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Polizeichef Peter Berger: «In der Region ist immer wahnsinnig viel los»
Glaubt man den Nachrichten, scheint es, als wäre die Welt gefährlicher, die Menschheit gewalttätiger geworden. Wir wollten von Peter Berger, Chef des Polizeibezirks Konolfingen, wissen, wie er das in den fast 40 Jahren seines Berufslebens miterlebt hat. Er gibt uns Einblick in seinen Polizeialltag und erzählt, wie sich seine Arbeit verändert hat. Und was in der Region punkto Kriminalität läuft.
Als Polizist für einen Film wäre Peter Berger die ideale Besetzung: Gross, stattlich, mit sonorer Stimme und Schnauzer à la Tom Selleck in der legendären Krimiserie «Magnum». In seiner Uniform wirkt Berger respekteinflössend, aber die dunklen Augen blicken freundlich.
Respektsperson und Menschenfreund
Und beides passt: Als Polizist, sagt der 61-Jährige, helfe es, dass er als Respektsperson hinstehen könne. Vor allem aber müsse er Menschen mögen und gern mit ihnen zu tun haben. «Der Polizeiberuf hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert», sagt er. «Heute arbeiten wir viel weniger repressiv, sondern vielmehr präventiv, oft sogar ausgesprochen sozial und mit vielen Gesprächen.»
Verbrechen in der Region …
Wir wollten von ihm, der sich ursprünglich zum Bäcker/Konditor hatte ausbilden lassen, wissen, wie sein Alltag aussieht. Was sich denn sonst noch verändert hat – und ob in der Region eigentlich viele Verbrechen geschehen.
Herr Berger, erinnern Sie sich an Ihren ersten Einsatz?
Peter Berger: Nicht so sehr an den ersten Einsatz, dafür umso genauer an bestimmte Einsätze. Ich war beispielsweise Einsatzleiter, als 2018 in Linden ein Militärlastwagen mit 19 Rekruten kippte. Viele waren verletzt, zwei von ihnen schwer, sechs Ambulanzen und vier Rettungshelikopter waren im Einsatz – ein solches Erlebnis geht nicht spurlos an einem vorbei.
Welche Situationen waren für Sie am schwierigsten?
Dreimal war ich bei Tötungsdelikten als Erster vor Ort. Ebenso Verbrechen, bei denen Kinder betroffen sind, oder persönliche Schicksale, Ausschaffungen beispielsweise, oder wenn wir jemanden nach einem Suizidversuch retten konnten – das macht etwas mit einem, diese Einsätze bleiben mir noch nach all den Dienstjahren genau in Erinnerung.
Wie gingen Sie damit um?
Die «Familie Polizei» hält zusammen, wir tragen einander, das hilft sehr. Und bei Bedarf erhalten wir psychologische Unterstützung.
Wenn Sie heute auf Ihre nahezu 40 Jahre Berufstätigkeit zurückblicken: Haben die Verbrechen in der Region zugenommen?
Sie sind anders geworden. Einbruchdiebstähle beispielsweise gibt es weniger als noch vor ein paar Jahren, stattdessen verzeichnen wir mehr Einschleichdiebstähle in Häuser und Autos. Diese Täter brechen selten auf und sind nicht gewalttätig. Aber solche geringfügigen Vermögensdelikte mehren sich europaweit: Es ist wie ein Kampf gegen Windmühlen. Was ebenfalls in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, ist Gewalt gegen die Polizei: Letztes Jahr gab es 400 Strafanzeigen deswegen.
Hängt das mit einer allgemeinen Zunahme von Gewalt zusammen?
Ich würde nicht sagen, dass Gewalt generell zugenommen hat. Vieles ist anders geworden: Seit rund zehn Jahren wird häusliche Gewalt von Amtes wegen verfolgt und kommt daher öfter ans Tageslicht. Gewalt ist auch vielseitiger geworden: Cyberkriminalität ist ebenfalls eine Form von Gewalt, die man früher noch nicht kannte. Dass die Gewalt gegen die Polizei zugenommen hat, hängt übrigens nicht zuletzt damit zusammen, dass mehr Leute psychische Probleme haben, und dass die Massnahmen einschneidender in ihre Privatsphäre wirken. Das bedeutet, die Leute wehren sich verzweifelter.
