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Zäziwil - Ein Briefkasten schlägt hohe Wellen

Quelle
Berner Zeitung BZ

Wie eine Zäziwilerin Hauptdarstellerin in einem «Kassensturz»-Bericht wird.

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Hierhin gibts keine Post mehr: Corinne Minder und ihr amerikanischer Briefkasten. (Bild: Thomas Peter)
Eine absolut lächerliche Posse.» «Ärgerliches aus Seldwyla.» Oder schlicht: «Schildbürgerstreich.» Noch immer schlägt die Geschichte, die vor drei Wochen im «Kassensturz» ausgestrahlt worden ist, hohe Wellen. Über 60 Zuschauer haben sich bereits im Internet zu dem geäussert, was sie im Fernsehmagazin gesehen hatten, und viele konnten sich ein verständnisloses Kopfschütteln nicht verkneifen – auch sie, berichtet Corinne Minder, werde nach wie vor auf die Sache angesprochen. Die Zäziwilerin spielt die Hauptrolle in dieser Geschichte, die sich um einen Briefkasten dreht, der die falsche Form hat. Und vor allem nicht dort hängt, wo er sollte.

Angefangen hatte alles, wie Corinne Minder schon den «Kassensturz»-Leuten erzählte, Anfang November. Zwei Postangestellte aus der Zentrale in Bern hatten eigens den Weg nach Zäziwil unter die Räder genommen, um Minders mitzuteilen, dass es mit diesem Briefkasten an dieser Stelle so nicht weitergehe. Amerikanische Modelle von länglicher, oben abgerundeter Gestalt, in denen die Briefe und Zeitungen statt in einem Schlitz hinter einer Klappe verschwinden, seien in der Schweiz nicht zugelassen. Und nicht nur das, wie sie mit Blick auf die entsprechende Verordnung festhielten, in der neben den Normen für den Schlitz auch die Masse des Ablagefachs darunter festgehalten sind: Ein Briefkasten gehöre nicht neben das Garagentor. Sondern an die Grenze des Grundstücks.

Mit einem gut schweizerisch genormten Briefkasten hätte sich Corinne Minder ja noch anfreunden können. Mit der von der Post verlangten Verschiebung in Richtung Strasse dagegen wollte sie sich nicht abfinden. Zumal der Pöstler, wie die Kinder vor laufender Kamera nachmassen, auf seiner Tour ja nur an die 2,5 Meter Weg hin und ebenso viel zurück sparen würde. Halt machen müsse er ohnehin, ergänzt die Mutter nun, weil gleich vis-à-vis ein öffentlicher gelber Briefkasten auf die tägliche Leerung warte. Überhaupt verstehe sie nicht, wieso Briefe und Pakete andernorts nach wie vor direkt zum Haus und zum Teil sogar eine Treppe hinab gebracht werden könnten, sagt sie abschliessend noch – wohl wissend, dass die Vorschriften Ausnahmen zulassen. Für ältere Gebäude etwa, für Mehrfamilienhäuser oder ganz einfach, «wenn der Mehraufwand für die Postzustellung vertretbar ist».

Die Post lässt sich ob solcher Gedanken nicht aus dem Konzept bringen. Im Einzelfall möge die Ersparnis von ein paar wenigen Metern in der Tat «ein bisschen komisch aussehen», lässt ein Sprecher das Fernsehpublikum wissen, aber: «Wenn die Post für jede Haushaltung auf andere Art zugestellt werden müsste, verlöre der Pöstler derart viel Zeit, dass am Schluss der Tour jemand 40 oder 60 Minuten länger warten müsste.»

Corinne Minder hat die Konsequenzen aus der Geschichte auf ihre Art gezogen und sich flugs ein Postfach genommen. Obwohl sie nun Tag für Tag 2,5 Kilometer fahren muss, um zu ihrer Post zu kommen, hat sie den Humor nicht verloren. «Eigentlich», sinniert sie mit einem Blick auf den gelben Briefkasten vis-à-vis, «könnten sie mir einen Schlüssel geben. Dann könnte ich ihnen die Post von hier jeweils gleich mitbringen.»

Autor:in
Stephan Künzi, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 22.12.2009
Geändert: 22.12.2009
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