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Zurück in der Schweiz: «Gib niemals auf!»
Nach fünf Jahren in den Niederlanden lebt Anna Mori wieder in der Schweiz. Hier startet die 36-Jährige ein eigenes Unternehmen. Als Hundetrainerin hat sie viel Erfahrung gesammelt, jetzt gibt sie diese in Kursen weiter. Und sie bietet persönliche Beratung für Hunde mit schwerwiegendsten Verhaltensproblemen.
Das Jahr hat gut angefangen für Anna Mori. Nach fünf Jahren in den Niederlanden ist sie wieder in die Schweiz zurückgekehrt, und sie packt an, was sie sich schon lange erträumt hat: Sie startet als selbstständige Hundetrainerin und Verhaltenstherapeutin. Bis sich ihr Angebot etabliert hat, arbeitet sie wieder in der Buchhandlung Zur Schmökerei in Worb, bei der sie schon früher angestellt war.
Ihre lebhaften braunen Augen blitzen. «Bücher und Tiere, das waren schon immer meine grossen Leidenschaften.» Und nach einer intensiven Lehrzeit in den Niederlanden fühlt sie sich sattelfest: Sie bietet an, was sie in einem Zentrum für Verhaltenstraining gelernt hat: Hilfe für Hunde und ihre Menschen. Die Website steht bereit, der erste Gruppenkurs ist fix geplant und das Angebot für die Verhaltenstherapie ausführlich beschrieben. Jetzt müssen sich nur noch Leute auf die Angebote melden.
Biochemikerin, Buchhändlerin und Heilerin
Bis zur Gründung von «Animal’s Faith Switzerland» hat die 36-Jährige etliche Kurven gemacht. Nach der Matura entschied sich Anna Mori, die im Schlossgarten in Worb aufgewachsen ist, zuerst für ein Studium in Biochemie. «Weil mich die Natur sehr begeistert.» Danach machte sie eine Lehre als Buchhändlerin. «Weil ich es liebe, mich in die Welt der Bücher zu versenken.»
In der Freizeit spielte sie das Online-Rollenspiel World of Warcraft. «Weil mich die fantastische Welt fasziniert.» Und schliesslich zog sie mit Sack und Pack in die Niederlande. «Weil mir beim Online-Gamen die Liebe begegnete.» Sie, im Game die naturverbundene Heilerin, er, ein düsterer Todesritter, fanden sich auf Anhieb sympathisch.
Kennenlernen in der Realität
Bald tauschten sie sich im privaten Chatraum aus, und als sich abzeichnete, dass da mehr war, reiste Anna Mori kurzerhand in die Niederlande. Sie wollte Sander, den Koch, in der Realität kennenlernen. Es passte immer noch: Anderthalb Jahre später kündigte sie Job und Wohnung und zog zu ihm nach Waalwijk (BERN-OST berichtete).
Sie fand eine Stelle im Kundendienst von Bang & Olufsen und beriet die Leute auf Deutsch und Englisch. Mit der Zeit lernte sie auch Holländisch, heute spricht sie es fliessend. Nach einem knappen Jahr erfüllte sie sich dann einen Kindheitstraum und adoptierte ihren ersten Hund aus dem Tierheim. Einen American Staffordshire – ein Listenhund, schlecht sozialisiert, ein Problemhund eigentlich. «Henneschön», sagt sie trotzdem begeistert: «Einen Hund hatte ich mir schon immer gewünscht.»
Freunde und Familie vermisst…
Trotz Sander und Hund war sie nicht ganz glücklich. Nicht mit der Arbeit, aber auch nicht mit ihrer neuen Heimat in den Niederlanden. «Freunde und Familie fehlten mir immer mehr», erzählt sie. «Besonders die Feiertage wurden immer schwieriger.» Auch die Natur und die Berge vermisste sie, und schleichend meldete sich der Wunsch, eines Tages wieder in die Schweiz zurückzukehren.
Deshalb kam Anna Mori letzten Sommer in die Schweiz zu Besuch und suchte, wo sie und ihr Mann wohnen und arbeiten könnten. Dabei traf sie auch Anna Christen, die Inhaberin der Buchhandlung Zur Schmökerei. Sie nickt, das sei eine lustige Geschichte: «Weisst du, dass ich wieder zurückkomme?», habe sie ihrer früheren Arbeitgeberin gutgelaunt erzählt. Diese wiederum habe spontan gefragt: «Weisst du, dass ich jemanden suche?»
…dafür endlich mit Tieren gearbeitet
Anna Mori trinkt ihren Espresso und strahlt. Solche Fügungen erlebt sie ab und zu. In Holland hatte eine solche Fügung dazu geführt, dass sie endlich mit Tieren zu arbeiten begann. «Ich hatte mir schon ein Leben lang gewünscht, in einem Tierheim zu arbeiten», sagt sie, «aber irgendwie kam es nie dazu.» Heute kann sie sich nicht mehr so genau erklären, warum. Aber als es sein sollte, ergab sich eine Gelegenheit: Sie meldete sich als freiwillige Helferin im Tierheim der Verhaltenstrainerin Liz Wolting, die auf Hunde mit schweren Verhaltensproblemen spezialisiert ist.
