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Oberdiessbach - Komitee kämpft gegen Tempo 30
Ein Komitee aus Oberdiessbach wehrt sich gegen Tempo 30 in ihrer Gemeinde. Es will, dass das Stimmvolk über Tempo 30 abstimmt. Das könnte schwierig werden.
«Es wird mit einer Salamitaktik auf bestimmten Strassen das Tempo reduziert», sagt Markus Hirschi. Er ist Mitglied des Komitees gegen Tempo 30. «Es werden Strassen verengt, man will den Leuten den Verkehr zum Verleiden machen. Das akzeptieren wir nicht.» Deshalb hat Hirschi mit vielen weiteren Personen ein Komitee gegen Tempo 30 gegründet.
Keine Partei dahinter
Markus Hirschi ist ein Unternehmer aus Oberdiessbach. Er war selbst 17 Jahre Mitglied der Baukommission und präsidierte die FDP Oberdiessbach während Jahren. Aber es gehe nicht um eine Parteizugehörigkeit, so Hirschi. Das Komitee habe mit keiner Partei etwas zu tun. Dahinter stehen rund 40 Personen, Private und Unternehmer.
«Wir wollen nicht, dass Tempo 30 durch die Hintertür eingeführt wird.» Das Komitee liess am Montag ein Flugblatt an alle Haushalte von Oberdiessbach verteilen mit der Forderung: «Nein zum flächendeckenden Tempo 30 in der ganzen Gemeinde und auf der Hauptstrasse/Kantonsstrasse.»
74 Prozent gegen Tempo 30
Tempo 30 ist in Oberdiessbach ein heisses Eisen. Im März vor zehn Jahren lehnte die Gemeindeversammlung die Einführung von Tempo 30 wuchtig ab. Mit 235 Nein- gegen 82 Ja-Stimmen (74 % zu 26 %) war das Stimmverhältnis deutlich. Es war ein Nein gegen Tempo 30 auf den Gemeindestrassen. Das heisst, danach war Tempo 30 in den Quartieren von Oberdiessbach vom Tisch.
Tempo 30 durch die Hintertür
Zehn Jahre sind seit dieser Abstimmung vergangen. Markus Hirschi sagt, dass der Gemeinderat jetzt versuche, Tempo 30 durch die Hintertür einzuführen. «Auf der Schlossstrasse wurde im Rahmen einer Baustelle Tempo 30 signalisiert. Dies wurde erst nach einer Intervention wieder aufgehoben. Dasselbe bei der Haubenstrasse. Dort hat die Gemeinde wegen einer Baustelle Tempo 30 eingeführt. Ich finde das alles andere als korrekt.»
Tempo 30 auf der Hauptstrasse
In den nächsten Jahren sollen die Burgdorf- und Thunstrasse, welche durchs Dorf führen, saniert werden. Da es sich bei der Ortsdurchfahrt um eine Kantonsstrasse handelt, leitet das Tiefbauamt des Kantons Bern die Sanierung. Geplant ist auch hier: Tempo 30. Hirschi war zu einer ersten Orientierung von Gemeinde und Kanton eingeladen. «Auf der Hauptstrasse passieren sehr wenig Unfälle, da diese übersichtlich ist. Messungen des Kantons ergaben, dass 85 Prozent zwischen 35 und 45 fahren», so Hirschi. Die Sicherheit sei kein Thema. Dennoch will der Kanton Tempo 30 einführen.
«Jetzt sagt man, dass die Hauptstrasse die Lärmvorschriften erfüllen muss. Tempo 30 und ein Flüsterbelag müssten das Problem lösen.» Zusätzlich will der Kanton die Strasse von heute sechs Meter auf fünf Meter siebzig verengen. Es sollen Bäume gepflanzt und Einfahrten verengt werden. Bei Hirschi kommen diese Massnahmen nicht gut an: «Wir sind ein Bauerndorf, da fahren Bauern mit Traktoren und Anhängern durchs Dorf. Die können danach kaum mehr um die Ecken fahren. Das bringt die Volksseele zum Kochen.»
