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Münsingen - Bio Schwand im Abwärtsstrudel

Quelle
Berner Zeitung BZ

Finanzielle Nöte, Streit mit Mietern, gescheiterte Projekte – die Bio Schwand AG kommt nicht vom Fleck. Nun legt sie sich auch noch mit dem Kanton Bern an.

Auf der Schwand ist noch offen, wohin der Weg führt. Sowohl personell als auch finanziell gibt es Baustellen. (Bild: Urs Baumann)
Präsident Heinz Iseli bleibt optimistisch. (Bild: Urs Baumann)

Ein Nachmittag an der Bioschule auf der Schwand bei Münsingen. Die Sonne scheint, der Unterricht findet draussen statt. Die Schülerinnen und Schüler sitzen im Schatten, lernen und diskutieren. Heinz Iseli spaziert über das Gelände, grüsst da und dort, er freut sich. «Es läuft etwas.» Iseli ist Präsident der Bio Schwand AG, ihr gehören weite Teile des Schwand-Areals. Es läuft etwas. Aber manches schief. Und einige laufen davon.

 

An der Generalversammlung Ende Juni verkündeten vier von sechs Mitgliedern des Verwaltungsrats ihren Rücktritt. Fragt man sie nach den Gründen, sagen alleungefähr das Gleiche. Sie hätten sich engagiert, aber kaum etwas erreichen können, die Unterstützung von aussen sei ausgeblieben, und es fehle ihnen die Zeit für dieses Amt.

 

Fragt man Iseli, so sagt er, dass es sich bei diesem Quartett halt um «Persönlichkeiten in Führungsgremien» handle, die «relativ viel um die Ohren» hätten. Aber die auch Kritik nicht gewohnt seien. Doch Kritik an der Bio Schwand schwingt seit dem Anfang mit.

 

2011 kaufte die Bio Schwand AG dem Kanton Bern zehn Gebäude der ehemaligen Landwirtschaftsschule Schwand ab. Ursprünglich wollte sie ein Zentrum für biologischen Landbau einrichten, aber daraus wurde bis jetzt nichts. Sie betreibt ein Restaurant, bietet Hotelzimmer und Tagungsräume an. Den grössten Teil der Räume vermietet sie weiter, an die Bioschule, an den Kanton, an Firmen und Private.

 

Nun besteht der Verwaltungsrat noch aus Heinz Marti und natürlich Iseli. Es laufe nun die Suche nach neuen Mitgliedern.

 

Problem mit der Liquidität

Bei der Bio Schwand läuft noch eine zweite, weit wichtigere Suche. Jene nach Geld. Denn die Firma befindet sich in grossen finanziellen Schwierigkeiten. Das geht aus mehreren Schreiben hervor, die dieser Zeitung vorliegen. Die Lage, die Iseli im Einladungsbrief und im Protokoll zur Generalversammlung schilderte, ist ernst. Sowohl die Rechnung 2018 wie auch das Budget 2019 weisen rote Zahlen aus. Und vor allem sei die Firma nicht mehr genügend liquid.

 

Das Protokoll stammt vom 21. Juli. Darin heisst es: Falls bis Ende Juli die Liquidität gesichert sei, gehe es «weiter wie bisher». Falls nicht, werde eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen und ein Nachlassverfahren eingeleitet.

 

Die Hoffnungen ruhen nun auf Schuldbriefen, die als Sicherung von Hypotheken dienen. «Die Firma hat zurzeit 300 000 Franken gesicherte Schuldbriefe im fünften Rang offen und sucht Darlehensgeber», heisst es. Dafür stehe Iseli mit Banken und Persönlichkeiten in Verhandlung. Und: «Alle Aktionäre werden aufgerufen, Werbung dafür zu machen.»

 

Der Juli ist längst vorbei. Eine ausserordentliche Versammlung wurde bisher nicht einberufen. Iseli sagt, dass eine Lösung sicher zustande kommen werde. «Wir werden diese Schuldbriefe deponieren können. Dann sind wir wieder liquider.»

 

Kosten für die neue Heizung

Der aktuelle Liquiditätsengpass ist die Folge eines Streits mit den Mietern wegen der Nebenkostenabrechnungen. Vor zwei Jahren wurde auf der Schwand die alte Ölheizung durch eine Heizzentrale mit einer Holzfeuerung ersetzt. Dafür taten sich die drei Grundeigentümer des Areals – Bio Schwand, Sigis Biohof und Therapiehof – zusammen und schlossen mit der BKW AEK Contracting AG einen Wärmeliefervertrag ab. Diese Firma plante, betreibt die Heizzentrale und finanzierte sie vor. Sie kostete wohl gegen 2 Millionen Franken.

