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Theodor Nyfeler: Was Sie schon immer über die ARA wissen wollten und sich nicht zu fragen wagten
Was darf man das WC runterspülen und was nicht? Salatsauce und Kaugummi, gehört das ins WC? Und was passiert mit den Rückständen von Medikamenten, die wir ausscheiden? BERN-OST hat nachgefragt.
Theodor Nyfeler ist seit Anfang Jahr Präsident der ARA unteres Kiesental. BERN-OST hat mit ihm über die Abwasserreinigungsanlage (ARA) gesprochen.
BERN-OST: Theodor Nyfeler, wer sind Sie?
Theodor Nyfeler: Ich bin 57-jährig, in Oberdiessbach aufgewachsen, wo ich heute noch mit meiner Frau lebe, unsere beiden erwachsenen Kinder sind ausgezogen. Ich bin ausgebildeter Maschinenbauingenieur, nach dem Studium arbeitete ich bei der Nestlé, wo es schon Berührungspunkte mit Abwasser gab. Während 23 Jahren war ich beim Institut für geistiges Eigentum in Bern tätig. Mit 56 habe ich nochmals etwas Neues begonnen. Ich arbeite jetzt als Consultant in einer kleinen Consultant Firma im Umfeld der Cyber-Sicherheit.
Wie sind Sie Präsident der ARA unteres Kiesental geworden?
Parallel zum Beruf habe ich mich immer in der Gemeinde engagiert. Erst zwölf Jahre in der Finanzkommission, danach war ich Mitglied der Schulkommission und seit zehn Jahren bin ich in der Tiefbau- und Betriebskommission. Deshalb hatte ich auch mit dem Gemeindeverband ARA unteres Kiesental zu tun, erst als Vize- und seit Anfang Jahr als deren Präsident.
Sind Sie Mitglied in einer Partei?
Ich bin in der SVP.
Dann kommt als nächstes die Kandidatur für den Gemeinderat?
Ich weiss nicht (lacht). Bisher war ich in Kommissionen engagiert, da kann ich sachlich arbeiten.
Wie sähe die Welt ohne eine ARA aus?
Absolut anders. Unsere ARA wurde erst in den 1970er Jahren gebaut. Ich erinnere mich noch gut, als die Grossmetzgerei Gerber aus Grosshöchstetten die Schlachtabfälle in die Chise leerte. Die Chise war danach rot und es wimmelte am Ufer von Ratten. Es hatte aber auch viele Forellen (lacht).
Was motiviert Sie, sich für die ARA einzusetzen?
Es ist schon der Umweltgedanke, der mich dafür motiviert. Wir reinigen das Abwasser von 7000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Das ist eine hehre Aufgabe. Auf der anderen Seite fasziniert mich die Technik. Mich interessiert, wie man das machen kann, damit wir das Wasser der Aare wieder gereinigt übergeben können.
Können Sie kurz erklären, wie die ARA das Abwasser reinigt?
Das Abwasser beinhaltet verschiedenste Verunreinigungen. In einer ersten und zweiten Reinigung werden das Grobe, Papier und weitere Gegenstände sowie Sand herausgeholt.
Danach folgt die wichtigste Reinigung, die biologische Stufe. Dort leben Mikroorganismen, welche die gelösten Stoffe in sich aufnehmen und das Wasser reinigen. Daraus wird ein Teil entnommen, der Schlamm kommt in einen Faulturm, um Gas zu produzieren. Daraus gibt’s den Klärschlamm, dieser wird getrocknet und entsorgt. Mit dem Gas werden zwei Motoren betrieben, die wiederum Strom produzieren.
Wird diese Technologie stets verfeinert? Oder reicht das?
Das Grundprinzip ist gleich geblieben. Neu ist die Erkenntnis, dass man mit diesen Schritten nicht alle Stoffe rausbringt. Antibiotika, Medikamentenrückstände, Putzmittel, Mikroplastik, werden so noch nicht rausgefiltert. Die grossen ARAs rund um die Städte werden mit einer weiteren Stufe gebaut, welche auch dies reinigen. Unsere ARA kann dies noch nicht.
Warum noch nicht?
Der Bund setzt vorerst bei diesem vierten Schritt auf die grossen ARAs. Es ist nicht auszuschliessen, dass kleinere ARAs, wie unsere, zu einem späteren Zeitpunkt nachrüsten müssen.
Wie verhält sich die Bevölkerung? Landen immer wieder bestimmte Dinge im Abwasser, die dort nicht hingehören?
Ja das gibt’s leider immer wieder. Wattestäbchen, Kämme, Hygieneartikel gehören nicht in die Toilette, sondern in den Abfall. Auch feuchte Reinigungstücher oder Papiernastücher gehören nicht ins WC. Die zersetzen sich nicht und müssen rausgefiltert werden.
Schlimmer sind unsichtbare Sachen, wie Farben, Spritzmittel oder Nagellackentferner. Diese Produkte müssen fachgerecht entsorgt werden und gehören nicht in die Toilette.
Wie sieht es aus Essensresten, Salatsauce, Stock?
Man sollte das nicht runterspülen, aber für uns ist das kein Problem, da es abgebaut wird. Die Mikroorganismen kümmern sich um solche Speiseresten.
Ich habe immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich einen Kaugummi das WC runterspüle. Zurecht?
Ja, das darf man haben. Es ist ein Kunststoff, der kann kleben und hängen bleiben und gehört nicht ins WC.
Vor welchen Herausforderungen steht die ARA unteres Kiesental?
Die Frage ist: was müssen wir machen, um bis ins Jahr 2050 zu bestehen? Mikroverunreinigungen sind da sicher ein Thema.
Ein anderes Thema ist die Energieversorgung, wir haben zwei Blockheizkraftwerke in Betrieb genommen. Weiter trocknen wir mit restlicher Energie noch Pellets. Geplant ist auch noch eine Photovoltaik-Anlage, welch auf den Faultürmen gebaut werden soll. Und natürlich geht es um die künftige Finanzierung.
Müssen die Leute aus Ihrem Einzugsgebiet mit einer Gebührenerhöhung rechnen?
Nein, wir haben Anfang 2023 die Gebühr auf 150 Franken im Jahr erhöht. Lange lag der Satz bei 100 Franken bewusst zu tief, um Reserven abzubauen. Finanziell sieht es gut aus.
Die ARA benötigt viel Strom. Wie stark haben Sie die hohen Strompreise getroffen?
Dank den Blockheizkraftwerken fiel dies nicht ins Gewicht. Der Strompreis ist massiv gestiegen, wir streben an, noch mehr selbst zu decken. Deshalb kam die Solaranlage ins Spiel. Tagsüber soll die Photovoltaik-Anlage Strom liefern, nachts haben wir einen Gasspeicher und können Strom mit Gasmotoren zu produzieren. Wir sind etwa zu 80 Prozent autark.
[i] Die ARA unteres Kiesental ist für folgende Gemeinden zuständig: Brenzikofen, Herbligen, Jaberg, Kiesen, Linden, Oberdiessbach und Oppligen.
[i] Dieses Interview erschien zuerst im Newsletter der Gemeinde Oberdiessbach.
Erstellt:
08.10.2024
Geändert: 08.10.2024
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