Womit hatten Sie denn zu tun, als es noch keine Cyberkriminalität gab?
(lacht) Ich erinnere mich, wie wir in meinen Anfangsjahren noch Maisfelder umstellten, um rumänische Banden zu erwischen, die sich nach einer Diebestour dort versteckt hielten.
Von Ausländern fühlen sich auch heute einige Leute bedroht, beispielsweise in Grosshöchstetten, wo anfangs Jahr eine neue Kollektivunterkunft eröffnet wurde.
Das allerdings ist etwas ganz anderes: Jene Asylsuchenden, die von den Bundesasylzentren in die regionalen Zentren verteilt werden, wollen unbedingt ihre Chance für einen Aufenthaltsstatus nützen und deshalb auf keinen Fall auffallen! Und, das sollte man nicht vergessen: Es sind Leute, die Sachen erlebt haben, die wir uns gar nicht vorstellen können, die verletzt und traumatisiert sind. Vorfälle rund um Asylzentren sind für uns nur selten Gründe fürs Ausrücken.
Welche Art Notruf erhalten Sie denn am häufigsten?
Sehr oft kommen Meldungen herein wie «Bei uns schleicht jemand um das Haus, bitte kommen Sie schnell!» Aber auch Nachbarschaftsstreitereien oder Diebstahlmeldungen aus Selbstbedienungsläden werden häufig gemeldet, oder eben häusliche Gewalt – in der Region ist immer wahnsinnig viel los.
Heisst das, Sie haben ständig spannende Einsätze?
Unsere Arbeit ist tatsächlich sehr abwechslungsreich und jeden Tag erwartet uns Unvorhergesehenes – aber man muss sich natürlich nicht vorstellen, dass wir ständig wilde Verfolgungsjagden fahren!
Wie also sieht Ihr Alltag «in Echt» aus?
Als Bezirkschef habe ich vor allem sehr viele administrative Aufgaben rund um personelle Führung, Rechtsauskünfte, Fragen oder Beschwerden aus der Bevölkerung, und ich bin das Sprachrohr meiner Mitarbeitenden. Ausserdem sitze ich in Fällen von häuslicher Gewalt als Vertreter der Polizei in Arbeitsgruppen.
Sind Sie auch noch auf der Strasse anzutreffen?
Ja, ich versuche, zweimal pro Monat noch selbst auf Patrouille zu gehen und die Nähe zu den Leuten beizubehalten. Aber dafür bleibt mir immer weniger Zeit.
Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Aufgaben der modernen Polizei?
Die lassen sich in drei Themen einteilen: Jene aus dem klassisch kriminalistischen Bereich, also rund um die Verbrechensaufklärung. Daneben die sicherheitspolizeilichen Aufgaben, bei denen wir rund um die Uhr für Sicherheit auf Strassen oder an Bahnhöfen sorgen. Und schliesslich die Prävention: Als Verkehrsinstruktoren in der Schule, um Kindern Strassentauglichkeit beizubringen, oder im Auftrag von Pro Senectute bei älteren Leuten, um ihnen zu zeigen, wie sie sich vor Enkeltricks und sonstigen Diebstählen schützen können.
Demnach hat sich Ihr Beruf in all den Jahren stark verändert?
Ja, allein punkto Technik haben wir Riesenschritte gemacht: Ich erinnere mich, wie ich mir seinerzeit noch meine erste Schreibmaschine für das Büro kaufte! Heute ist alles digitalisiert. Und die Kriminaltechnik hat Riesenfortschritte gemacht, beispielsweise mit DNA-Profilen. Ausserdem ist ein grosser Wandel punkto Haltung passiert: Weg von Repression hin zu Prävention, ja, oft sogar zu einer sozialen Tätigkeit – die Polizei ist «gschpüriger» geworden. Wir arbeiten eng mit Schulen, Gemeinden, Spitälern und der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB zusammen.
Welche Aufgaben übernehmen Sie da konkret?
