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Oberdiessbach - Vom rohen Fell zum fertigen Fellprodukt

Die Jagdsaison in der Schweiz ist zu Ende. Im Winter und im Frühjahr darf, auch in der Revierjagd, kein Wild geschossen werden. Im Herbst ist denn auch die Zeit, in welcher in vielen Gaststätten verschiedene Wildspezialitäten angeboten werd

Im Gespräch mit Bernhard Neuenschwander, Mitglied der Geschäftsleitung, erfahren wir als Erstes, dass es zwei Arten von Gerbereien gibt: Erstens die Ledergerberei: Verarbeitung der Haut ohne Haar oder Wolle, zum Beispiel Leder für Bekleidungs-, Möbel- und Autoindustrie. Zweitens die Gerberei-Zurichterei: Herstellung von Leder mit Haar respektive Wolle, wie es die Firma G. Neuenschwander Söhne AG seit vielen Jahren betreibt. Sie ist inzwischen die grösste Zurichterei in der Schweiz.
Welche Rohhäute werden verarbeitet?

Im Prinzip können alle Häute verarbeitet werden: Ziegen-, Reh- und Gämsfelle aber auch Felle von Kaninchen, Füchsen und Mardern. Hauptanteil bilden aber die Schaffelle. Aus den Fellen der Wildtiere wird teilweise Leder hergestellt - Putzleder (Reh), Lederhosen (Hirsch) und Leder für exklusive Kleidungsstücke (Gämse). Vor allem werden die Häute von schweizerischen Wildtieren aber zu Trophäen verarbeitet: Decken, Vorleger, Fuchskragen aber auch Fuchs- und Marderfelle für die Herstellung von Kleidungsstücken.

Einheimische Rohware

Die Rohware wird einerseits auf den jeweils im Februar stattfindenden Pelzmärkten und andererseits direkt von den Jägern eingekauft. Bernhard Neuenschwander: "Rehfelle werden selten verarbeitet, da sie meistens stark beschädigt sind. Häufig sind hingegen die Fuchsfelle. Wir kaufen übrigens bei der Wildware ausschliesslich Häute und Felle aus der Schweiz ein". Nach der Anlieferung wird die Rohware zur Konservierung gesalzen oder getrocknet und gelagert.

Die Gerbung

Anschliessend kommen die Häute in Fässer oder Haspeln zum Weichen, das heisst, Schmutz, lösliche Eiweissstoffe und Konservierungsmittel werden eliminiert. In der Entfleischmaschine werden Fleischteile entfernt, im nächsten Arbeitsgang, beim Pickeln und Fetten, werden die Felle auf die Gerbung vorbereitet. Besonders grosses Fingerspitzengefühl ist beim Verfeinern (Dünnschneiden) gefragt. Auf einer rotierenden Messerscheibe wird Schicht um Schicht der Haut abgetragen. Dieser Vorgang ist nötig, damit das Fell weich und geschmeidig bleibt. Im nachfolgenden Gerbvorgang werden die Fasern der Haut vernetzt und die Fäulnis-Entwicklung am Fell gestoppt. Dazu werden umweltfreundliche Gerbmittel wie Aluminiumsalze und nicht giftige Chromsalze verwendet. Nach nochmaligem Fetten der Felle, kommen sie in die Tröcknerei und werden anschliessend "ausgestossen", das heisst in die ursprüngliche Form gebracht. Das restliche Tierfett wird dann entzogen und durch Mineralfett "ersetzt". In grossen Trommeln, gefüllt mit „Sägemehl", erhalten die Haare wiederum ihren natürlichen Glanz. Schliesslich gelangen die fertigen Produkte in die Spedition, von wo sie an die Kunden verschickt werden.


Felllagerung (Bild: Markus Wehner)

Geschichte einer Traditionsfirma

Die Firma Neuenschwander wurde im Jahre 1862 durch Gottlieb Neuenschwander gegründet. Er hatte sich entschlossen, seinen erlernten Beruf als Rotgerber aufzugeben und seinen händlerischen Neigungen und Begabungen zu folgen. So besuchte er Wochen- und Jahrmärkte und kaufte, was ihm Metzger und Bauern anzubieten hatten. Seine wichtige Funktion als Mittler zwischen Anbietern und Nachfragern ermöglichte ihm, dem Verkäufer die verschiedenen Fellarten abzunehmen und dem Käufer die benötigten Arten in den gewünschten Qualitäten anzubieten. Dieses Grundprinzip des Handelns wurde in der Firma von Generation zu Generation hochgehalten und hat sich bis heute bewährt.

Schon die Söhne Gottliebs erkannten die Wichtigkeit der Beziehungen zum Ausland. So entsorgt die Firma Neuenschwander seit vielen Jahren Schlacht-nebenprodukte wie Häute, Schaffelle, Wildfelle, Ziegen- und Kaninfelle. Sie werden nach eingehender Prüfung auf Qualität und Verwendungsmöglichkeit in verschiedene Länder, vor allem Europa, verkauft.

Im Laufe der Zeit wurde die Vielseitigkeit des Schaffells entdeckt. Als grösster Fellverarbeitungsbetrieb der Schweiz verarbeitet die Firma Neuenschwander Lohnwarenaufträge und produziert vor allem Dekorations-, Wellness-, Medizinal- und Babyfelle. Neu werden auch Biofelle in der umweltfreundlichen Mimosagerbung auf pflanzlicher Gerbung hergestellt.

1955 wurde das Fellhaus in Sierre eröffnet; ein wichtiges Standbein der Unternehmung für die Entsorgung der Schlachtnebenprodukte im Gebiet des Wallis.
Der Verkaufsladen bietet ein reichhaltiges Angebot an Lederbekleidung, Accessoires und Fellartikel an. Die Unternehmung beschäftigt ca. 35 Mitarbeiter, verteilt auf die Standorte Oberdiessbach und Sierre.

www.neuenschwander.ch
www.oberdiessbach.ch

Autor:in
Markus Wehner, mwehner@bluewin.ch
Nachricht an die Redaktion
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Erstellt: 16.12.2005
Geändert: 16.12.2005
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