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Grosshöchstetten: Jetzt wehren sich die geschassten VR-Mitglieder
Im vergangenen Dezember kam es an der Gemeindeversammlung zu einem Paukenschlag. Der Gemeinderat informierte, dass er nicht weniger als vier Verwaltungsräte der Energie Grosshöchstetten (ENGH) AG abgesetzt und durch eigene Leute ersetzt hatte. Dies, weil sich die Abgesetzten gegen den geplanten Wärmeverbund Neuhuspark ausgesprochen hatten. Jetzt der nächste Paukenschlag: Die geschassten VR-Mitglieder wehren sich mit einem offenen Brief.
In einem offenen Brief werfen Ulrich Brunner, Ruedi Sutter, Adriano Toma und Thomas Zumbrunnen dem Gemeinderat «Sonderbares Verständnis» in fünf Punkten vor.
Sie haben ihre Gründe: Es sind die ehemaligen Verwaltungsräte der Energie Grosshöchstetten AG (ENGH), die per 1. Dezember abberufen und kurzerhand durch Gemeinderatsmitglieder ersetzt wurden. Weil sie auf die Realisierung des Projekts Wärmeverbund Neuhaus verzichten wollten. Die vier Ex-Verwaltungsräte finden, der Gemeinderat habe «einseitig und unvollständig orientiert» und sehen es daher als ihre Bürgerpflicht, eine ausgewogene Sicht zu ermöglichen.
Als ersten wichtigen Punkt stellen sie das politische Verständnis zur Gewaltentrennung in Frage. Da ja der Verwaltungsrat für die Führung des Unternehmens zuständig sei, und da der Gemeinderat die Aufsicht über den Verwaltungsrat ausübe: Ob es denn den Anforderungen der Statuten entspreche und die Anforderungen an eine gute Unternehmensführung erfülle, wenn «Mitglieder des Gemeinderats Mitglieder des Gemeinderats beaufsichtigen»?
Frage zu Umweltverständnis und Standortverständnis
Ob die Kritik bezüglich Umweltverständnis – «Ersatz von CO2-Schleudern (bestehende Erdölheizung) durch eine neue CO2-Schleuder (Holzverbrennungsanlage)» – begründet ist, müssen Sachverständige klären. Aber das kritisierte «Sonderbare Standortverständnis» erklären die Briefschreiber schlüssig: Eine zentral gelegene Heizzentrale mit kurzen Leitungswegen, finden sie, wäre angezeigter.
Eine Zentrale abseits der gemeindeeigenen Verbrauchsstandorte mache nämlich aus einem Nahwärme- einen Fernwärmeverbund. Das wiederum bedeute lange Zuleitungsstrecken, höhere Kosten und zugleich einen Wärmeverlust. Dies wiederum mache das Projekt wirtschaftlich noch defizitärer. «Wieso setzt sich der Gemeinderat nicht für die offensichtliche Lösung eines Heizsystems auf CO2-freier Basis ein?», kritisieren sie.
Projekt im Interesse von Grosshöchstetten?
Das Projekt erfülle ausserdem die Voraussetzungen punkto betriebswirtschaftlicher Zusammenhänge und gewinnorientierter Führung nicht, schreiben sie weiter. Sie fragen, ob ein Projekt, das trotz überhöhter Wärmepreise zu Defiziten führt, im besten Interesse der Bürger:innen von Grosshöchstetten sei?
Auch das Finanzierungsverständnis stellen sie vehement in Frage: Die Mittel für den Ausbau – 3.5 Millionen Franken für die erste Etappe, eine zusätzliche Millioneninvestition für die zweite Etappe – würde nicht nur alle liquiden Mittel entziehen, sondern auch die Kreditschöpfungskapazität bei Banken ausschöpfen. Dadurch fehlen ihrer Rechnung nach die Mittel für Unterhalt und Ausbau der Netzinfrastruktur. Ob es fair sei, fragen sie deshalb, die finanziellen Mittel «im Rahmen einer Hauruckübung zu erschöpfen».
Finanzielles Loch der ENGH
Und weiter: «Findet es der Gemeinderat den Stimmbürger:innen gegenüber ehrlich, transparent und fair, sie dereinst vor vollendete Tatsachen zu stellen und von ihnen im Nachhinein das finanzielle Loch der ENGH decken zu lassen, welches die Kernzweckentfremdung von betriebsnotwendigen Mitteln verursacht hat?»
Brunner, Sutter, Toma und Zumbrunnen sind froh, dass die Geschäftsprüfungskommission «die Vorgänge rund um den Wärmeverbund einer unabhängigen und kritischen Prüfung unterziehen wird».
«Der Gemeinderat wird den Brief besprechen»
Die Grosshöchstetter Gemeindepräsidentin Christine Hofer (EVP), welche die Absetzung der Verwaltungsrats-Mitglieder an der Dezember-Gemeindeversammlung begründet und gerechtfertigt hatte, sagte gegenüber BERN-OST: «Es ist das Recht aller Bürger:innen, mit einem offenen Brief an den Gemeinderat zu gelangen.» Der Gemeinderat werde besprechen, wie er reagieren wolle, denn «das sind wir den Bürger:innen schuldig.»
«Wir müssen im Herbst heizen können»
Nicht öffentlich äussern mochte sich die Gemeindepräsidentin zur Frage, wie sehr der definitive Entscheid für oder gegen einen Wärmeverbund eile. Konkreter gegenüber BERN-OST wurde Roland Schönenberger, Verwaltungsrat des Neuhusparks: «Wenn wir nicht in sehr kurzer Zeit das OK für einen Wärmeverbund erhalten, werden wir für uns selber eine Lösung realisieren müssen.» Der Grund für die Eile sei, dass die neue Heizlösung zwingend auf die Herbst-/Wintersaison in Betrieb genommen werden müsse.
Erstellt:
03.02.2024
Geändert: 05.02.2024
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