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Sozialwerk Gleis2: Neuer Standort und mehr Geld von der Gemeinde
Das Sozialwerk Gleis2 hat sich am neuen Standort in Worb eingerichtet. Für den weiteren Innenausbau und den Tag der offenen Tür darf Geschäftsführer Andreas Schüpbach Asylsuchende mit Status N einsetzen. Vor allem aber hat der Grosse Gemeinderat dem Sozialwerk soeben mehr Geld gesprochen.
Die geräumige Halle an der Sonnenbodenstrasse 8 in Worb ist halb leer: Am Vortag hat eine grosse Lieferung das Sozialwerk Gleis2 verlassen. An einem Tisch beim Fenster sitzt eine Frau und arbeitet konzentriert, sie packt für eine Firma in Bolligen Sets für die Montage von Solaranlagen ab.
Solche Konfektionsarbeiten seien sehr beliebt, erklärt Geschäftsführer Andreas Schüpbach, während er durch die Räumlichkeiten führt. Ende Mai hat sich Gleis2, das Sozialwerk für Arbeitsintegration, am neuen Standort eingerichtet.
Neue Räume nach schwieriger Suche
Damit ging eine aufreibende Zeit zu Ende: 2021 erhielt Schüpbach am vorherigen Standort an der Industriestrasse 27 die Kündigung, Ende 2024 hätte er die Räume definitiv verlassen müssen. Neue Räumlichkeiten zu finden, sei nicht einfach, sagt er. Und kostspielig: «Dank zahlreichen Spenden und einem Crowfunding konnten wir den Ausbau finanziell stemmen.»
Im hinteren Teil der Halle montiert Allrounder Rouven Erbmann zügig die Räder von kleinen Transportrollern ab und stapelt die Holzbretter aufeinander. Daneben an der Wand liegen Kabelrollen auf Gestellen: Rund 18 Tonnen Elektromaterial verarbeiten die Mitarbeitenden pro Jahr. Daneben verarbeiten sie alte Kabel, montieren sie ab, transportieren sie in die Werkstatt, verarbeiten sie zu Kupfer und verkaufen sie weiter.
Begleitung bei der Arbeit
Genau genommen gibt es nicht allzu viele Aufgaben, für die Andreas Schüpbach und sein Team nicht zu haben sind: «Wir führen auch Hausräumungen durch, manchmal kleinere Reparaturarbeiten oder Umzugs- und einfache Gartenarbeiten.» Welche Arbeiten drin liegen, hänge von den beruflichen Kompetenzen der Personen ab, die jeweils beim Sozialwerk betreut werden.
Momentan arbeiten 23 Personen mit einer psychischen oder physischen Beeinträchtigung teilzeitlich in der geräumigen Werkstatt. Sie werden dem Sozialwerk von ihren Wohngemeinden Münsingen, Worb oder Ostermundigen zugewiesen. Beim Sozialwerk werden sie von Mitarbeiter:innen betreut: Sozialpädagog:innen und Fachpersonen Betreuung.
Doppelte Herausforderung
Die Mitarbeitenden unterstützen die ihnen zugewiesenen Personen – diese werden als Klient:innen bezeichnet – bei der Wiedereingliederung in die Arbeitswelt.
Für das Team von Gleis2 bedeutet das eine doppelte Herausforderung. Die Fachleute begleiten einerseits die Klient:innen und müssen andererseis darauf achten, dass die Arbeiten fristgerecht und ordentlich ausgeführt werden. «Wir müssen auch produzieren und liefern», bringt es Schüpbach auf den Punkt: «Unsere Auftraggeber erwarten trotz dem sozialen Hintergrund eine gute Leistung.»
Herausfordernde Arbeit...
Falle jemand aus, müsse jemand von ihnen einspringen, sagt Schüpach. Und das passiere regelmässig: «Die von den Sozialdiensten zugewiesenen Personen können aufgrund ihrer Einschränkung nur stunden- oder tageweise arbeiten», erklärt er, «und dann tauchen sie auch nicht immer zuverlässig bei der Arbeit auf.»
Statt einem ganzen Team hat Andreas Schüpbach dann nur wenige Leute vor Ort. Das erschwert die Arbeit.
