• Region

Geschichte zum Anfassen aus Bern-Ost: So kam das Leben in die Region

Wann lebten die ersten Menschen in unserer Region? Lebten hier Höhlenbewohner? Oder kam das Leben erst später in diese Region. BERN-OST schaut weit in die Geschichte zurück und stösst auf Funde in Münsingen, Richigen oder Wichtrach.

Beim Bau der Entlastungsstrasse Münsingen stiess man auf Spuren aus vor-römischer Zeit. (Foto: zvg)
Kantonsarchäologe Adriano Boschetti: «Im Murmösli bei Rüfenacht fanden wir ein Steinbeil aus der Zeit um 5000 v. Chr.» (Foto: zvg)
Diese Frau wurde 300 v. Chr. in Münsingen beigesetzt. Ihre Fussringe sind gut erkennbar. (Foto: aus dem Buch "Kurze Urgeschichte der Schweiz")

Der Archäologische Dienst des Kantons Bern hat ein neues Buch mit dem Titel «Kurze Urgeschichte der Schweiz» veröffentlicht. Es beschreibt die Geschichte der Menschen von den Höhlenbewohnern bis zur Römerzeit, illustriert mit vielen Bildern von archäologischen Funden. Das Buch erklärt verständlich, wann und wo die ersten Menschen in der Schweiz lebten, woher sie kamen und welche Einflüsse sie prägten. Auch die Region Bern-Ost kommt darin vor.

 

Als die Höhlenbewohner im Jura lebten, war die heutige Region Bern-Ost noch vereist, weshalb die ersten Funde von hier eher in die Bronzezeit (2200 v. Chr.) datiert werden. Der Kantonsarchäologe Adriano Boschetti hat über diese Zeit zwei Bücher herausgegeben, BERN-OST hat mit ihm gesprochen.

 

BERN-OST: Adriano Boschetti, können Sie etwas sagen, wann und wie sich das Leben in Region Bern-Ost entwickelt hat?

Adriano Boschetti: Es gibt keine lückenlose Geschichte, die wir erzählen können. In der Zeit um 15’000 v. Chr. haben sich die Gletscher zurückgezogen, die Vegetation hat eingesetzt, es kamen wieder Tiere und so kamen auch Menschen. Sie zogen durchs Land und jagten. Eine derartige Fundstelle kennen wir aus Mooseedorf. Die Menschen waren nicht sesshaft und hatten nur wenig Ausrüstung, wie Felle, Knochen oder Feuersteine.

 

Wenn wir einen Zeitsprung ein paar Tausend Jahre weiter machen, hatte es Wald, die ersten Menschen liessen sich nieder und pflanzten Getreide an. Das war die Jungsteinzeit, etwa um 5000 v. Chr. Auch aus dieser Zeit haben wir in der Region nur wenige Funde. Zum Beispiel ein Steinbeil vom Murmösli bei Rüfenacht. Damit haben sie Bäume gefällt, um Häuser zu bauen. Sehr viel wissen wir aber nicht.

 

Wo lebten in der Bronzezeit, also ab 2200 v. Chr., Menschen in der Region?

2020 gruben wir eine Siedlung im Rohrmoos bei Richigen aus. Wir fanden dort Reste, die in Gruben im Boden lagen, etwa Keramikscherben. Wir kennen auch wenige Gräber aus der Zeit, solche mit Schmuck der reichsten Leute. Eines wurde vor vier Jahren an der Mühlackerstrasse 3 im Worbboden entdeckt. Dort wurde in der späten Bronzezeit um 1400 v. Chr. eine Frau bestattet und Schmuck beigegeben.

 

Wo war die Region sonst noch besiedelt?

Wir wissen, dass zu dieser Zeit das Aare- und Worblental besiedelt waren und dass auch Landwirtschaft betrieben wurde. Anhand der vorhandenen Fundstellen gehen wir davon aus, dass es mehrere Siedlungen gab.