 

Somit stiegen auch die Kosten für die Mieter. «Insbesondere die inbegriffenen Service- und Finanzkosten, die uns jährlich mit 165 000 Franken belastet werden», schrieb die Bio Schwand an die Mieter, würden die Nebenkosten «für alle Parteien erhöhen». Doch die Mieterschaft oder ein Teil davon wollte das nicht akzeptieren. «An mich sind besorgte Mieter herangetreten», sagt Hans Siegenthaler von Sigis Biohof. «Sie fühlen sich betrogen.» Für ihn ist klar: «Es handelt sich um reine Unterhaltskosten, die den Mietern nicht belastet werden dürfen.»

 

Hinzu komme: In der Abrechnung werden die Heizkosten gewichtet – je nach Beanspruchung, heisst es. Manche Mieter zahlen einen Faktor 1,5 für ihre jeweilige Fläche, andere 1,0 oder 0,6. Nur, das System hinter dem Verteilschlüssel begreife niemand, sagt Siegenthaler. Auffallend sei aber, dass die Bio Schwand für die eigenen Räume meistens einen tieferen Faktor verwende.

 

Die Folge ist, dass die Mieter die Nebenkosten für die Jahre 2017 und 2018 bis heute nicht bezahlt haben.

 

Kritik des Kantons Bern

Besonders stark von den höheren Heizkosten betroffen ist der Kanton Bern. Er bezahlt für mehrere eingemietete Amtsstellen 365 000 Franken pro Jahr. Nun hat das Amt für Gebäude und Grundstücke interveniert. Auf Anfrage nimmt Baudirektor Christoph Neuhaus (SVP) schriftlich Stellung.

 

Aus dem neuen Vertrag resultiere «leider eine erhebliche Erhöhung der Nebenkosten», und zwar nahezu eine Verdopplung. Das bedeute eine wesentliche Änderung des Abrechnungssystems und des Mietzinses. «Wir erachten die angekündigten einseitigen Vertragsänderungen als missbräuchlich und wehren uns dagegen.» Das Verfahren sei eben erst angelaufen. Vergangene Woche fanden erste Verhandlungen statt.

 

Für Heinz Iseli ist klar, dass man nicht nur die Kosten für den Verbrauch, sondern auch für die Investition in die neue Heizung auf die Mieter abwälzen könne. «Die Frage ist, wie hoch dieser Anteil ist.» Dabei betont er, dass die Bio Schwand beim Kauf der Gebäude vom Kanton auch eine abgeschriebene Heizung übernommen habe. Das müsse man berücksichtigen. «Wir werden uns irgendwo treffen», sagt Iseli. Und wenn dieses Problem gelöst sei, werde auch das Problem mit der Liquidität gelöst.

 

Ohne gläserne Manufaktur

Für einen Aufschwung hätte nun dieses Jahr die sogenannte gläserne Manufaktur sorgen können. Dieses Projekt machte beim Start den ganzen Sinn und Zweck der Firma aus, wurde bisher nicht umgesetzt. Nun nahm die Bio Schwand nochmals einen Anlauf. Das Ziel war es, vom Bund als «Projekt zur regionalen Entwicklung» aufgenommen zu werden und damit an Bundesgelder zu kommen. Dafür aber wäre die Beteilung der Landwirtschaft zwingend gewesen.

 

Mitte Mai lud die Bio Schwand unter der Führung des damaligen Verwaltungsrats Rafael Enzler Biobauern auf die Schwand. Auch die Organisation der Bärner Bio Bure machte mit und schickte Vizepräsident Peter von Gunten hin. «Das Projekt ist gut, man muss mal anfangen», sagte er. Klar sei aber auch, dass ein Oberländer Bauer nicht nach Münsingen kommen werde, um seinen Käse herzustellen.

 

Es kamen dann nicht mal viele Bauern aus der näheren Umgebung. «Das Echo ist extrem mager», sagte eine Anwesende. Und so kam es, wie es kommen musste. Die Bio Schwand beerdigte das Projekt, und Enzler trat zusammen mit den anderen Verwaltungsräten zurück. «Wenn man sieht, dass es einfach nicht funktioniert, muss man es wohl sein lassen», sagt er jetzt.

