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Neue Veloroute sorgt für Ärger: Bauern wehren sich gegen Streckenführung
Der Kanton Bern plant eine neue Veloroute durchs Worblental – doch der Entscheid sorgt für Ärger. Statt den bestehenden Radweg zu nutzen, soll eine neue Strecke quer über Kulturland führen. Bauern fürchten den Verlust wertvollen Ackerbodens und warnen vor Konflikten mit Velofahrern.
Die neue Veloroute, die durchs Worblental führen soll, würde viel Landwirtschaftsland betreffen. Letztes Jahr hat der Kanton Bern drei mögliche Varianten für einen Veloweg in die Mitwirkung gegeben. Bei der Mitwirkung haben viele Leute aus der Region, die Gemeinden sowie weitere Betroffene mitgemacht und konnten ihre Meinung zum Radweg äussern.
Bereits bestehender Veloweg
Nach Auswertung des Mitwirkungsverfahren entschied die kantonale Tiefbaudirektion, dass der neue Veloweg über die Variante «Mitte» verlaufen soll. Bereits heute gibt es jedoch einen bestehenden Veloweg, der Deisswil mit Worb verbindet. Der bestehende Radweg biegt (Fahrtrichtung Worb) kurz vor dem Bahnhof Stettlen Richtung Dentenberg ab, steigt an und führt danach am Fusse des Dentenbergs via Nesselbank Richtung Worbboden.
Ein grosser Teil dieser Strecke ist bereits geteert, der Weg führt abseits der Strasse, es hat kaum Verkehr. Diese Route wird seit Jahren von vielen Pendlerinnen und Pendlern rege genutzt, die meisten mit E-Bikes.
Neue Route führt übers Feld
Der Kanton hat sich bei seiner Wahl nicht für den bestehenden Radweg entschieden, sondern für eine Route, welche unten durchs Tal verläuft. Ein Veloweg ohne Steigung, ohne Autos, quer übers Feld. Statt vor dem Bahnhof Stettlen abzubiegen, verliefe die neue Variante neben dem Bahnhof durch und würde danach übers Kulturland führen. Das Land neben dem Bahnhof Stettlen gehört dem Bauer Peter Baumgartner, er sagt: «Da ginge eine halbe Hektar Land verloren. Um die Felder zu bewirtschaften, müsste man mit Traktor über den Radweg fahren. Die Radfahrer hätten daran wohl keine Freude.»
Bauern wehren sich
Richtung Boll müsste für den neuen Radweg weiteres Kulturland geopfert werden. Einer der betroffenen Landwirte ist Bendicht Grunder von der Nesselbank. Auch er schüttelt den Kopf über den Entscheid des Kantons. «Dieser Veloweg ‘Mitte’ macht keinen Sinn, weil zu viele Interessen aufeinanderprallen», sagt Grunder.
Der jetzige Weg übers Feld ist ein Flurweg, der von Fussgängerinnen und Spaziergängern mit Hunden begangen wird. Wenn hier nun ein 3-Meter breiter Radweg geteert wird, so sorge dies für Konfliktpotenzial. «Damit würden die Fussgänger verdrängt. Sie werden dann am Bach entlang gehen. Dort werden wiederum Wasservögel beim Brüten gestört.»
Konflikte vorprogrammiert
Zudem werde es eng, wenn er sein Feld mit dem Traktor bewirtschaften müsse. Bisher nutzten die Bauern den Flurweg, um zu ihren Feldern zu gelangen. Man stelle sich vor, wie der Radweg aussieht, wenn nach feuchtem Wetter ein Traktor mit Bschütti-Anhänger dort drüberfährt. Daneben Velofahrer, die zügig pendeln wollen und mit bis zu 45 Stundenkilometern über die Strecke rasen.
Ob das gut kommt? Die angesprochenen Bauern zucken mit den Schultern. Manche Velofahrer zeigten schon heute wenig Verständnis, wenn sie mal drei bis fünf Minuten warten müssen, weil ein Bauer seine Kühe über die Strasse auf die Weide treibt. Beide Landwirte wollen diesen Landverlust nicht hinnehmen.
Für das Land, welches sie abtreten müssen, erhalten sie vom Kanton einmalig einen Betrag um die sechs Franken pro Quadratmeter vergütet. Doch laut Grunder geht es nicht um den Betrag, sondern um die vorprogrammierten Konflikte. Zudem redeten heute alle von Umweltschutz und Klimaerwärmung und dann entscheidet sich der Kanton für eine solche Lösung?
Landschaft geschützt
Kommt dazu, die Variante «Mitte» führt laut Grunder durch ein Landschaftsschutzgebiet, ein geteerter Veloweg wäre darin ein neues Element. «Es geht um die letzten Freiflächen, einmal zugebaut, kann man das nie mehr der Natur zuführen», sagt Grunder. Wenn ein Veloweg direkt übers Ackerland führe, so werde das «gesamte Moos zum Aussenspielplatz», befürchtet Grunder. Mehr Leute würden kommen und diesen Bereich als ein Naherholungsgebiet betrachten.