 

In der Eisenzeit ab 800 v. Chr. wohnten hier die Helvetier (Kelten) und besiedelten das Mittelland. Sie bauten Städte (wie auf der Engehalbinsel) oder lebten in Gutshöfen und bewirtschafteten das Land. Das Gräberfeld im Rain bei Münsingen stammt aus dieser Zeit.

 

Was weiss man darüber?

Wir denken, dass dort eine Gemeinschaft von 40 Leuten lebte, die ihre Toten begraben haben. Das waren vornehme Leute, Männern wurde Bewaffnung mit ins Grab gegeben, den Frauen Schmuck. Es gibt in der Umgebung noch weitere Gräber aus dieser Zeit (um 400 – 150 v. Chr.) einerseits um das Psychiatriezentrum in Münsingen oder in Wichtrach.

 

Was ist an diesem Grab aus Münsingen speziell?

Es ist das grösste Gräberfeld aus dieser Zeit in Mitteleuropa und das Besondere ist, sie haben um 400 v. Chr. angefangen zu bestatten haben das über 250 Jahre fortgesetzt. Wir fanden Grabbeigaben wie Schmuck, Ringe oder Fibeln (Gewandschliessen). Wir denken, dass ihre Nachfahren auch die römische Villa gebaut haben, deren Mosaik bei der USM in Münsingen ausgestellt ist.

 

Bei einer Grabung während des Baus der Entlastungsstrasse in Münsingen fanden wir auch Spuren aus der vor-römischen Zeit. Für uns war das neu, eindeutige Siedlungsreste aus dieser Zeit in Münsingen nachweisen zu können.

 

Wie ging es danach weiter mit dem Leben in der Region?

Dann kamen die Römer. Die sind zwar nicht eingewandert, aber man übernahm hier die römische Kultur. Die Sprache wurde angepasst, Häuserbau und Kleidung wurden übernommen. Man spricht von der Romanisierung etwa um 50 v. Chr.

 

Aus dieser Zeit gibt es einen Münzschatz auf dem Belpberg, der 40 v. Chr. vergraben wurde mit keltischen und römischen Münzen. Es gab Gutshöfe, dort wo heute die Kirchen von Wichtrach oder Münsingen stehen. Auch in Kleinhöchstetten bei Rubigen, in Muri oder in Worb gab es solche Höfe, wo vornehme Familien mit Bediensteten lebten.

 

Welche Sprache wurde damals gesprochen?

Die Leute sprachen noch lange keltisch, wie es sich angehört hat, wissen wir nicht genau. Es gibt noch Bezeichnungen, die auf diese Zeit zurückgehen. Beispielsweise «Aare» oder «Worb» könnten aufs Keltische zurückgehen.

 

Die meisten Ortsnamen hingegen stammen aus dem Germanischen, das geht dann auf das Frühmittelalter zurück, ab etwa 550: Namen wie Bolligen, Häutligen, Vielbringen, Konolfingen oder Vechigen.

 

Sie selbst leben in Boll. Sieht man als Archäologe hinter jedem Hügel einen Grabhügel aus vergangenen Zeiten?

Wenn ich unterwegs bin, schaue ich schon mit anderen Augen. Aber ich sehe nicht hinter allem etwas. Es ist nicht so einfach zu beurteilen, ob ein Hügel natürlich ist oder ein Grabhügel war. Man muss sich den Untergrund anschauen und graben. Wir haben aber kein Interesse aus Neugierde Löcher zu bohren, sondern wir wollen das schützen. Es gibt genug Gründe, um zu graben, seien es Baustellen oder Seegrund, der erodiert.

 

Haben Sie in ihrem Wohnort auch schon etwas entdeckt?

Bei Vechigen liegt das Dachshölzli, dort hat ein Archäologie-Begeisterter römische Scherben in Wurzellöchern entdeckt.

 

[i] «Kurze Urgeschichte der Schweiz» von Adriano Boschetti und Werner E. Stöckli und «Ausflug in die Vergangenheit» von Adriano Boschetti und Armand Baeriswyl


Autor:in
Rolf Blaser, info@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 26.01.2025
Geändert: 26.01.2025
Klicks heute:
Klicks total: