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Wohn- und Pflegeheim Utzigen: «Drei Fliegen auf einen Schlag»
Der Grundstein ist gelegt, die Zeitkapsel trotz strömendem Regen feierlich deponiert: Auf dem Areal des Wohn- und Pflegeheims Utzigen entsteht ein moderner Neubau mit 24 Einzelzimmern. Diese werden sorgfältig auf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz angepasst, bieten attraktive Arbeitsplätze und erst noch neue Möglichkeiten. Im Herbst 2025 soll «Haus F» seine Türen öffnen.
Im strömenden Regen stapfte die Gesellschaft über das Baugelände und stieg über die provisorischen Treppen in die nasse Baugrube hinunter. Gastgeber Thomas Stettler, Geschäftsführer Gesamtbetrieb im Wohn- und Pflegeheim Utzigen, liess sich vom Starkregen die Laune nicht verderben. Strahlend begrüsste er die Gäste, die sich unter die Zelte drängten, und verkündete, das sei ähnlich wie bei einer Hochzeit: «Dort sagt man, Regen bringe Glück – das wird hoffentlich auch hier gelten!»
Stettler freut sich: Auf dem Gelände am Rand der bestehenden Gebäude entsteht ein Neubau mit 24 Einzelzimmern auf zwei Etagen, allesamt mit Blick auf die Alpen. Die Einzelzimmer, aber auch die Wohn- und Aufenthaltsräume sind nach neusten Erkenntnissen ausgestaltet. «Der Garten rings um das Haus ist beispielsweise so angelegt, dass die Bewohner:innen automatisch immer wieder im Haus oder auf dem Rundweg landen.»
Höchstmöglicher Schutz, höchstmögliche Lebensqualität
Im Haus A 1 besteht zwar bereits eine Abteilung für Menschen mit demenzieller Erkrankung. Diese sei aber von den baulichen Voraussetzungen her alles andere als ideal, erklärte Stettler, obwohl sie jahrzehntelang immer wieder optimiert worden sei. Anders das neue Haus F, das künftig höchstmöglichen Schutz und zugleich höchstmögliche Lebensqualität biete: «Es ist einfach zum Orientieren, geschlossen für den Schutz der Bewohnenden, aber auf eine Weise, damit sich diese nicht eingesperrt fühlen.»
Ausserdem werde dieser moderne Bau nicht nur für die Bewohnenden sehr attraktiv, sondern auch für die Mitarbeitenden, zählt er weiter auf. Und als dritten Pluspunkt könne man nach dem Einzug die freigewordene Abteilung im Parterre von Haus A neu einsetzen. «Und damit», frohlockte Thomas Stettler, «ist es uns gelungen, gleich drei Fliegen auf einen Schlag zu erledigen».
Platz für die Aussenstation Tschugg
Als Demenzabteilung nicht ideal, biete die Abteilung A1 stattdessen praktische Voraussetzungen für die Bewohner:innen der Aussenstation in Tschugg. «Wenn alles gut läuft, können die Bewohnenden von Tschugg Ende 2025 oder Anfang 2026 nach Utzigen ziehen», verspricht Geschäftsführer Stettler. Der Umzug nach Utzigen spare die 45 Minuten Fahrzeit zwischen den Abteilungen und vereinfache viele Abläufe.
Doch Langzeitpflege statt Senioren-Wohnungen
Man habe sich im Vorfeld gründlich überlegt, ob in den Neubau Senioren-Wohnungen oder Zimmer für Menschen mit Demenz kommen sollten, ergänzte Samuel Huwiler, Stiftungsratspräsident und Präsident der Baukommission: «Für unsere 30 Seniorenwohnungen führen wir lange Wartelisten, das Bedürfnis ist riesig.» Am Ende habe man sich dann doch entschieden, in den Bereich Pflege und Betreuung zu investieren: «Das ist unser Kerngeschäft.»
Für die Ausgestaltung holten die Verantwortlichen ein Team der GSJ Architekten AG an Bord: Diese waren bereits für den Ausbau von Haus E involviert, und sie haben bereits einige Erfahrung im Bau von Pflegeheimen gesammelt, unter anderem im Burgerspital Bern oder bei der Stiftung Fomaso in Solothurn. Sie sollten auch in Utzigen mithelfen, «eine zeit- und bedürfnisgerechte Infrastruktur» zu entwickeln.
Holzfassade und Regenwassertank
Dafür, erzählt Projektleiter Fabian von Gunten, hätten sie zahlreiche Überlegungen gemacht: Das zweistöckige Gebäude werden sie mit einer Holzfassade versehen, die mit Licht und Schatten spielt. Den Rundweg durch den Garten werden sie so gestalten, dass er von beiden Wohngruppen erreichbar wird. Ein Regenwassertank wird den Garten versorgen, energetisch wird das Gebäude mit Fernwärme und einer Photovoltaikanlage auf dem neusten Stand ausgestattet.
