- Wirtschaft
Münsingen - Mann der Messer
Ein Messer mache einen Jungen zum Mann, sagt Mike Graf. Er selbst macht Stahl zu Messern. Auch nach 25 Jahren ist seine Leidenschaft nicht abgestumpft.
In der Werkstatt von Messerschmied Mike Graf sieht es aus wie, nun ja, in einem Coiffeursalon. Zumindest an der einen Wand. Vor einem Spiegel ist ein verstellbarer Stuhl platziert, ein paar Tuben liegen da, nur die Coiffeuse fehlt für einen Haarschnitt. Graf geht es allerdings nicht ums Waschen, Legen, Schneiden, Föhnen – er hat es auf die Barthaare abgesehen.
«Rasiermesser erleben gerade eine Renaissance», sagt der 48-Jährige. Die Nachfrage sei so gross, dass er mit der Produktion nicht nachkomme. Vor allem als Konfirmationsgeschenk seien die Messer beliebt. Zwischen 600 und 1800 Franken kosten die Einzelstücke je nach Material und Verzierung.
Neue Werkstatt bezogen
Überhaupt, sagt Graf, sei die Nachfrage nach handgefertigten Messern in den letzten Jahren stetig gestiegen – und vor etwa 7 Jahren geradezu explodiert. Wer bei ihm ein Messer bestelle, müsse 2 Jahre warten. Doch jetzt ist er fest entschlossen, die Warteliste zu verkürzen. Deshalb hat Graf die grösste Veränderung seit der Gründung seines Geschäfts vor 25 Jahren vorgenommen.
Den bisherigen Standort an der Schulhausgasse hat er aufgegeben und den Schleifservice einem jungen Nachfolger übergeben. Er ist ein paar Meter weiter um die Ecke in eine Werkstatt gezügelt. Hier hat er sich nun voll der Herstellung von Messern verschrieben. Zudem bietet der Münsinger Schmiedekurse für Gruppen an und etwa viermal im Jahr ein Rasierseminar.
Vom Jungen zum Mann
Mike Graf ist in Münsingen aufgewachsen und war 7 Jahre alt, als er von seinen Eltern ein Pfadimesser geschenkt bekam. Dies sei die Initialzündung für seine Leidenschaft geworden. «In einem solchen Moment wird ein Junge zum Mann.»
Bald absolvierte er bei Messerschmied Hans Hulliger, der von Münsingen nach Bern gezügelt war, einen Schnupperkurs. Schon als Siebtklässler verbrachte er die Mittwochnachmittage in dessen Schmiede als Handlanger. Bei Hulliger absolvierte er schliesslich auch die vierjährige Lehre als Messerschmied. Im Alter von 22 Jahren machte sich Graf in Münsingen selbstständig.
Ein bis drei Tage Arbeit
Es dauert keine Minute, bis sich der kleine Gasofen in der Werkstatt auf knapp tausend Grad erhitzt hat. Graf schiebt eine Stange Stahl in die glühende Kugel, bald leuchtet das Metall rot und orange. Dann legt er das Stück auf den Amboss, bearbeitet es mit einem Hammer. Das rhythmische Schlagen übertönt selbst AC/DCs «Highway to Hell», das aus dem Radio dröhnt.
Dies ist nur der erste Schritt in einem langen Herstellungsprozess bis zum fertigen Küchen-, Steak-, Jagd-, Sack- oder Rasiermesser. Am Ende muss ein Messer nicht nur stahlhart sein, sondern auch über eine gewisse Elastizität verfügen.
Je nach Komplexität des Stücks arbeitet Graf zwischen einem und drei Tagen an einem Messer. Für die Griffe verwendet er einheimische Hölzer wie Nussbaum, Birne, Kirsche oder Zwetschge. Oder aber exklusivere Materialien wie etwa Büffelhorn, Perlmutt oder Tiefseeschnecken.
Am meisten gefragt aber sei Mammutstosszahn. «Wegen der Klimaerwärmung werden in Nordamerika pro Woche etwa zwei Mammuts entdeckt», sagt Graf. Jedes zweite seiner Messer habe einen Griff aus dem 35 000 Jahre alten Material.
Das hat seinen Preis. Ein Küchenmesser mit Mammutgriff und Damastklinge kostet etwa 2500 Franken – Damaszener Stahl entsteht durch die Vermischung mehrerer Sorten und ist an der besonderen Musterung erkennbar. Es geht aber auch günstiger – und einiges teurer.
Kunden in der ganzen Welt
«Messer sind für mich ein Werkzeug und keine Waffe», sagt Mike Graf. Er habe noch nie einen Kunden gehabt, dem er ein Messer mit einem schlechten Gefühl verkauft habe. «Denn wer ein Springmesser sucht, kauft es nicht bei mir, sondern findet es günstig im Internet.»
Seine Kunden hingegen sind Profis wie Köche oder Metzger. Oder Leute, die sich oder anderen ein besonderes Geschenk machen wollen. Sie kommen aus der ganzen Welt. Der Münsinger Schmied ist denn auch regelmässig an internationalen Messen anzutreffen. Die bekannteste findet jeweils in Abu Dhabi statt.
Erstellt:
15.03.2017
Geändert: 15.03.2017
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