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Joel Murri: 21-Jähriger verwirklicht seinen Traum

In Trimstein hat ein junger Mann sein eigenes Geschäft ohne fremde Hilfe aufgebaut. BERN-OST war zu Besuch bei Joel Murri. Wir sprachen über seine Karriere als Velorennfahrer und warum alle Velos aus China kommen.

Joel Murri: «Ich wurde immer nur Zweiter.» (Foto: Rolf Blaser)
Murri's Velostübli in Trimstein. (Foto: Rolf Blaser)

Joel Murri ist 21, in Trimstein aufgewachsen und hat vor zwei Jahren seinen eigenen Veloladen eröffnet. Wir treffen uns an einem heissen Nachmittag in seinem angenehm kühlen Laden. An der Wand hängt ein Poster, welches Joel auf dem Rennrad zeigt, einem Bianchi-Rennrad.

 

Ein Velofan durch und durch

Sofort sind wir im Gespräch, diskutieren über waghalsige Überholmanöver beim Olympia Mountainbike Rennen, über Tour-de-France-Sieger Podacar, Jan Ullrich, Doping und über Joels Erfahrungen als Radrennfahrer.

 

Seine Begeisterung fürs Velo hat bei Joel Murri schon früh angefangen. «Mit 7 bin ich mein erstes Rennen gefahren und wurde Zweiter bei einem Bergrennen im Krauchthal.» Er sei schon als kleiner Bub häufig mit seinem Vater Velofahren gegangen. Er fuhr danach weiter Rennen. «Aber ich wurde immer nur Zweiter», so Murri. Bald wusste er, dass er eine Lehre als Velomech machen wird.

 

Per Zufall zum Laden

Am liebsten hätte er bei Thömus in Oberried die Lehre begonnen. «Ich war viel in seinem Laden, bin Velos von ihm gefahren. Da ging es nicht nur ums Velo, sondern um das Erlebnis, das Gefühl. Das möchte ich auch bieten.» Mit der Lehre bei Thömus hat es am Ende nicht geklappt, Joel begann eine Velomechaniker-Lehre bei Bike-World in Muri.

 

Bei Bike-World arbeitete er in einem grossen Laden und wusste bald: «Ich will etwas eigenes.» Kaum aus der Lehre, kam Murri wie fast von selbst zu seinem Laden. «Eine Grosstante bot mir diesen Raum an.» Wo früher eine Bäckerei war, schraubt Joel seit zwei Jahren an Velos rum. «Murris Velostübli» ist der einzige Veloladen in Trimstein. Doch wer kommt ins abgelegene Trimstein, um sein Velo reparieren zu lassen?

 

Laden läuft

«Direkt vor dem Laden führt eine Veloroute durch, viele sehen den Laden und kommen später mal schauen», sagt Murri. Es habe schon einen Moment gedauert, bis der Laden lief. «Es braucht Zeit, um Vertrauen aufzubauen. Aber jetzt läuft es nicht schlecht.» Den Laden habe er mit seinem selbst gesparten Geld finanziert. Seiner Grosstante zahle er Miete, zu Beginn habe er viel Geld für Ersatzteile und Zubehör ausgegeben.

 

«Plötzlich war viel Geld weg und ich fand, der Laden sieht trotzdem noch leer aus. Werkzeug hatte ich vieles schon vorher», so Murri. Seit diesem Mai, also bereits zwei Jahre nach der Eröffnung, könne er sich einen Lohn bezahlen und davon leben.

 

Eigene Velomarke

Im Laden fokussiere er auf Reparatur und Unterhalt von Velos. Egal was, er nehme alles entgegen und repariere es. Wer bei ihm ein Velo kaufen will, brauche allerdings ein wenig Geduld. «Als kleines Geschäft kann ich nicht viele Velos im Voraus bestellen. Deshalb dauert es drei Monate, bis ein neues Velo bereit ist.» Dafür könne bei ihm das Velo selbst zusammengestellt und designt werden. Wie bei Thömus vertreibt Joel seine eigene Marke. Die Velos heissen «MV 22». «Das steht für Murris Velolädeli sowie das Gründungsjahr meines Ladens.»

 

Alles aus China

Spannend ist, was man beim Blick hinter die Kulissen des Velohandels erfährt. «Alle Velos kommen heute aus China und Taiwan. Rahmen, Felgen, Guidon, Schaltung, alles wird in China bestellt und hier zusammengesetzt. Danach werden die Velos lackiert und mit einer Marke versehen.» Während wir uns unterhalten, kommt eine Frau mit ihrer Tochter und bringt deren Velo zur Reparatur vorbei. Eine weitere Kundin kommt in den Laden und holt einen Geschenkgutschein ab.

 

Kurze Karriere

Es läuft bei Joel Murri. Doch was ist aus seiner Karriere als Velorennfahrer geworden? Er habe es versucht, sich aber dann für den Laden entschieden. Als 15-Jähriger ist er dem Radsport-Club Aaretal Münsingen beigetreten. Er hat viel trainiert, ist viele Rennen gefahren. «Am Ende ging es fast nur noch um Analysen, Daten und Testwerte. Ich verlor die Freude daran, viermal pro Tag auf den Gurnigel zu fahren.» Er entschied sich damals keine Amateur-Rennen mehr zu fahren, sondern sich auf den Laden zu konzentrieren.

 

Den Entscheid habe er nicht bereut, Joel ist jetzt sein eigener Chef. Meistens fährt er morgens eine Tour (für Radfans: mit einem 30er Schnitt), repariert danach in der Werkstatt Velos und öffnet den Laden um 15 Uhr. Was bleibe sei: «Die Freude am Fahren, am Rollen, dass man weit kommt und etwas von der Landschaft sieht.»

 

[i] Murri’s Velostübli, Dorfstrasse 15, Trimstein


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 19.08.2024
Geändert: 19.08.2024
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