• Region

Worb: Statt günstigen Alterswohnungen nur eine Warteliste?

Altersgerechter Wohnraum ist ein dringendes Bedürfnis, wie Heidi Mosimann (Grüne) die Interpellation der SP+Grüne-Fraktion im Grossen Gemeinderat erklärte: Worb sei keine Ausnahme, Abhilfe tue Not. Von der Stellungnahme des Gemeinderats war sie dann ein bisschen enttäuscht.

Heidi Mosimann hat recherchiert: Die Alterssiedlung Flora hat Wartelisten statt freien Wohnungen. (Foto: gruene-worb.ch/floraworb.ch)

«Alles zum Besten?» Diese Aussage des Gemeinderats, fand Heidi Mosimann (Grüne) an der Sitzung des Grossen Gemeinderats, sei fast zynisch: «Bezahlbarer Wohnraum ist ein dringendes Bedürfnis, auch in Worb.» Diese Aussage machte sie im Namen der SP+Grüne-Fraktion. Diese hatte eine Interpellation mit dem Titel «Wohnen im Alter» eingereicht.

 

Bezahlbarer und altersgerechter Wohnraum

Darin stellen sie dringliche Fragen, unter anderem: «Wie stellt die Gemeinde sicher, dass bezahlbarer und altersgerechter Wohnraum entsteht?», oder: «Wie will oder kann die Gemeinde beeinflussen, dass bezahlbarer Wohnraum auch in den Zentren entsteht oder erhalten bleibt?»

 

Nicht nur alte Menschen, sondern auch Familien mit Kindern würden sicher schätzen, wenn Bestrebungen für günstigen Wohnraum von der Gemeinde konkreter unterstützt würde, ist Heidi Mosimann überzeugt: Denn auch für grosse Familien ist günstiger Wohnraum Mangelware.

 

Gemeinderat kennt das Problem…

Dem Gemeinderat sei bewusst, dass es in der Gemeinde Worb Wohnraum für Menschen jeden Alters geben müsse, antwortete dieser in der Stellungahme. Und: Altersgerechte Bauweise bei Neubauten werde durch das kantonale Baugesetz unter dem Titel ‘Hindernisfreies Bauen’ vorgegeben. «Die entsprechenden Auflagen werden von der Gemeinde verfügt.»

 

…und fördert Projekte

Ausserdem, ist weiter zu lesen, würden Projekte von Wohnbaugenossenschaften durch das Departement Planung unterstützt: «Aktuell soll auf dem Areal Sonnhalde ein Projekt nach dem Prinzip ‘Zusammen nachhaltig und ressourcenschonend leben’ entstehen.»

 

Sonnhalde: Für Alt und Jung

Tatsächlich kommt dieses Projekt Alt und Jung entgegen: «Studios, Klein- und Familienwohnungen, Wohngemeinschaften oder Clusterwohnungen sollen für alle Altersgruppen und für unterschiedliche Bedürfnisse die geeigneten Rückzugsmöglichkeiten bieten», sind laut Sonnhalde-Projektseite geplant. 60 bis 80 Personen jeglichen Alters sollen dort ab 2027 neuen Wohnraum finden.

 

Wieviel altersgerechter Wohnraum ist nötig?

Im Zusammenhang mit Alterswohnen wollten es die Interpellator:innen allerdings genauer wissen: «Bis ins Jahr 2050 wird sich voraussichtlich die Zahl der über 80-jährigen Worber:innen verdoppeln. Was schätzt die Gemeinde, wieviel altersgerechter Wohnraum bis dahin zur Verfügung stehen müsste?»

 

800 bis 1200 Personen über 80…

Antwort des Gemeinderats: Aktuell seien etwas über 800 Personen in Worb über 80 Jahre alt. «Das Departement Planung rechnet mit einer Zunahme bis 2035 auf rund 1200 Personen über 80 Jahre, danach aber eher mit einer Stagnation und nicht mit einer weiteren Zunahme.»

