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Simone Niggli-Luder: Das Haus als Kraftwerk

Simone Niggli-Luder bewohnt ein Haus, das mehr Strom produziert, als es benötigt.

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OL-Weltmeisterin Simone Niggli-Luder mit Tochter Malin im Keller ihres Plusenergiehauses, wo Energieproduktion und -verbrauch gemessen werden. (Bilder: P. Rohner)
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Offene Küche im 2. Stock.
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6 Meter hohe Fensterfront.
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Das moderne Holzhaus etwas oberhalb des Dorfes Münsingen, zwischen Bern und Thun gelegen, fällt sofort auf. Links und rechts eingerahmt von stattlichen Villen aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts, präsentiert es sich in einer Art Würfelform. Zehn Meter hoch und mit einer riesigen Glasfront gegen Süden und Südwesten ausgerichtet. Sonst aber deutet nichts darauf hin, dass es sich hier um eines der ersten Plus­energie-häuser der Schweiz handelt, ausgezeichnet mit dem Norman Foster Solar Award 2011.      

     

Auch Simone Niggli-Luder, 36, und ihr Mann Matthias hatten ursprünglich nicht die Absicht, ein Haus zu bauen, das neue Massstäbe bei der Energiegewinnung und -nutzung setzt. «Wegen meiner sportlichen Tätigkeit als Orientierungsläuferin wollten wir einfach ein Haus, das ökologisch und nachhaltig ist», erklärt die 23-fache Weltmeisterin. Kinderfreundlich sollte es sein und aus Holz, das war von Anfang an klar. «Nur kein Chalet, das wäre dann doch etwas zu traditionell gewesen», fügt sie lachend bei.      

     

65 Quadratmeter Sonnenkollektoren      

     

Sie sitzt draussen im kleinen, aber idyllischen Garten am Holztisch, knapp ist die Kirchturmspitze von Münsingen hinter den vielen, alten Bäumen sichtbar, auf dem Rasen tummeln sich ihre fünfjährige Tochter Malin und die beiden zweieinhalbjährigen Zwillinge Anja und Lars. Und so machten sie sich auf die Suche nach einem geeigneten Architekten. Im Internet wurden sie fündig. Dieter Aeberhard Devaux vom Berner Architekturbüro Dadarchitekten und zufälligerweise ein ehemaliger Schulkollege von Matthias Niggli, entsprach ihren Vorstellungen. Er ging bei seinen Visionen allerdings noch einen Schritt weiter. Warum nicht statt eines Passiv- oder Minergiehauses gleich ein sogenanntes Plusenergie-Haus bauen (siehe Box links)? Ein Haus also, das mehr Strom produziert, als es benötigt.      

     

Was noch vor ein paar Jahren als utopisch oder gar als unrealisierbar galt, ist heute vor allem bei Holzhäusern in Systembauweise schon fast Standard. Und es funktioniert! Herz des Energiesystems sind die 65 Quadratmeter Sonnenkollektoren auf dem fünf bis zehn Prozent geneigten Dach des Hauses der Familie Niggli-Luder. Von aussen nicht sichtbar, liefert diese Fotovoltaik­anlage rund 7400 Kilowattstunden pro Jahr, Energie, die direkt ins Stromnetz eingespeist wird. Dazu kommt eine Wärmepumpe für Heizung und Warmwasser, die anders als etwa bei einer Erdsondenheizung, Energie nicht aus dem Boden, sondern aus der Umluft gewinnt. Und schliesslich ist es entscheidend, dass auch der Energieverbrauch möglichst tief gehalten wird.      

