- Region
Herbligen - Das letzte Geheimnis der C-36
1939 zerschellte in Herbligen ein Kampfflugzeug. Fast 70 Jahre später ging der Grenchner Buchautor Peter Brotschi mit Augenzeugen auf Spurensuche. Und lüftete eines der letzten Geheimnisse um den spektakulären Absturz.
Es sollte ein Tag werden, der sich in das Gedächtnis manch eines Herbligers für immer einprägen würde: Freitag, der 11.August 1939. Es war heiss, und das Gras auf den Feldern stand hoch. Über den Köpfen der Bauern, die gerade das Korn mähten, zog ein Kampfflieger seine Kreise.
Nichts Ungewöhnliches schliesslich waren zu jener Zeit öfter Flugzeuge am Himmel zu sehen. Testpiloten der Kriegstechnischen Anstalt in Thun brachten die Maschinen in Probeflügen über Herbligen und Oberdiessbach jeweils bis an die Grenze der Belastbarkeit.
Doch an jenem Freitagmorgen lief mit den sonst so alltäglichen Testflügen etwas schief. Statt wie gewöhnlich nach wenigen Sekunden Sturzflug wieder in die aufrechte Position zu kommen, war der C-36-Prototyp plötzlich verschwunden. Augenblicke später hallte über das Haubenmoos ob Herbligen ein lauter Knall
Was an jenem Morgen des 11.August 1939 genau geschah, hat der Grenchner Buchautor Peter Brotschi (51) 2006 in seinem Buch «Gebrochene Flügel» dokumentiert. Mittlerweile ist das Werk, das sämtliche Flugunfälle der Schweizer Luftwaffe zwischen 1914 und 2006 auflistet, bereits in der vierten Auflage vergriffen.
«Ich habe darin über 400 Fälle komplett dokumentiert. Mir fehlte jedoch bis heute ein letztes Detail», sagt Brotschi. «Wo genau in Herbligen der C-36-Prototyp abgestürzt war, blieb bis vor Kurzem ein Rätsel.» Kein Archiv vermochte dem ehemaligen Chefredaktor der «AeroRevue» genauer Auskunft zu geben.
«Es gab nur eine Möglichkeit, das Geheimnis zu lüften; ich musste Zeitzeugen finden», sagt Brotschi. Kein einfaches Unterfangen, lag doch die mutmassliche Absturzstelle des Kampfflugzeugs abseits vom Dorf und etwas versteckt. Die meisten Zeitzeugen, die den Unfall miterlebt haben, sind im Verlauf der Jahre aus der Region weggezogen oder inzwischen verstorben.
Peter Brotschi, getrieben vom Willen, das letzte Geheimnis doch noch zu lüften, entschied sich für einen Zeugenaufruf. Mit Erfolg: Auf die Anzeige in der Oberdiessbacher «Gemeinde Information» vom vergangenen Sommer meldeten sich zwei Personen: Ueli Wüthrich und Fritz Vogt, beide über 80 und aus Oberdiessbach, haben den Absturz hautnah miterlebt und die Bilder von damals bis heute nicht vergessen.
Der ehemalige Mitbesitzer der Oberdiessbacher Gebrüder Vogt AG, Fritz Vogt, arbeitete am besagten Freitagmorgen des 11.August 1939 mit seinem Vater auf einem Feld in Oberdiessbach. «Wir waren gerade am Heuen, als uns ein Flugzeug auffiel, das im Himmel Kapriolen schlug», erzählt Vogt, der damals 14-jährig war.
«Plötzlich war es weg, einfach verschwunden.» Obwohl er keinen Aufprall gehört habe, sei ihm sofort klar gewesen, dass etwas passiert sein musste. «Ich schnappte mir mein Velo und fuhr sofort ins Dorf.»
Ueli Wüthrich war als 11-jähriger Bub ebenfalls bei der Feldarbeit und schnitt auf dem Hubenacher gemeinsam mit Vater und Onkel das Korn. «Wir beobachteten, wie das Flugzeug hinter einer Kuppe verschwand. Sekunden später hörten wir einen unheimlich lauten Knall», erinnert sich der heute 80-Jährige. Auch er setzte sich aufs Velo und fuhr mit dem Vater den Hügel hinunter.
An der Unfallstelle, einem Feld auf dem Haubenmoos, etwas oberhalb von Herbligen, bot sich ein Bild der Zerstörung: «Das Flugzeug war von der Wucht des Aufpralls zerborsten, der Klee auf dem Feld wegen der Explosion des Treibstoffs völlig verkohlt», erinnert sich Ueli Wüthrich.
Allzu nahe durften die beiden Buben damals nicht an das Wrack. «Wir wussten ja nicht, ob es vielleicht eine weitere Explosion geben würde», sagt Wüthrich.
Daran, wo der über drei Tonnen schwere Kampfflieger abgestürzt ist, können sich die beiden Zeitzeugen aber noch genau erinnern. Auf dem Haubenmoos zeigen sie Buchautor Peter Brotschi fast 70 Jahre nach dem Unfall übereinstimmend dieselbe Stelle als Absturzort. «Ich erinnere mich, als wäre es erst gestern gewesen», sagt der 83-jährige Fritz Vogt.
Und der Pilot? «Der sprang rechtzeitig ab und landete unterhalb des Bahnübergangs bei Herbligen», ist in der Oberdiessbacher Dorfchronik von Niklaus Vogel zu lesen. Ein kleines Wunder schliesslich gab es vor dem zweiten Weltkrieg noch keine Schleudersitze.
Nicht selten machten es die hohe Geschwindigkeit und der enorme Luftsog unmöglich, dass sich Piloten mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug retten konnten. Anders der Unglückspilot vom 11. August 1939, Ernst Wyss (siehe Kasten): «Er schaffte es, bei über 500 Stundenkilometern aus dem Flugzeug zu springen», erklärt Peter Brotschi.
Mit seinem Sprung ins Freie war der 34-Jährige allerdings noch nicht gerettet. Unter ihm kamen die Starkstromleitungen gefährlich näher, und Fallschirme liessen sich damals noch nicht steuern. «Schon aus grosser Höhe suchte er, den Starkstromleitungen durch Schlingerbewegungen auszuweichen», steht in der Dorfchronik.
Das Gezappel half: Pilot Wyss kam genau zwischen beiden Leitungen hindurch unversehrt zu Boden. Von einem Dorfbewohner wurde er schliesslich an die Unfallstelle gefahren. «Als er ankam, zündete er sich als Erstes eine Zigarette an», erinnert sich Ueli Wüthrich.
Dank den Aussagen von Wüthrich und Vogt erscheint Peter Brotschis Buch Ende Dezember in der fünften Auflage. Für die beiden Zeitzeugen schliesst sich damit ein Kreis. So auch für die Familie des Oberdiessbacher Dorfchronisten Niklaus Vogel.
Einige Jahrzehnte nach dem Absturz hatte seine Tochter Annemarie auf einer Autofahrt durchs Entlebuch eine Panne. «Ein Automobilist nahm sie mit», erzählt ihr 69-jähriger Bruder, der heutige Diessbacher Ortshistoriker, Peter Vogel. Als seine Schwester dem Helfer ihren Herkunftsort nannte, sagte dieser: Ganz in der Nähe sei er einmal aus dem Flugzeug gestiegen. Sein Name: Ernst Wyss...
Ein Artikel aus dem
www.oberdiessbach.ch
www.herbligen.ch
Nichts Ungewöhnliches schliesslich waren zu jener Zeit öfter Flugzeuge am Himmel zu sehen. Testpiloten der Kriegstechnischen Anstalt in Thun brachten die Maschinen in Probeflügen über Herbligen und Oberdiessbach jeweils bis an die Grenze der Belastbarkeit.
Doch an jenem Freitagmorgen lief mit den sonst so alltäglichen Testflügen etwas schief. Statt wie gewöhnlich nach wenigen Sekunden Sturzflug wieder in die aufrechte Position zu kommen, war der C-36-Prototyp plötzlich verschwunden. Augenblicke später hallte über das Haubenmoos ob Herbligen ein lauter Knall
Was an jenem Morgen des 11.August 1939 genau geschah, hat der Grenchner Buchautor Peter Brotschi (51) 2006 in seinem Buch «Gebrochene Flügel» dokumentiert. Mittlerweile ist das Werk, das sämtliche Flugunfälle der Schweizer Luftwaffe zwischen 1914 und 2006 auflistet, bereits in der vierten Auflage vergriffen.
«Ich habe darin über 400 Fälle komplett dokumentiert. Mir fehlte jedoch bis heute ein letztes Detail», sagt Brotschi. «Wo genau in Herbligen der C-36-Prototyp abgestürzt war, blieb bis vor Kurzem ein Rätsel.» Kein Archiv vermochte dem ehemaligen Chefredaktor der «AeroRevue» genauer Auskunft zu geben.
«Es gab nur eine Möglichkeit, das Geheimnis zu lüften; ich musste Zeitzeugen finden», sagt Brotschi. Kein einfaches Unterfangen, lag doch die mutmassliche Absturzstelle des Kampfflugzeugs abseits vom Dorf und etwas versteckt. Die meisten Zeitzeugen, die den Unfall miterlebt haben, sind im Verlauf der Jahre aus der Region weggezogen oder inzwischen verstorben.
Peter Brotschi, getrieben vom Willen, das letzte Geheimnis doch noch zu lüften, entschied sich für einen Zeugenaufruf. Mit Erfolg: Auf die Anzeige in der Oberdiessbacher «Gemeinde Information» vom vergangenen Sommer meldeten sich zwei Personen: Ueli Wüthrich und Fritz Vogt, beide über 80 und aus Oberdiessbach, haben den Absturz hautnah miterlebt und die Bilder von damals bis heute nicht vergessen.