 

…«heisst Bedarf im tiefen dreistelligen Bereich.»

Eine verlässliche Prognose sei erfahrungsgemäss schwierig. Aber die Erfahrung zeige, «dass es viele ältere Personen vorziehen, in ihren Wohnungen zu bleiben, bis sie in ein Pflegeheim umziehen». Ein Zwischenschritt in eine andere, altersgerechte Wohnung, werde in der Regel nicht vollzogen. «Daher ist der Bedarf an kleinen, günstigen Wohnungen im tiefen dreistelligen Bereich einzuschätzen.»

 

Problem für alleinstehende, schlecht bezahlte Frauen

Das sieht Heidi Mosimann anders, ihr hat die Berufserfahrung als Sozialarbeiterin gezeigt: «Besonders alleinstehende Frauen, die in schlecht bezahlten Berufen und /oder in Teilzeit gearbeitet hatten, haben sehr geringe Chancen, eine bezahlbare Alterswohnung zu finden», erklärt sie im Nachgang zur Sitzung des Grossen Gemeinderats.

 

Bezahlbar? Das sei relativ

Dort hatte allerdings der Gemeinderat mit seiner Argumentation eingehängt und überlegt, wie viele dieser Wohnungen denn zwingend im bezahlbaren Bereich liegen müssten? «Bezahlbar» sei aus seiner Sicht eine sehr relative Annahme.

 

Und weiter: «Eine beträchtliche Anzahl älterer Menschen lebt in ihren bereits abbezahlten Eigenheimen», heisst es in der Stellungnahme. «Es wäre wohl vermessen, Bürgerinnen und Bürger aufgrund ihres Alters zu ermuntern, in kleine Wohnungen umzuziehen.»

 

Wie wird das Alterskonzept umgesetzt?

Diese Antworten des Gemeinderats, fand Heidi Mosimann, seien nicht sehr weiterführend: «Ich hätte mehr Konkretes erwartet.» Natürlich seien diese Punkte, wie vom Gemeinderat erwähnt, im Alterskonzept der Gemeinde enthalten. Aber: «Es geht darum, wie sie in der Praxis umgesetzt werden.»

 

Mageres Angebot

Sie wollte es genau wissen und hat recherchiert: In Worb seien zurzeit genau fünf Alters-Wohnungen auffindbar, die sich mit Hilfe von Ergänzungsleistungen bezahlen lassen. Unter dem Motto «wohnen und geniessen» bietet beispielsweise die Stiftung Flora altersgerechte Wohnungen an. Unter den 23 Wohnungen sind aber gerade drei Studiowohnungen für unter 1000 Franken zu finden.

 

«Es ist genau umgekehrt»

Und vor allem, sagt Heidi Mosimann: «Flora hat keine freien Wohnungen, sondern eine Warteliste.» Auch der Punkt, alte Menschen wollten nicht wechseln, stimme so nicht, sondern es verhalte sich genau umgekehrt: Viele Senior:innen würden zwar vielleicht gerne, wollten aber deshalb nicht wechseln, weil ihre alte, zu grosse Liegenschaft günstiger sei als moderne, altersgerechte und kleinere Wohnung.

 

Der Versuch, etwas zu unternehmen…

«Das sehe ich eins zu eins bei meiner Mutter», sagt sie, und: «Da müsste man doch etwas unternehmen.» Die Interpellation «Wohnen im Alter» der SP+Grüne-Fraktion war jedenfalls ein Versuch, etwas zu unternehmen.

 

…und nicht nur darüber zu reden

Das Resultat: Der Gemeinderat hat zur Interpellation Stellung genommen, und von der Stellungnahme des Gemeinderates wird Kenntnis genommen. Aber wie Heidi Mosimann nach der Sitzung erklärte: «Die Grünen gedenken, dran zu bleiben und weitere Vorstösse zu machen, und nicht nur darüber zu reden.»


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 19.07.2024
Geändert: 19.07.2024
Klicks heute:
Klicks total: