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Schwingen - Graber, Graber, Graber und Graber
Am Sonntag steigt in Habstetten das Mittelländische Schwingfest 2018. Für Alfred, Willy, Bruno und Bänz Graber wird es ein besonderer Tag: Das Fest findet praktisch vor ihrer Haustüre statt – und es ist ihr letzter gemeinsamer Auftritt.
Hinter der Westtribüne des Mittelländischen Schwingfests in Habstetten baut ein Dutzend Leute ein grosses Zelt auf. Metallstangen und Holzbalken sind in Reih und Glied auf dem Gras ausgelegt. Bevor sie zusammengesteckt werden können, gilt es noch ein Problem zu lösen: Welcher Metallwinkel gehört in welche Ecke des Zeltes? Es wird hin und her diskutiert, schliesslich findet man die Lösung. Doch Halt! Ein Loch im Winkel passt nicht. Was tun? Einer der Männer zieht einen Bohrer aus dem Hosensack. «Komm, wir bohren ein neues Loch, statt noch lange zu ‹stürmen›», sagt er.
Der Mann heisst Willy Graber, ist 33-jährig, Dachdecker und Landwirt von Beruf, Familienvater – und ein beliebter Schwinger. Dass «Willu» immer angreift und auch in scheinbar aussichtslosen Situationen nicht aufgibt, das gefällt den Fans. Etwas weniger im Rampenlicht stehen seine drei Brüder, die ebenfalls schwingen: Alfred (35), Bruno (32) und Bänz (30). Alle sind in Geristein oberhalb von Bolligen aufgewachsen, nicht weit von der Arena des diesjährigen «Mittelländischen» entfernt. Klar, dass alle vier auch bei den Aufbauarbeiten helfen.
Die Anfänge
Nachdem die Zeltstangen aufgestellt sind, geht es zum Znüni. Die Graber-Brüder nehmen auf dem Festbank Platz, auf dem Tisch vor sich Kaffee, Brot und Käse. Wie ihre Karriere begonnen hat? Zum einen liege das Schwingen in der Familie, antwortet Alfred. Die Brüder der Mutter hätten ebenso geschwungen wie die Cousins. Zum andern habe auch Markus Walther eine Rolle gespielt: Der Zimmermeister aus Geristein gewann am «Eidgenössischen» 1995 den Kranz. Da war für die Graber-Giele klar: «Wir wollen ebenfalls schwingen.»
Einmal pro Jahr treten die Graber-Brüder gemeinsam an einem Kranzfest an: am «Mittelländischen», das heuer noch näher stattfindet als normalerweise. Hier, in Habstetten, werden zum letzten Mal alle vier im Sägemehl stehen. Nach dem Fest tritt Bruno Graber nämlich zurück. Er arbeitet Schicht im Strafvollzug, hat Familie: Das alles mit dem intensiven Training unter einen Hut zu bringen, sei schwierig. «Jetzt ist der richtige Zeitpunkt zum Aufhören», sagt der Mann, der am «Kantonalen» 2012 für Aufsehen sorgte: Damals – notabene zwei Wochen vor der kirchlichen Trauung – verlor er seinen Ehering im Sägemehl. Am Montag nach dem Fest kam er wieder zum Vorschein, einem Metalldetektor sei Dank.
Die Karrieren
Als 16-Jähriger bestritt Bruno Graber sein erstes Schwingfest bei den Grossen. Von sechs Gängen verlor er fünf. An jenem Abend habe er geweint und ernsthaft daran gedacht, aufzuhören. Schliesslich biss er durch. Das taten auch seine Brüder, zum Beispiel nach Verletzungen. Solche gab es einige. Willy kehrt soeben von seinem zweiten Kreuzbandriss zurück. Das Heimfest in Habstetten ist ein grosses Ziel, der 100. Kranz – aktuell hat er 98 – ebenfalls. «Falls ich gesund bleibe, schwinge ich diese Saison sicher zu Ende», sagt Willy Graber. Wie es danach weitergeht, ist noch nicht entschieden.
Dass gleich vier Brüder bei den Aktiven mitschwingen, ist selten. Ein solches Quartett gibt es noch im Entlebuch (Fankhauser) und im Sensebezirk (Pellet). Bei Grabers hätte es sogar ein Quintett werden können. Doch Andreas Graber, der älteste der fünf Brüder, hat sich nicht fürs Schwingen begeistern können.
Die Klubfunktionäre
Grabers sind es gewohnt, einander zu helfen. Der elterliche Bauernhof in Geristein wird zwar von Willy geführt, «ohne die Hilfe der Brüder ginge es aber nicht». Auch im Schwingklub Worblental übernimmt man gemeinsam Verantwortung. Alfred Graber leitet die Jungschwinger, Willy ist technischer Leiter bei den Aktiven, Brunos Frau Tanja Sekretärin, Bruno selbst Rechnungsrevisor. Und alle vier Brüder zusammen haben, mit Beteiligung des Klubs, einen Lebendpreis für das «Mittelländische» gespendet. Das Rind Monia, das – wie könnte es anders sein? – aus Grabers Stall im Geristein kommt.
Auf dem Festplatz in Habstetten, wo am Sonntag um die 5000 Zuschauer erwartet werden, geht die Znünipause zu Ende. Bänz, Bruno, Willy und Alfred Graber stehen auf. Es gibt noch eine Menge zu tun. Zum Beispiel das Zelt hinter der Westtribüne fertig aufzustellen.
[i] Tickets: Die 4200 Tribünenplätze fürs «Mittelländische» sind ausverkauft. Unnummerierte Plätze gibt es am Sonntag an der Tageskasse.
SCHWINGERDORF HABSTETTEN
Das Dorf Habstetten oberhalb von Bolligen hat immer wieder erfolgreiche Schwinger hervorgebracht. Allen voran natürlich Rudolf Hunsperger, der als dreifacher Schwingerkönig (1966, 1969, 1974) Geschichte schrieb. Was viele nicht wissen: «Rüedu» kam erst relativ spät zum Schwingen – motiviert durch Otto Salzmann. Dieser stammt ebenfalls aus Habstetten und gewann zwei eidgenössische Kränze. Salzmann wohnt im Bauernhaus oberhalb der Arena, in der am Sonntag das «Mittelländische» stattfindet.
Eine Generation jünger ist Markus Walther. Der heutige Präsident des Mittelländischen Schwingerverbandes errang 1995 den begehrten eidgenössischen Kranz. Walther seinerseits inspirierte Willy Graber und dessen Brüder zum Schwingen. Ebenfalls eine Zeit lang in Habstetten lebte Christian Oesch, der nicht weniger als sechs eidgenössische Kränze gewann – eine Marke, die nur wenige Schwinger erreichen.
Und die nächste Habstetter Schwingergeneration steht schon bereit. Am kommenden Festwochenende stehen sowohl die Söhne von Markus Walther wie auch die Grosskinder von Otto Salzmann im Einsatz. maz
Erstellt:
02.05.2018
Geändert: 02.05.2018
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