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Gemeindeversammlung Biglen: Doch lieber auf Nummer sicher

Zu reden gaben bei den Stimmberechtigten die nicht so rosigen Finanzen. Ausserdem tauchten Fragen auf zur Freigrenze Mehrwertabgabe Liegenschaften: Die Gemeinde hat diese bei 30'000 Franken festgelegt, der Kanton schreibt 20'000 vor. Was gilt jetzt? Immobilienberater Thomas Müller erklärte, was in dieser komplexen Sache gilt.

Der Gemeinderat von Biglen, von links: Stefan Gerber (SVP), Martin Schöni (SVP), Patrik Kestenholz (Die Mitte), Gemeindepräsident Urs Schweizer (parteilos), André Wyler (Die Mitte), André Durand (SVP) und Sascha Bleuler (SP). (Foto: cw)

Der Singsaal im Primarschulhaus Feltschen war gut besetzt, als Gemeindepräsident Urs Schweizer die November-Gemeindeversammlung eröffnete. Die einzigen Frauen am sonst rein männlichen Gemeinderatstisch: Finanzverwalterin Nicole Marte und Gemeindeschreiberin Marlene Schwarz-Rüegsegger.

 

Wo bleiben die Frauen?

Urs Schweizer, auf die männliche Dominanz im Gemeinderat angesprochen, nickt und sagt: «Ja, ich weiss gar nicht, warum das in Biglen so ist, wir hatten schon immer weniger Frauen im Gemeinderat, und bei den letzten Wahlen stellte sich überhaupt nur eine einzige Frau zur Wahl.» Tatsache sei deshalb, dass gegenwärtig sieben Männer im Gemeinderat sitzen. Auf die Frage, wie er denn seine Gemeinde charakterisieren würde, sagt er: «Was wir in Biglen anpacken, ziehen wir durch.»

 

«Für 2025 angestrengt»

Auch in Sachen Finanzen zieht Biglen das Angepackte durch:  Das Budget 2025, vorgestellt vom zuständigen Gemeinderat André Wyler, zeigte zwar noch kein Plus – einen positiven Abschluss gab es letztmals im 2022. Letztes Jahr stieg der Aufwandüberschuss des Gesamthaushaltes gar auf 788’200 Franken. «Fürs 2025 haben wir uns angestrengt, jetzt sieht es wieder besser aus», erklärte Wyler.

 

Besorgte Gesichter

Trotzdem machten die 53 anwesenden Stimmberechtigten – das sind laut Gemeindepräsident Schweizer 3,8 Prozent und damit etwas mehr als sonst – bei Wylers Erläuterungen nachdenkliche bis besorgte Mienen. Denn auch für 2025 sieht das Budget ein Minus von 233'900 Franken vor.

 

«Was wollt ihr unternehmen?»

Und prompt kam eine kritische Anmerkung aus dem Publikum. Im Juni habe André Wyler noch gesagt, die Finanzen würden ihm Angst machen, warf ein Bigler ein: «Ist diese Angst verflogen? Und was wollt ihr unternehmen, um nicht mehr Minus zu machen?» Wyler nickte und antwortete ruhig, allzu viel könne man dagegen gar nicht machen: «71 Prozent der Kostentreiber kann die Gemeinde nicht beeinflussen.»

 

Grosse Transferaufwände

Diese 71 Prozent, erklärte er, setzten sich zusammen aus den Transferaufwänden an Kanton, andere Gemeinden und Private, beispielsweise für Gehaltskosten der Lehrpersonen oder den Lastenausgleich Sozialhilfe. Diese seien vom Kanton vorgegeben und in den letzten Jahren von rund 60 Prozent auf die heutigen 71 Prozent der Steuereinnahmen angestiegen. Seine Erklärung leuchtete ein, jedenfalls wurde das Budget 2025 grossmehrheitlich angenommen.

 

Vielleicht mal eine Steuererhöhung?

Beim Finanzplan 2025 bis 2033 kam noch einmal die Frage aus dem Publikum: «Warum gingen die Finanzen so herunter?» Wyler wiederholte: «Das bestimmen grossteils nicht wir, das sind Vorgaben des Kantons, wie viel wir abliefern müssen.» Auf seine Ankündigung, «deshalb müssen wir vielleicht doch einmal über eine Steuererhöhung nachdenken», wurden die Gesichter noch eine Spur besorgter.

 

Turnhalle belastet nicht mehr so stark

Etwas beruhigend wirkte immerhin die Information von Gemeindepräsident Urs Schweizer:  «Für 2025 sind Nettoinvestitionen von 2,4 Millionen Franken geplant – im Vorjahr waren es knapp 9,2 Millionen Franken.» Der Neubau der Turnhalle, auch 2025 der grösste Investitionsposten, koste nächstes Jahr noch 1,7 Millionen Franken – gegenüber 7,4 Millionen im 2024.

 

Verwirrung Freigrenze

Dann aber der kniffligste Punkt, der viel zu reden gab und einiges Kopfzerbrechen auslöste: Die Berechnung der Mehrwertabgabe bei Planungsmassnahmen. Diese Berechnung sei für das ganze Gemeindegebiet nötig und hochkomplex, erklärte Urs Schweizer. Die Freigrenze, sagte er, sei neu auf 20'000 Franken festzulegen statt auf 30'000 Franken, wie bisher in Biglen geregelt. «Sonst könnte es zu einem Gerichtsfall kommen.»