Dort haben wir neue Aufgaben rund um Gefährdungsmeldungen, Kindesschutz und Fürsorgerischen Freiheitsentzug, und wir reden sehr viel mit den Leuten. In der Region wird unsere Arbeit auch tatsächlich sehr geschätzt – manchmal bringen uns die Leute sogar einen Nussgipfel oder eine Tafel Schoggi vorbei!
Wahrscheinlich sind nicht alle gleich begeistert von der Polizei…
Nein, wir werden auch häufig beschimpft. Aber an der Uniform prallt zum Glück vieles ab. Und viele entschuldigen sich später bei uns, weil sie zum Zeitpunkt der Intervention alkoholisiert waren oder unter Drogen- und Medikamenteneinfluss standen.
Wenn Sie sich heute mit all Ihrer Berufserfahrung etwas wünschen könnten – was wäre das?
Für die Zukunft wünsche ich mir mehr gegenseitige Toleranz und wertebasierte Umgangsformen. Diskussionen und Gespräche sind oft erfolgreicher als Strafanzeigen und Konflikte!
Vom Polizisten zum Privatmann
Ab diesem Frühjahr wird man Peter Berger nur noch privat antreffen: Polizisten können sich mit 62 Jahren pensionieren lassen. Ob ihm dann das aufregende Polizistenleben nicht fehlen wird? Er lacht herzhaft. Nein, dafür hat er viel zu viele Pläne: «Ich habe mir einen Kosmos mit Garten, Haus, Wald und Hund aufgebaut.» Wer sich jetzt einen stattlichen Schäferhund vorstellt, wird zweimal hinschauen müssen: Peter Berger und seine Partnerin, die seit 1995 in Oberdiessbach leben, sind stolze Besitzer eines kleinen Bolonkas, also eines süssen Schosshündchens.
Kein gemütlicher Rentner …
Peter Berger, der Vorzeigepolizist, wird aber kaum zum gemütlichen Rentner mutieren: Er hat schon zahlreiche Pläne, Reisen steht auf dem Programm, Joggen, Walken und Schwimmen oder per Rennvelo die Schweiz erkunden. «Ausserdem mache ich bei der Energiewendegesellschaft mit und helfe Photovoltaik-Anlagen zu montieren», der künftige Ex-Polizist ist also weiterhin voll auf Achse.
… sondern «Hauptsache vielseitig»
Was ihm sicher nicht fehlen werde, sagt er dann mit einem Schmunzeln, sei das Natel neben dem Bett, mit dem er rund um die Uhr erreichbar war. Dennoch warte er keineswegs sehnlich auf die Pensionierung: «Ich bin gerne Polizist.» Die grosse Zusammengehörigkeit der «Familie Polizei» werde ihm bestimmt fehlen, vermutet er jetzt schon. Umso mehr will er auch im Privaten durchziehen, was ihm beruflich immer so gefiel: «Hauptsache vielseitig.»
[i] Bezirksposten Konolfingen
Die Polizei des Bezirks Konolfingen deckt zusammen mit dem Bezirk Langnau als mobile Patrouille das ganze Gebiet von der Kantonsgrenze Luzern bis zum Oberland (Region Oppligen) und bis zur Region Bern (Allmendingen) ab – rund um die Uhr an 365 Tagen pro Jahr. In dieser Zeit ist immer eine Patrouille unterwegs. Nachmittags kommt jeweils noch eine zweite Patrouille zum Einsatz: Zwischen 16 und 20 Uhr finden die meisten Ereignisse statt. Auch auf den Polizeiwachen sind immer Teams einsatzbereit.
Polizeichef Peter Berger ist für 31 Mitarbeitende verantwortlich: Für jene auf seinem Bezirksposten beim Kreuzplatz im Zentrum von Konolfingen, daneben auch für die Polizist:innen der beiden Posten Münsingen und Worb. Inzwischen machen Frauen rund einen Drittel der Polizeiangestellten aus, vor fast 40 Jahren waren noch kaum Polizistinnen in den Teams anzutreffen.
Erstellt:
01.03.2025
Geändert: 01.03.2025
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