Gemeinde soll bei Kanton vorsprechen
Damit die Volksseele nicht zu kochen beginnt, fordert das Komitee Stopp-Tempo-30, dass das Volk über Tempo 30 auf der Kantonsstrasse und dem Gemeindegebiet abstimmen kann. «Wenn der Widerstand gross ist, müsste sich der Gemeinderat in dem Sinn beim Kanton äussern. Die Verwaltung des Kantons müsste einsehen, dass Tempo 30 bei uns nicht akzeptiert wird.» Sollte sich jedoch das Stimmvolk für Tempo 30 aussprechen, müsste das Komitee dies akzeptieren.
«Das weise ich zurück»
Auch Gemeindepräsidentin Bettina Gerber hat am Montag das Flugblatt erhalten. Zu den Vorwürfen, dass der Gemeinderat Tempo 30 Schritt für Schritt einführe, sagt sie: «Das weise ich zurück. Auf der Haubenstrasse haben wir das Tempo aus Sicherheitsgründen wegen einer Baustelle reduziert. Bei der Schlossstrasse sieht es gleich aus. Dort gilt eine Temporeduktion so lange gebaut wird.» Die Gemeindepräsidentin merkt weiter an, dass auf der «Haube» über 1000 Personen wohnen. Viele Kinder benutzten die Haubenstrasse als Schulweg, darum sei die Sicherheit wichtig.
14'000 Autos pro Tag
Zu Tempo 30 auf der Hauptstrasse sagt Gemeindepräsidentin Gerber: «Der Gemeinderat war deswegen in Bern, um zu sagen, dass wir das nicht wollen.» Von Seiten des Tiefbauamts hiess es, bei einer Sanierung gebe es Kriterien, wie vorgegangen werde. Diese müssten erfüllt werden. Der Kanton habe Messungen gemacht. Wenn diese einen bestimmten Lärmwert erreichten, seien sachliche Gründe für Tempo 30 gegeben.
Gerber weist darauf hin, dass die Ortsdurchfahrt eine «Buckelpiste» sei. «Da muss etwas gehen. Jeden Tag fahren 14'000 Fahrzeuge durch, der Verkehr wird nicht abnehmen. Es geht aber auch um Lebensqualität. Es wäre schade, wenn im Zentrum niemand mehr wohnt.»
Volk soll abstimmen
Das Kernanliegen des Stopp-Tempo-30-Komitees ist, dass das Volk über Tempo 30 abstimmen kann. Dazu sagt Gerber: «Ich bin nicht sicher, ob das möglich ist, weil der Kanton der Bauherr ist. Ich denke, dass dies eher über den Beschwerdeweg gemacht werden müsste.» Es ist also nicht klar, ob eine Abstimmung auf Gemeindeebene Tempo 30 verhindern könnte.
Volk kann mitreden
Bettina Gerber weist auf die nächsten Schritte hin. Es ist bereits eine Arbeitsgruppe gebildet worden, die die Vorarbeiten begleitet hat. Anfang November findet eine öffentliche Informationsveranstaltung zusammen mit dem Kanton statt. «Wir nehmen die Bevölkerung im Rahmen der Mitwirkung ernst, diese beginnt am 1. November. Alle haben die Möglichkeit, sich zur Sanierung zu äussern.»
[i] Auf dem Flugblatt kritisiert das Komitee auch die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe: «Die von der Gemeinde eingesetzte Arbeitsgruppe ist einseitig zusammengesetzt und nicht repräsentativ.» Diesen Vorwurf, dass die Gemeinde absichtlich Befürworter eingesetzt habe, weist Gemeindepräsidentin Bettina Gerber zurück. Die Arbeitsgruppe bestand aus Anwohnern, einem Vertreter der Schule, einem Mitglied der Kommission für Tiefbau und Betriebe, dem Ressortvorsteher Tiefbau, sowie dem Leiter Tiefbau.
Erstellt:
20.09.2023
Geändert: 21.09.2023
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