 

«Eventuell rechtswidrig?»

Das verstanden etliche aus dem Publikum nicht, wie verschiedentliches Kopfschütteln zeigte. «Eine Erhöhung könnte eventuell rechtswidrig sein», kam ein Votum aus dem Publikum: «Wieso müssen wir etwas anpassen, das ‘nur eventuell rechtswidrig’ ist?» Und ein anderes Votum: «Warum sollen wir vorsorglich auf 20'000 Franken herunter, wenn das gar nicht sicher ist?»

 

«Kein rechtlicher Entscheid»

Gemeindeschreiberin Marlene Schwarz stellte klar: «Die Vorgabe von 20'000 Franken ist einzuhalten.» Das habe der Kanton so festgelegt. Thomas Müller, Immobilienberater vom Büro für Gebäudeschätzung BFG Mittelland, machte die Verwirrung komplett: «Das Gesetz sieht eine Freigrenze von 20'000 Franken vor, aber gegen 30'000 gibt es keinen rechtlichen Entscheid.»

 

Was also, wenn?

«Was würde also passieren, wenn Biglen das ablehnen würde?», lautete die logische Folgefrage aus dem Publikum. Und: «Warum haben wir seinerzeit abgestimmt über 30'000 Franken, wenn eh nur 20'000 legal sind?» Müllers logische Antwort darauf: Weil zwar die juristische Sachlage klar ist – das übergeordnete Gesetz bestimmt. Dieses sehe bei Einzonungen eine Freigrenze von 20'000 Franken vor. Aber: «Bei Um- und Aufzonungen gibt es keine Rechtsentscheide, das heisst, das Gesetz lässt den Gemeinden Spielraum.»

 

Vieles nicht so ganz sicher

Weil im Moment dennoch vieles nicht so ganz sicher sei, wie Gemeindeschreiberin Marlene Schwarz anfügte, sei es doch klüger, auf Nummer sicher zu gehen. Thomas Müller erklärte, Biglen habe hier – wie andere Gemeinden – keinen Unterschied gemacht und eine Freigrenze von 30'000 Franken für Um- und Aufzonung festgelegt.

 

Ärgerliche Nachzahlungen möglich

«Einige Gemeinden haben eine noch viel höhere Freigrenze ausgemacht», sagte er. Als Beispiel erwähnt er eine Gemeinde, die 100'000 Franken Freigrenze sowohl bei Umzonung als auch bei Aufzonung festgelegt hat, eine andere gar 150'000 Franken. Das allerdings, warnte Müller, könnte ärgerliche  Nachzahlungen nach sich ziehen, falls das das Amt für Gemeinden und Raumplanung AGR Beschwerde einlegen würde.

 

«Das ist schräg»

Zur Rückmeldung aus dem Publikum, «das ist doch schräg!», nickt Müller: «Ja, das AGR hat sich hier einfach drausgenommen: Es lässt den Gemeinden zwar Freiheit, aber die Gemeinden müssen sich festlegen.» Das sei das Problem mit solchen Gesetzesvorgaben.

 

Teilrevision auf 1. Februar 2024

Schliesslich schaltete sich Gemeindepräsident Schweizer ein und erklärte, er möchte die Ortsplanungsrevision jetzt einmal abschliessen. «Wir von der Gemeinde schauen für die Bevölkerung», betonte er. Die Gemeinde habe sich absichtlich durch Fachspezialisten beraten lassen, und deshalb gelte jetzt nicht mehr dasselbe wie letztes Jahr, denn: «Wir möchten nicht, dass jemand nachzahlen muss.» Der Antrag lautete daher: Eine Teilrevision des Reglements, rückwirkend auf den 1. Februar 2024.

 

Auf der sicheren Seite…

Am Ende konnte Urs Schweizer, von Beruf Berater Krisen- und Katastrophenmanagement und daher besonders auf Stabilität und Sicherheit in seiner Gemeinde bedacht, aufatmen: Die Stimmbürger:innen von Biglen entschieden sich mit 37 Ja- zu 4 Neinstimmen für die sicherere Variante.

 

…und wieder guter Dinge

«Allgemein gab es weniger erhitzte Diskussionen als ich erwartet hätte», sagte Schweizer nach dem offiziellen Teil erleichtert. Und beim inoffiziellen Teil, dem überraschenden Weihnachtsapero, glätteten sich auch die Sorgenfalten auf den Gesichtern wieder. Für dieses Jahr ist Biglen auf der sicheren Seite.

 


[i] Das Benützungsreglement Gemeindeliegenschaften – Gesamtrevision 2023 wurde ohne Diskussion einstimmig angenommen.

 

[i] Informationen zur Turnhalle: Der Boden hat sogar schon Linien drauf, gegenwärtig arbeiten Maler, Gipser und Sanitär an den Garderoben und Duschen. Am 31. Januar sollte die neue Dreifachturnhalle bereit sein. Auf 17. Mai 2025 ist die offizielle Eröffnungsfeier Turnhalle geplant.

 

[i] Informationen zur Sanierung Rohrstrasse: Der Baustart erfolgt am 10. Februar 2025. Von März bis voraussichtlich Ende August 2025 ist auf der Ortdurchfahrt mit Umleitungen und Verkehrsbehinderungen zu rechnen. 


Autor:in
Claudia Weiss, info@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
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Erstellt: 05.12.2024
Geändert: 05.12.2024
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