 

Für Iseli hingegen ist die «Manufaktur» noch nicht gestorben. Hoffnungen setzt er in die «Berner Bio Offensive 2020», die den Biolandbau fördern will. Überhaupt sieht er viel Positives. Dass es die Bioschule hier überhaupt gebe, sei nur der Bio Schwand zu verdanken. Die Umsätze im Restaurant würden steigen, es sei hundertprozentig bio, das gebe es nur hier. «Es läuft.»

 

[i] Korrigendum - Firmen nicht von den Problemen betroffen

Dieser Artikel enthielt ursprünglich ein Bild, das die Logos der Firmen Treuhand+Beratung Schwand sowie Agrisano zeigt. Das Bild konnte deshalb den Eindruck erwecken, dass die beiden Firmen auch von den Problemen betroffen sind. Das ist allerdings nicht der Fall.

 

[i] Capaul und Bio Schwand

Zu den Aktionären der Bio Schwand AG gehört Armin Capaul, Biobauer aus dem Berner Jura und Initiant der Hornkuhinitiative. Capaul nimmt an den Nationalratswahlen vom kommenden 20. Oktober mit einer eigenen Liste teil. Darauf figurieren auch vier Personen, die eine Verbindung zur Bio Schwand aufweisen. Neben Geschäftsführerin Sabine Vogt und Verwaltungsrat Heinz Marti sind die zurückgetretenen Verwaltungsräte Nadine Bucher und Michael Fleischhacker dabei. «Sie kandidieren, weil sie mich unterstützen, und nicht, weil sie gewählt werden wollen», sagt Capaul. Näher will er sich zu seiner Kandidatur am Donnerstag äussern.

 

Was die Bio Schwand anbelangt, so führt Aktionär Capaul die finanziellen Probleme auf die Sache mit der neuen Heizung zurück. Ansonsten sieht er durchaus einen Lichtblick: Siegenthalers vom Biohof lassen seinen Kühen jetzt Hörner wachsen. Mit der Bio Schwand direkt hat das zwar nichts zu tun, doch das spielt für Armin Capaul keine Rolle. «Gegen aussen gibt das ein gutes Bild ab, nur das ist wichtig.» (rei)

 

[i] Kein Rückhalt bei Biobauern

Die Probleme der Bio Schwand AG zeigen auch: Sie ist in der Szene schlecht verankert. Das Image ist angekratzt. Das wurde auch an der Hauptversammlung deutlich: Aktionäre seien frustriert, weil sich die Bio Schwand seit sieben Jahren mit den gleichen Fragen beschäftige. Die vier Verwaltungsräte seien auch deshalb zurückgetreten, weil die Landwirtschaft «keine Begeisterung für unser Zukunftsprojekt» zeige.

 

Die Organisation Bio Suisse gab beim Start Darlehen von 400 000 Franken und kaufte Aktien für 100 000 Franken – trotz Widerstand in den eigenen Reihen. Das Engagement werde sicher nicht ausgeweitet, sagt Sprecher Lukas Inderfurth. Als Retter kommt Bio Suisse nicht infrage.

 

Und der Verein Bärner Bio Bure? «Wir fühlen uns ideell mit der Bio Schwand verbunden», sagt Präsidentin Kathrin Schneider. Deshalb fänden die Versammlungen auf der Schwand statt. Die neue Geschäftsführerin Sabine Vogt sorge für viel Herzlichkeit und Gastfreundschaft, das sei positiv. Aber klar sei auch, dass die Bärner Bio Bure nicht einseitig Geld auf der Schwand investieren könnten. «Wir haben auch gar keines.» Das Aktienkapital von 20 000 hat der Verein abgeschrieben.

 

Schneider betrachtet die Entwicklung der Bio Schwand kritisch. Es herrsche grosse Verunsicherung. Dauernd fehle Geld. Schade sei, dass auf dem Areal keine gute Stimmung herrsche. Hingegen laufe die Bioschule super, und sie arbeite gut mit Sigis Biohof zusammen. Die Gefahr bestehe, dass alles vermischt werde, dass die Nachbarn unter dem schlechten Ruf litten. «Es ist traurig, dass es nicht vorwärtsgeht.» (rei)


Autor:in
Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 10.09.2019
Geändert: 11.09.2019
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