Jung und Alt sollen die Route nutzen
In der öffentlichen Mitwirkung erhielt die Variante «Süd» am meisten Stimmen. 43 Prozent wählten den bereits bestehenden Radweg entlang des Dentenbergs an erster Stelle. Warum sich der Kanton gleichwohl für die Variante «Mitte» entschieden hat, erklärt das Tiefbauamt auf Anfrage von BERN-OST: «Bei der Variante «Süd» stellten die Teilnehmenden der Mitwirkung insbesondere infrage, ob diese wegen der grösseren Distanz zu den Siedlungsgebieten in Vechigen und dem hügeligen Gelände als Veloroute für den Alltagsverkehr für Alt und Jung auch ohne Elektroantrieb geeignet ist.»
Weniger langer Umweg
Beim Kanton ist für die Routenführung nicht das Kulturland ausschlaggebend, sondern, dass möglichst viele Leute den neuen Veloweg benutzen. Die bereits bestehende Route «Süd» führt für die Velofahrerinnen und -fahrer aus Boll zu einem Umweg, weshalb diese die Hauptstrasse benutzen. Weiter gegen die Variante «Süd», sprach aus Sicht des Kantons die Steigung, welche zwischen dem Worbleübergang an der Bahnhofstrasse Stettlen und der Nesselbank zu überwinden ist.
Der Kanton schreibt in seiner Antwort: «Die Steigung ist einer von mehreren Nachteilen der Linienführung «Süd». Die kantonale Alltagsveloroute muss als Grundangebot insbesondere auch denjenigen Velofahrenden ein geeignetes Angebot bieten, die über kein Velo mit Hilfsmotor verfügen und vielleicht gerade deshalb heute auf Velofahrten im Worblental verzichten. Die Alltagsveloroute dient zudem nicht nur Pendlerinnen und Pendlern, sondern allen von Jung bis Alt, ob mit oder ohne Elektromotor.»
Konfliktpotenzial erkannt
Zu den von den Bauern angesprochenen möglichen Konflikten mit Fussgängern und Velofahrerinnen entgegnet das Tiefbauamt: «Das Konfliktpotential – unabhängig von der Variantenwahl - ist erkannt und wird ernst genommen. Im Rahmen der Bauprojektierung sollen geeignete Massnahmen aufgezeigt werden, die das rücksichtsvolle Verhalten der unterschiedlichen Nutzergruppen unterstützen helfen.»
Schwieriger Entscheid
Die Wahl der richtigen Veloroute durchs Worblental war bestimmt kein einfacher Entscheid. Wählt man die bestehende Route «Süd», entscheidet man sich für einen Veloweg mit Steigung, der jedoch bereits zum grössten Teil besteht. Weiter schliesst man mit dieser Route die Bevölkerung von Boll weitgehend von der Benützung aus.
Entscheidet man sich für die Route «Mitte», geht Ackerland verloren, welches geteert werden muss. Zudem fragt es sich, wie sehr sich Velofahrer, Spaziergängerinnen und Bauern auf dem 3-Meter breiten Radweg in die Quere kommen. Auf dem Papier mag dies funktionieren, in der Praxis könnte dies laut den Bauern zur einen oder anderen gehässigen Auseinandersetzung führen. Dafür erhält die Bevölkerung von Boll und Utzigen via Moosgasse Zugang zum Veloweg. Fraglich ist hingegen, ob die Variante «Mitte» von den E-Bike-Fahrerinnen genutzt würde, die von Worb Richtung Bern fahren. Für diese Velofahrer führte die Abzweigung bei der Nesselbank runter ins Tal ebenfalls zu einem Umweg.
Route «Nord» aus dem Rennen
Bisher nicht erwähnt wurde die dritte Variante, die Route «Nord», welche einerseits auf der Route «Mitte» basiert hätte, danach aber nochmals 400 Meter Ackerland durchquert hätte. Diese Veloroute scheint aus dem Rennen zu sein.
Weiteres Vorgehen
Wie das Tiefbauamt Mitte Februar mitteilte, beginnt jetzt die Detailplanung und Projektierung für den Bau des neuen Velowegs. Frühestens im Jahr 2027 soll die neue Veloroute gebaut werden, so der Kanton.
[i] Interessenbindung des Autors: Der Autor ist regelmässig auf der bestehenden Strecke unterwegs – sowohl mit dem E-Bike oder Rennrad auf der Veloroute «Süd» - wie auch zu Fuss auf dem Flurweg.
Erstellt:
13.03.2025
Geändert: 13.03.2025
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