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Münsingen machts vor: Real und Sek werden abgeschafft

Ab nächstem Jahr wird bei Schülerinnen und Schülern der 7. Klasse nicht mehr nach Real oder Sek unterschieden. Alle gehen zusammen zur Schule, gleichzeitig werden die Sonderklassen für schlechtere Schüler abgeschafft. Kann das gut gehen?

Gemeinderat Urs Baumann: «Die Spanne zwischen den Niveaus der Kinder ist gross und damit eine Herausforderung.» (Foto: zvg/Archiv BERN-OST)

Die Gemeinde hat im letzten Münsinger-Info über den Schritt informiert. Vor einiger Zeit hatte Münsingen seine neue Bildungsstrategie vorgestellt. Diese sieht vor, dass die 7. bis 9. Klassen im Modell 4 geführt werden, was ab nächstem Sommer umgesetzt wird. Die Klassen sollen «niveaugemischt» sowie «integrativer» werden. Damit soll «soziales Lernen» gefördert werden. Was dies konkret heisst, wollten wir vom zuständigen Gemeinderat Urs Baumann (SVP) wissen.

 

BERN-OST: Urs Baumann, was muss man sich unter dem Integrativen Schulsystem vorstellen?

Urs Baumann: Es bedeutet, dass die Bestrebung der Schule ist, möglichst viele Kinder überhaupt in der Schule zu integrieren. Weiter sollen die Kinder auch innerhalb der Schule nicht in separative Gruppen eingeteilt werden, also beispielsweise nicht in Leistungsgruppen.

 

Neu gibt es niveaugemischte Klassen Real und Sek, warum legt man diese zusammen?

Es gibt verschiedene Gründe: Die Kinder haben mehr Gelegenheit zu sozialem Lernen in heterogenen Gruppen. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass der Lernerfolg der Kinder mindestens gleich gross ist, wenn sie in heterogenen Gruppen sind, bei einigen noch grösser. Die Kinder mit belasteter Vergangenheit, die bisher eher gehäuft in Realklassen beisammen waren, sind dann auf mehr Klassen verteilt. Sie haben so mehr Vorbilder, denen sie nacheifern können.

 

Ist die Spanne von unterstem Niveau Real zu höchstem Niveau Sek nicht zu gross?

Verschiedene Schulen arbeiten bereits mit diesem Modell 4. Die Spanne zwischen den Niveaus der Kinder ist gross und damit eine Herausforderung. Bisher ist es an diesen Schulen gut gelungen, damit zu arbeiten. Häufig können sich die Kinder auch gegenseitig unterstützen, was jeweils allen weiterhilft.

 

Die schwächeren Schülerinnen und Schüler wurden bisher in Sonderklassen unterrichtet, fallen diese komplett weg?

Die Bildungsstrategie der Gemeinde Münsingen sieht vor, dass die Klassen für besondere Förderung (KbF) und die Einführungsklassen aufgehoben werden.

 

Was bedeutet dies für die Schule, wenn es keine Sonderklassen mehr gibt?

Die Schülerinnen und Schüler der bisherigen Klassen für besondere Förderung werden in die Regelklassen integriert. Gleichzeitig können die Lektionen, die nicht mehr für die KbF verwendet werden, unter anderem für die Betreuung dieser integrierten Schülerinnen und Schüler verwendet werden. Das bedeutet, dass sich im Idealfall ein Heilpädagoge zusammen mit einer anderen Lehrperson um die Klasse kümmern kann. Weiter fällt die Stigmatisierung durch den Status in einer Klasse für besondere Förderung weg.

 

Für Kinder, die zwischenzeitlich Mühe haben, in den Regelklassen zu lernen, ist die Volksschule Münsingen momentan daran, Lerninseln bereitzustellen. Wie diese genau aussehen, ist noch nicht klar. Sie sollen unter anderem dazu dienen, den betreffenden Schülerinnen und Schülern in einer beschränkten Zeit zu helfen, wieder am normalen Unterricht in der Regelklasse teilzunehmen.

 

Besteht nicht die Gefahr, dass die schlechteren Schüler die gesamte Klasse hemmen?

Durch Lernsettings, die Schülerinnen und Schülern auf verschiedenen Niveaus Lerngelegenheiten anbieten, wird diese Gefahr kleiner. Verhaltensauffällige Kinder können in allen Klassenzusammenstellungen, auch in separierten, Klassen hemmen. Durch die erhoffte bessere Eingliederung solcher Kinder sinkt das Risiko, dass sie eine Klasse hemmen.

 

Was sagen Sie zur Kritik: Vor allem die schlechteren Schüler werden gefördert, die durchschnittlichen und besseren nicht.

Teilweise gleiche Antwort wie bei der 2. Frage: Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass der Lernerfolg der Kinder mindestens gleich gross ist, wenn sie in heterogenen Gruppen sind, bei einigen noch grösser. Es ist auch Aufgabe der Lehrpersonen bzw. der Lernsettings, dass jeweils auch für die leistungsstarken Schülerinnen und Schüler herausfordernde Aufgaben bereitstehen.

 

Münsingen beginnt ab nächstem Sommer mit der 7. Klasse, ist dies ein Versuch? Das heisst, wenn es läuft, werden die übrigen Klassen migriert?

Die Bildungsstrategie der Gemeinde Münsingen sieht vor, dass die Klassen im Modell 4 geführt werden. Es ist also kein Versuch. Die 7. Klassen werden dann im Modell 4 bleiben, die Klassen, die noch nach dem vorherigen Modell eingeteilt waren, werden bis in die 9. Klasse so bleiben.

 

[i] Das Interview wurde per Mail geführt. 


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 24.05.2024
Geändert: 24.05.2024
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