     

Matthias Niggli zeigt auf die grosse, sechs Meter hohe Glasfront hinter sich, die sich über die zwei unteren Stockwerke erstreckt. Sie ist allerdings nur eine von vielen Komponenten, um zusätzliche, passive Wärme zu erzeugen und zu speichern. So sind die massiven Holzwände mit Schweizer Schafwolle isoliert, mit Lehmfarbe gestrichen und verfügen über eine spezielle Wandheizung. «Die Kombination von Holz und Kalksandstein ermöglicht es, dass die Sonnenwärme über Stunden in die Räume abgestrahlt wird», erläutert der Architekt das System. Ein Cheminée-Ofen unten im ebenerdig mit direktem Ausgang in den Garten gelegenen Wohnzimmer sorgt zusätzlich als Wärmespender in der Übergangszeit. Und die sogenannte Komfortlüftung versorgt die einzelnen Zimmer computergesteuert mit der notwendigen Frischluft, um einen möglichen Energieverlust durch zu vieles Öffnen und Schliessen der Fenster zu verhindern.      

     

Das Holz stammt aus Schweizer Wäldern      

     

Simone und Matthias Niggli-Luder sind zufrieden. Kinderkrankheiten gab es bei ihrem Haus trotz neu­artiger Technik praktisch keine, und aus­ser ein paar Details würden sie ihr Traumhaus genau so wieder bauen. Kalt duschen oder frieren mussten sie auf jeden Fall bis jetzt noch nie. «Höchstens, wenn wir längere Zeit abwesend sind und das System etwas herunterfahren, dauert es eine gewisse Zeit, bis das Haus wieder richtig wohlig warm wird.» Und eigentlich hat sich Simone Niggli-Luder, die letztes Jahr vom aktiven Sport zurückgetreten ist und jetzt im Schweizerischen OL-Verband arbeitet, eine Fassade in Schwedenrot gewünscht, als Erinnerung an die unzähligen Orientierungsläufe ihrer langen Karriere in Skandinavien. «Doch inzwischen habe ich mich an das diskrete Braun gewöhnt. Und farblich so aus dem Quartier herausstechen müssen wir ja auch nicht!»      

     

Die Vorteile eines Plusenergie­-Hauses aber sind ganz klar die Kosten. Stolz weist Matthias Niggli auf den Zähler im hinteren, in den Hang gebauten Teil des Hauses. Auf dem «Solar Max» ist jederzeit ablesbar, wie viel Energie gerade erzeugt und verbraucht wird. «Beim Sonnen-Wolken-Mix am heutigen Tag haben wir beispielsweise 2,8 Kilowattstunden erzeugt. Pro Jahr sind es so um die 2000 bis 3000 Kilowattstunden, die zusätzlich ins Stromnetz fliessen.» Da der Kanton Bern bewusst neue und ökologische Energiesysteme fördert, also die Preise fürs Einspeisen von Strom höher ansetzt als für den Bezug, erhält die Familie Niggli-Luder je nach Wetter rund 2000 Franken pro Jahr für die Leistung ihres privaten Kraftwerks.      

     

Apropos Holz und Nachhaltigkeit. Auch da haben Simone und Matthias Niggli-Luder an alles gedacht. Das Holz stammt ausschliesslich aus Schweizer Wäldern. Und wächst in  zwei Minuten wieder nach.

 

       

Die beste OL-Läuferin aller Zeiten      

Die in Burgdorf BE geborene Simone Niggli-Luder gilt mit 23 Gold-, 2 Silber- und 6 Bronzemedaillen bei Weltmeisterschaften als beste Orientierungsläuferin aller Zeiten. Neunmal gewann sie den Gesamtweltcup, und dreimal wurde sie Schweizer Sportlerin des Jahres. Für grosses Aufsehen sorgte sie bei den Weltmeisterschaften 2003 in der Schweiz, wo sie in sämtlichen Disziplinen Gold gewann. Letztes Jahr trat sie vom aktiven Sport zurück und arbeitet seither Teilzeit im Schweizerischen OL-Verband. Die studierte Biologin ist verheiratet mit Matthias Niggli, dem ehemaligem OL-Läufer und Chef Leistungssport im OL-Verband, und Mutter von drei Kindern.

Autor:in
Dominic Geisseler, Sonntagszeitung
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Erstellt: 22.06.2014
Geändert: 22.06.2014
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