Auch im Innern sei alles wohlüberlegt: «Wir planen Wohnkorridore mit Nischen, die dazu einladen, sich gemütlich zu machen», erklärt Projektleiter von Gunten: Da bei Menschen mit einer Form von Demenz die Privatsphäre eine immer geringere Rolle spiele, würden dafür die Aufenthaltsräume wichtiger. «Die Einzelzimmer werden dadurch etwas kleiner, aber doch so, dass sie sich bei Bedarf auch umfunktionieren lassen.»
Licht und Farben
Auch Licht und Farbgebung spielen wichtige Rollen. Architektin Lara Amiet hat sich in die Feinheiten eingearbeitet. «Wir wollten bewusst eine sehr wohnliche Atmosphäre erzeugen», erklärt sie. Dafür wird ein warmes Gelb als durchgehende Farbe je nach Raum mit Blau, Grün oder Violett in verschiedenen Abtönungen ergänzt. «Ecken werden mit entsprechenden einladenden Möbeln ausgestattet.
Stationszimmer und Büros hingegen werden mit dunkleren Farben ausgestattet, die weniger einladend wirken. «So versuchen wir, den Bewohnenden intuitive Orientierungshilfen zu bieten», erklärt Amiet. «Der Boden wiederum muss hell genug und nicht gemustert sein, damit er nicht uneben wirkt.»
Rollstuhlgerecht und sicher
Für solche Überlegungen hat das Architektenteam eng mit der Pflege zusammengearbeitet. Auch Brigitte Röthl, Bereichsleiterin Pflege, war involviert: «Zum einen ging es darum, die Vorschriften einzuhalten wie beispielsweise Türbreite oder Abmessungen im Badezimmer, damit alles rollstuhlgerecht ist», erklärt sie. Auch Details wie Platzierung und Farbe der Haltegriffe im Badezimmer müssen wohlüberlegt sein.
Ausserdem konnte die Pflegedienstleiterin auch andere Überlegungen und Erfahrungen aus dem Pflegealltag eingeben: «Wichtig sind beispielsweise abschliessbare Badezimmerschränke oder sichere Küchenkombinationen», erklärt sie: In den Badezimmerschränken lassen sich Medikamente oder gefährliche Gegenstände einschliessen. Und die Küchentheke müsse ungefährlich sein, damit niemand in der Nacht darüberklettere und sich verletze.
Freiheit versus Sicherheit
«Die Sicherheit muss natürlich gewährleistet sein», betont die Pflegedienstleiterin. Allerdings sei das nicht immer ganz einfach: «Es ist hilfreicher, möglichst viel Freiheit zu gewähren, statt Grenzen zu setzen – denn das verunsichert Menschen mit Demenz.»
Brigitte Röthl wird zwar noch vor der Eröffnung des Neubaus in Pension gehen und an ihre Nachfolgerin Monika Kollmann übergeben. Aber an der Grundsteinlegung hat sie mitgeholfen, die Zeitkapsel feierlich zu deponieren: Baupläne, ein altes Telefon, eine Tages- und eine Wochenzeitung, ein Stick einige Münzen und eine Hygienemaske liegen jetzt unter dem künftigen Neubau.
Bezug zum 150-Jahr-Jubiläum?
Die Maske, erklärte Geschäftsleiter Thomas Stettler, soll nicht so sehr an die Pandemiezeit erinnern, sondern diese vielmehr symbolisch beerdigen.
Daneben hat er wohl noch den stillen Wunsch mit vergraben, dass der Neubau in der geplanten Zeit fertig wird. Das sei zwar sportlich, findet er, aber dennoch hofft er: «Dann könnten wir den Neubau pünktlich zum 150-Jahr-Jubiläum beziehen.»
[i] Das Wohn- und Pflegeheim Utzigen versteht sich als Kompetenzzentrum in der Langzeitpflege sowie als wichtiger regionaler Akteur im Bereich Erwachsene Menschen mit Behinderungen. In Utzigen bietet das Wohn- und Pflegeheim 180 Langzeitpflegeplätze und 24 Plätze im IV-Wohnheim, ausserdem 30 Seniorenwohnungen. Für 20 Menschen mit Epilepsie oder anderen neurologischen Einschränkungen bietet das Wohn- und Pflegeheim am Standort Tschugg ein Zuhause. 230 Mitarbeitende erfüllen 160 Vollzeitstellen.
[i] Die Investitionen für das Bauvorhaben belaufen sich auf rund 10 Millionen Franken. Die Finanzierung werde über den Betrieb respektive über eine Bankenfinanzierung sichergestellt. Die Rückfinanzierung erfolge über die Infrastrukturbeiträge pro Bewohnertag. «Mit dem Neubau entsteht eines der modernsten Gebäude für Menschen mit Demenz in der Region», heisst es in der Medienmitteilung.
Erstellt:
07.05.2024
Geändert: 07.05.2024
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