bis in den Juli hinein. Wobei ich da auch Geschäftsmann bin, es ist wichtig, dass man eine Blume vermarkten kann. Die Duftwicken sind beliebt und wir liefern sie bis nach Zürich. Allerdings ist sie nicht sehr langlebig, das bedeutet Sonntagsarbeit und früh aufstehen für die Ernte.


Autor:in
Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch
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Erstellt: 14.04.2023
Geändert: 14.04.2023
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