Der ehemalige Mitbesitzer der Oberdiessbacher Gebrüder Vogt AG, Fritz Vogt, arbeitete am besagten Freitagmorgen des 11.August 1939 mit seinem Vater auf einem Feld in Oberdiessbach. «Wir waren gerade am Heuen, als uns ein Flugzeug auffiel, das im Himmel Kapriolen schlug», erzählt Vogt, der damals 14-jährig war.
«Plötzlich war es weg, einfach verschwunden.» Obwohl er keinen Aufprall gehört habe, sei ihm sofort klar gewesen, dass etwas passiert sein musste. «Ich schnappte mir mein Velo und fuhr sofort ins Dorf.»
Ueli Wüthrich war als 11-jähriger Bub ebenfalls bei der Feldarbeit und schnitt auf dem Hubenacher gemeinsam mit Vater und Onkel das Korn. «Wir beobachteten, wie das Flugzeug hinter einer Kuppe verschwand. Sekunden später hörten wir einen unheimlich lauten Knall», erinnert sich der heute 80-Jährige. Auch er setzte sich aufs Velo und fuhr mit dem Vater den Hügel hinunter.
An der Unfallstelle, einem Feld auf dem Haubenmoos, etwas oberhalb von Herbligen, bot sich ein Bild der Zerstörung: «Das Flugzeug war von der Wucht des Aufpralls zerborsten, der Klee auf dem Feld wegen der Explosion des Treibstoffs völlig verkohlt», erinnert sich Ueli Wüthrich.
Allzu nahe durften die beiden Buben damals nicht an das Wrack. «Wir wussten ja nicht, ob es vielleicht eine weitere Explosion geben würde», sagt Wüthrich.
Daran, wo der über drei Tonnen schwere Kampfflieger abgestürzt ist, können sich die beiden Zeitzeugen aber noch genau erinnern. Auf dem Haubenmoos zeigen sie Buchautor Peter Brotschi fast 70 Jahre nach dem Unfall übereinstimmend dieselbe Stelle als Absturzort. «Ich erinnere mich, als wäre es erst gestern gewesen», sagt der 83-jährige Fritz Vogt.
Und der Pilot? «Der sprang rechtzeitig ab und landete unterhalb des Bahnübergangs bei Herbligen», ist in der Oberdiessbacher Dorfchronik von Niklaus Vogel zu lesen. Ein kleines Wunder schliesslich gab es vor dem zweiten Weltkrieg noch keine Schleudersitze.
Nicht selten machten es die hohe Geschwindigkeit und der enorme Luftsog unmöglich, dass sich Piloten mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug retten konnten. Anders der Unglückspilot vom 11. August 1939, Ernst Wyss (siehe Kasten): «Er schaffte es, bei über 500 Stundenkilometern aus dem Flugzeug zu springen», erklärt Peter Brotschi.
Mit seinem Sprung ins Freie war der 34-Jährige allerdings noch nicht gerettet. Unter ihm kamen die Starkstromleitungen gefährlich näher, und Fallschirme liessen sich damals noch nicht steuern. «Schon aus grosser Höhe suchte er, den Starkstromleitungen durch Schlingerbewegungen auszuweichen», steht in der Dorfchronik.
Das Gezappel half: Pilot Wyss kam genau zwischen beiden Leitungen hindurch unversehrt zu Boden. Von einem Dorfbewohner wurde er schliesslich an die Unfallstelle gefahren. «Als er ankam, zündete er sich als Erstes eine Zigarette an», erinnert sich Ueli Wüthrich.
Dank den Aussagen von Wüthrich und Vogt erscheint Peter Brotschis Buch Ende Dezember in der fünften Auflage. Für die beiden Zeitzeugen schliesst sich damit ein Kreis. So auch für die Familie des Oberdiessbacher Dorfchronisten Niklaus Vogel.
Einige Jahrzehnte nach dem Absturz hatte seine Tochter Annemarie auf einer Autofahrt durchs Entlebuch eine Panne. «Ein Automobilist nahm sie mit», erzählt ihr 69-jähriger Bruder, der heutige Diessbacher Ortshistoriker, Peter Vogel. Als seine Schwester dem Helfer ihren Herkunftsort nannte, sagte dieser: Ganz in der Nähe sei er einmal aus dem Flugzeug gestiegen. Sein Name: Ernst Wyss...
Ein Artikel aus dem

www.oberdiessbach.ch
www.herbligen.ch
Autor:in
Lilly Toriola, Thuner Tagblatt TT
Nachricht an die Redaktion
Statistik
Erstellt:
27.11.2008
Geändert: 27.11.2008
Klicks heute:
Klicks total:
Spenden
Bei BERN-OST gibt es weder Bezahlschranken noch Login-Pflicht - vor allem wegen der Trägerschaft durch die Genossenschaft EvK. Falls Sie uns gerne mit einem kleinen Betrag unterstützen möchten, haben Sie die Möglichkeit, dies hier zu tun.