- Region
Kiesen - Wo der Emmentaler Käse seine Geburtsstunde erlebte
Vor dem Jahr 1815 wurde in der Deutschschweiz nur auf der Alp oder auf Bauernhöfen Käse hergestellt. Die von Rudolf Emanuel Effinger initiierte erste Dorfkäserei in Kiesen bedeutete eine regelrechte Revolution.
Auf eigene Faust gebaut
Die Geschichte der Dorfkäserei hängt untrennbar mit jener von Rudolf Emanuel Effinger zusammen. Der Berner Patrizier hatte mit der Landwirtschaft zunächst wenig am Hut. Als Oberst im Generalstab schlug er eine militärische Karriere ein und wurde später zum Oberamtmann in Konolfingen. «Bereits sein Vater Niklaus, von dem er 1803 das Schloss Kiesen übernahm, war aber ein sehr interessierter Agronom, der neuen Entwicklungen stets offen gegenüberstand», erzählt Museumsbetreuer Hans Spring. Die Neugier des Vaters übertrug sich auf Rudolf. Bei einem Aufenthalt in der Westschweiz lernte er die dort neu gegründeten Tal- und Hofkäsereien kennen. Er war von der Idee so überzeugt, dass er sie auch für das Bernbiet umsetzen wollte. Da ihm der Kanton jedoch die Unterstützung verweigerte, nahm Effinger den Bau der ersten genossenschaftlich geführten Dorfkäserei auf dem Land des Schlossguts Kiesen gleich selber an die Hand.
«Vor 1815 war der Genuss von Käse vor allem gut situierten Menschen vorbehalten», sagt Hans Spring. Ausserdem sei Käse entweder nur auf der Alp oder von Bauern zur Selbstversorgung produziert worden. «Mit der ersten Dorfkäserei hat Effinger dieses System auf den Kopf gestellt und eine echte Pioniertat geleistet», hält Spring fest. Ganz ohne Widerstand ging die Revolution nicht über die Bühne: So sahen es etwa etliche Bauersfrauen nicht gern, dass fortan ein Grossteil der Milch in die Käserei abwanderte. Kritiker bezweifelten zudem, dass sich die neue Produktionsstätte lange halten würde.
Start zu Käserei-Boom
Der Erfolg gab Effinger jedoch recht. Bald sprangen weitere Talbauern auf den Zug auf und gründeten eigene Käsereien. Bis ins Jahr 1850 wurden in der Schweiz bereits rund 180 Dorfkäsereien gezählt – darunter 110 allein im Kanton Bern. Genaue Dokumente über die Menge der damals angelieferten Milch oder des produzierten Käses fehlen heute zwar, Hans Spring vermutet aber, dass es in der Region vorwiegend Kiesener und Oppliger Bauern waren, die vom neuen Angebot Gebrauch machten. «Die Milch wurde mit Ross und Wagen oder in Holzbränten auf dem eigenen Rücken transportiert», sagt Spring. Allzu lange Anlieferwege seien deshalb unwahrscheinlich gewesen. Unklar ist auch, wann genau die erste bernische Dorfkäserei wieder von der Bildfläche verschwand. In der Infobroschüre des Milchwirtschaftlichen Museums heisst es, dass die Käserei «bis gegen Ende des 19.Jahrhunderts in Betrieb» war.
«Ursprung des Emmentalers»
Doch wie war er denn nun, der Käse, der in Kiesen hergestellt worden war? «Es handelte sich um einen Hartkäse, der Ähnlichkeiten mit dem Emmentaler oder dem Gruyère aufwies», erzählt Spring. Mit dem Käse, wie er heute erhältlich ist, sei jener aus dem Jahr 1815 schon nur daher nicht vergleichbar, «weil punkto Bakteriologie noch kaum Wissen vorhanden war». Auch die Lager- und Transportmöglichkeiten seien stark eingeschränkt gewesen und die Milchmengen – verglichen mit jenen im 21.Jahrhundert – relativ klein. Trotzdem weist Spring nicht ohne Stolz darauf hin: «Es war dieses kleine Küherhaus, in dem der weltberühmte Emmentaler Käse vermutlich seinen Ursprung hat.»
Erstellt:
05.04.2015
Geändert: 05.04.2015
Klicks heute:
Klicks total:
Bei BERN-OST gibt es weder Bezahlschranken noch Login-Pflicht - vor allem wegen der Trägerschaft durch die Genossenschaft EvK. Falls Sie uns gerne mit einem kleinen Betrag unterstützen möchten, haben Sie die Möglichkeit, dies hier zu tun.