...dafür jetzt ein geeignetes Gebäude
Immerhin, sagt er zufrieden, biete das neue Gebäude beste Voraussetzungen für all die Aufträge: Genügend Platz, sorgfältig geregelte Mietverhältnisse, freundliche, helle Räume. Und erst noch diverse Firmen in der Umgebung, mit denen sich vielleicht künftig eine Zusammenarbeit einfädeln lasse. «Wir haben im richtigen Moment das Richtige gefunden.»
Zusatzgelder von der Gemeinde…
Jetzt kann er sogar noch aus einem weiteren Grund ein Stück weit aufatmen: An der Juni-Sitzung hat der Grosse Gemeinderat beschlossen, dem Sozialwerk von der Gemeinde Worb zusätzliche 10'000 Franken jährlich zu sprechen, also künftig 90'000 Franken. Damit werde den steigenden Kosten Rechnung getragen, lautete die Begründung, und der Entscheid dafür fiel einstimmig.
…freuen auch Gemeinderätin Karin Waber
Über das deutliche Ja freut sich auch Gemeinderätin Karin Waber (SVP): «Ich bin sehr froh, dass wir dieses Angebot auf dem Platz Worb behalten können», kommentierte sie am Tag nach dem Entscheid. Das sei wichtig, weil nicht alle, die ein solches Angebot benötigen, mobil seien, und weil ein weiter Weg bereits eine unüberwindbare Barriere bedeuten könne. «Ein niederschwelliges Angebot auf Gemeindeboden ist sehr wichtig.»
«Win-Win für alle»
Sie hat Gleis2 bereits selbst für eine Hausräumung und andere Arbeiten beauftragt und ist sehr zufrieden: «Alles lief bestens, ich würde jederzeit wieder mit ihnen zusammenarbeiten», sagt sie. Schüpbach sei sehr unterstützend, und man müsse nur fragen: «Andreas, kannst du das?», dann finde er eine Lösung.
Karin Waber ist deshalb froh, dass die Gemeinde Worb sich das Sozialwerk leisten will und sich mit dem einstimmigen Beschluss auch deutlich dahinter stellt: «Es ist eine gute Sache, ‘Win-Win’ für alle.» Als Präsidentin der Sozialbehörde hatte sie sich schon vorher dafür eingesetzt, dass Schüpbach sein Angebot rund um die Reintegration ausbauen kann.
Spezialeinsatz von Asylbewerber:innen…
Dafür setzte sie sich mit Samir Schild, Leiter der Kollektivunterkunft Enggistein, zusammen, und gemeinsam haben sie beim Kanton erreicht: Gleis2 darf punktuell Asylbewerber:innen mit Aufenthaltsstatus N einsetzen. «Diese erhalten normalerweise keine Arbeitsbewilligung», erklärt Waber. «Auf Gesuch hin können sie allerdings für eine bestimmte Anzahl Stunden eingesetzt werden.»
…für zwei Spezialeinsätze
Für Gleis2 bewilligte der Kanton zwei Projekte, in den nächsten Wochen dürfen Asylbewerber:innen stundenweise dort eingesetzt werden. Sie sollen helfen, den Innenausbau fertig zu gestalten, und am Tag der Offenen Tür werden sie kochen. Andreas Schüpbach ist froh um diese Gelegenheit. Aber er sagt auch: «Diese Stunden sind schnell aufgebraucht.»
«Es ist ein Anfang»
Mehr liege jedoch vom Kanton her nicht drin, das ist ihm bewusst: Asylbewerbende sollen nicht als billige Arbeitskräfte den ersten Markt konkurrenzieren. Auch Gemeinderätin Karin Waber findet, dass mehr besser wäre. «Aber es ist ein Anfang.»
«Sich richtig zuhause fühlen»
So oder so, Schüpbach freut sich, am Tag der offenen Tür die neuen Räumlichkeiten offiziell einzuweihen. Sie stehen schon fast fertig: Mit viel Einsatz haben er und sein Team den hellen Aufenthaltsraum und die Büros im Obergeschoss ausgebaut. Er schaut sich um, dann sagt er zufrieden: «An diesem neuen Ort können wir uns richtig zuhause fühlen.»
[i] Tag der offenen Tür: 31. August 2024, gleis2 sozialwerk, Sonnenbodenstrasse 8, Worb.
Erstellt:
30.06.2024
Geändert: 30.06.2024
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