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Rehkitzrettung Oberthal Arni: Fronarbeit vor Sonnenaufgang

Seit zwei Jahren suchen Jäger:innen aus Arni und Oberthal in Heuwiesen nach versteckten Rehkitzen und bringen sie vor den Mähmaschinen in Sicherheit. Nun ziehen sie Bilanz und sind wieder auf Spendensuche.

(Bilder: zvg)
Drohnenpilot André Sommer, die Drohne ist nach einem Suchflug im Landeanflug. (Bild: zvg)
Meistens sind es zwei: Gerettete Rehkitze. (Bild: zvg)
Noch mehr Rehkitze. (Bild: zvg)
Zwei Rehkitze warten darauf, dass die Mutter wieder kommt. (Bild: zvg)

Irgendwie mutet es aus Menschensicht seltsam an, das Muttertierverhalten der Rehe. Die Kitze, meistens zwei, seltener eines oder drei, werden an einem sichtgeschützten Ort geworfen, oder «gesetzt», wie es korrekt heisst. Das kann auf einer Waldlichtung sein, wo Farnkraut oder Brombeeren wachsen. Oft sucht das trächtige Tier aber eine Wiese auf oder ein Getreidefeld. Dort bleibt das frischgeborene Kitz einige Wochen liegen, bis es stark genug ist, hinter der Mutter her zu laufen. Die Mutter hält sich derweil im Wald auf und geht ihrem Tagwerk nach, etwa alle zwei Stunden ruft das Kitz nach Milch, dann geht die Mutter hin und säugt es. Viel gekuschelt wird da nicht. Sind es zwei oder mehr Kitze, liegen sie nicht zusammen, sondern mit bis zu 50 Metern Abstand voneinander.

 

Setzzeit ist in der Mähzeit

Während der Menschenblick auf das Verhalten der Rehe diesen zurecht völlig egal ist, sind sie von der räumlichen Nähe zu den Menschen und zur Landwirtschaft sehr direkt betroffen. Die Setzzeit fällt genau in die Wochen, in denen die Bäuer:innen das erste Heu oder Silogras schneiden, das ist ungefähr Mai bis Juni. Obwohl sie verpflichtet sind, das Feld vor dem Mähen abzulaufen und nach Tieren zu suchen, kommt es jedes Jahr zu Unfällen, geraten Kitze ins Mähwerk und sterben dabei.

 

Drohnen retteten 61 Rehkitze

Seit einiger Zeit werden für das Absuchen der Felder vielerorts Drohnen mit Kameras verwendet. So auch in Arni und Oberthal. Dafür haben sich vier Jäger vom Jägerverein Konolfingen zum Verein Rehkitzretter Oberthal-Arni zusammengeschlossen, Geld gesammelt und zwei Drohnen gekauft (BERN-OST berichtete). In den ersten beiden Jahren seit dem Kauf der Drohnen haben die Jäger in Arni 285 Hektaren Land abgesucht und 18 Rehkitze gerettet, in Oberthal waren es total 43 Kitze auf 287 Hektaren.

 

Weniger Zeitaufwand

Zu Fuss und von Auge brauche man zu zweit gut eine Stunde pro Hektare, erzählt Peter Zurflüh vom Verein Rehkitzretter. Mit der Drohne kann eine Hektare in rund vier Minuten abgeflogen werden – die Zeitersparnis für die Bäuer:innen ist deutlich, die Nachfrage deshalb gross.

 

Die Suche im Morgengrauen

Normalerweise werden die Rehkitzretter:innen (eine Jägerin ist bei den Einsätzen auch dabei, nicht aber im Verein) am Abend vor dem Mähen anvisiert. Das ist wichtig, weil die Suche mittels Wärmebildkamera erfolgt und diese nur vor Sonnenaufgang funktioniert, wenn es noch kühl ist. Meistens starten sie um halb fünf, je nach Anzahl Einsätzen und zu kontrollierender Fläche auch mal um halb vier oder noch früher, damit die Jäger:innen danach pünktlich auf der Arbeit erscheinen können. Gearbeitet wird zu dritt, wobei mindestens eine Person Jäger:in sein muss.

 

Wenn die Kamera Kitze sichtet

Peter Zurflüh erzählt, wie so ein Einsatz abläuft. Eine Person steuert die Drohne, die beiden anderen schauen auf zwei Bildschirmen, was die Kamera filmt. Zeigt die Wärmebildkamera an, wird der Punkt digital markiert. Ist das Feld abgeflogen, geht man diesen Punkten nach, schaut mit der anderen Kamera, ob man etwas sieht und läuft sie schliesslich, gelotst vom Drohnenpiloten, zu zweit an. Die gefundenen Kitze werden in eine benachbarte Wiese oder am Waldrand abgelegt, mit einer Harasse zugedeckt, gesichert und beschattet.

 

Dann ist der Bauer oder die Bäuerin an der Reihe. «Innert drei, vier Stunden sollte die Wiese gemäht werden, weil die Rehmutter wieder zu ihrem Jungen will», erklärt Zurflüh. Nach dem Mähen wird die Harasse entfernt. Die Mutter findet ihr fiependes Kitz schnell wieder und bringt es an einen neuen geschützten Ort, wo sie ihm wieder Milch geben kann.

 

Zehn Hektar pro Morgen

Peter Zurflüh, als Rayonchef beim Jägerverein Konolfingen für Arni zuständig, war fast bei allen bisherigen Einsätzen mit dabei. Neunzehn Mal sind die Kitzretter:innen zwischen Ende Mai und Mitte Juni dieses Jahres ausgerückt. Rund zehn Hektaren schaffen sie an einem Morgen. Dieses Jahr war die Suche schwierig, weil das Gras ausserordentlich hoch und dicht gewachsen war.

 

Arbeit aus Leidenschaft

«Alles in Fronarbeit», sagt Zurflüh. Weder muss der Bauer oder die Bäuerin etwas zahlen für den Einsatz, noch wird die Arbeit anderwertig subventioniert. Auch deshalb ist der Verein wieder auf der Suche nach Geld. Nicht, um sich einen Lohn zu finanzieren, sondern, um das Material à jour zu halten. Denn: die Arbeit machen die Jäger:innen und Drohnenpiloten gern. Das Material auch noch aus dem eigenen Sack bezahlen möchten sie aber nicht.

 

Drohnen im Wert bis zu 20'000 Franken

Zwei Drohnen besitzt der Verein. Beide sind noch funktionstüchtig, werden aber irgendwann den Geist aufgeben. In die Hände spielt den Rehkitzrettern, dass die Preise für Drohnen gesunken sind, seit sie vor zwei Jahren die erste gekauft haben. Trotzdem werden die Geräte besser. Vor allem filmen sie in besserer Auflösung, so dass man höher fliegen und einen breiteren Streifen aufs Mal absuchen kann. Auch die Akkuleistung habe sich massiv verbessert, so Zurflüh. Musste man den Akku früher alle zehn Minuten auswechseln, halten neuere bis zu einer halben Stunde. Eine Drohne kostet laut Zurflüh bis zu 20'000 Franken. Eine solche, wie sie die Kitzretter:innen benötigen, gibt es für fünf- bis sechstausend, wobei vor allem die Wärmebildkamera ins Geld geht.

 

[i] Spendenkonto der Rehkitzretter Oberthal Arni: IBAN CH71 8080 8002 5746 7069 9 Raiffeisenbank Kiesental


Autor:in
Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch
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Erstellt: 04.09.2023
Geändert: 04.09.2023
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