Auch dort half ihr der Zufall – oder war es das Schicksal? Jedenfalls trafen sich die beiden Frauen, nachdem Anna Mori schon eine Zeit lang ehrenamtlich mitgearbeitet hatte, zu einem Gespräch. Anna Mori erklärte: «Ich möchte unbedingt bei dir arbeiten!» Liz Wolting antwortete spontan: «Und ich möchte unbedingt, dass du kommst!»
Fünf Problemhunde und sie der ruhende Pol
Gesagt, getan. Von da ab arbeitete Anna Mori täglich mit den Hunden im Heim und lernte viel über die Bedürfnisse von Hunden. Immer öfter besuchte sie auch Kund:innen zu Hause: «Dort haben die Probleme ihren Ursprung, dort sehe ich, wie die Menschen mit ihren Hunden umgehen, wie sie sie halten und welche Beziehung sie pflegen.»
Sie liebt diese Arbeit, bei der sie sich für jene Hunde einsetzen kann, die sonst niemand versteht. Und am besten gefällt ihr: «Ich arbeite mit den Hunden und den Menschen zugleich.» Mit der Zeit adoptierte sie vier weitere Hunde aus dem Tierheim, inzwischen wohnen insgesamt fünf Hunde bei dem Paar – drei davon Listenhunde. Anna Mori lacht: «Ja, ich habe die ‘gestörten’ bei mir. Und ich bin ihr ruhender Pol.»
«Problemhunde benötigen besonders viel Sicherheit»
Das schafft sie, weil sie in all den Jahren im Tierheim mit Hunderten von Hunden arbeitete. Dabei hat sie von Verhaltensexpertin Liz Wolting gelernt, was Hunde brauchen, damit sie ruhig und entspannt sind. Auch wenn sie eigentlich Problemhunde sind. «Diesen Hunden muss man besonders viel Sicherheit vermitteln, ihnen zeigen, dass die Welt nicht gegen sie ist.» Und vor allem müsse man sich bewusst sein, dass Hunde täglich 16 bis 19 Stunden Schlaf benötigen: «Neun von zehn Hunden schlafen zu wenig und sind deshalb überreizt und unruhig.»
Die Arbeit im Trainingszentrum und Tierheim begeisterte Anna Mori derart, dass sie trotz Sehnsucht lange zögerte, wieder in die Schweiz zurückzukehren. Bis eines Tages ihre Mentorin Liz Wolting fragte, warum sie denn nicht einfach die Arbeit mitnehme? Und ein Verhaltenstraining in der Schweiz anbiete? Da war plötzlich alles klar, der Umzug nur noch eine Organisationsfrage. Denn Sander, das hatte sie vorher mit ihm geklärt, fühle sich dort zuhause, wo sie sei.
Rückkehr mit vielen Büchern, fünf Hunden…
Ende Herbst war es so weit, und Anna Mori zog in die Schweiz zurück. Nach neun Stunden Fahrt kam sie in ihrem neuen Zuhause an. Im Gepäck alles, was ihr wichtig ist: Fünf grosse Hundeboxen mit fünf grossen Hunden und mehrere hundert Bücher und Comics. Sie schmunzelt: «Insgesamt nahm ich trotzdem weniger Gepäck zurück, als ich seinerzeit mit nach Holland genommen hatte.»
…und einem Ehemann
Weniger Gepäck, dafür etwas Wesentliches mehr: Im Lieferwagen fuhr Sander Koks mit. Er ist inzwischen längst ihr Ehemann, die beiden haben am 13. Dezember 2019 in den Niederlanden geheiratet. Anna Mori lacht. «Ja, und wir sind immer noch zusammen!» Das sei immer die erste Frage, wenn sie jemandem erzählt, dass sie wieder in der Schweiz sei: Ob es mit der Liebe nicht funktioniert habe. «Doch, aber das Ziehen zurück wurde immer stärker», erklärt sie jeweils.
Tagsüber Bücherwelt, abends Sander und die Hunde
Wenn Anna Mori erzählt, wie sie mit Kund:innen arbeitet, kommt sie ins Feuer, und man spürt, wie viel Herzblut sie in ihre Arbeit steckt. Sie liebt es zu beobachten, wo die Hunde ihren Liegeplatz haben, genau hinzuschauen, wie Menschen auf bestimmte Verhaltensweise ihrer Hunde reagieren. Und beim Beobachten findet sie heraus, wo allfällige Probleme ihren Ursprung haben und wie sie sich lösen lassen.
Bis ihr Angebot angelaufen ist, rechnet sie ein bis zwei Jahre. So lange taucht sie tagsüber teilweise noch in die Worber Bücherwelt ein. Und kehrt abends nach St. Imier zurück in die 8-Zimmer-Wohnung, zu Ehemann Sander, der inzwischen eine Stelle als Koch gefunden hat. Und zu den fünf Hunden.
Spezialität: Hoffnungslose Fälle
Im Februar fängt ihr erster Kurs an, ein Kurs, der helfen soll, die Bindung zwischen Menschen und ihren Hunden zu stärken. Aber Anna Mori ist bereit, auch «schwierigste Fälle» zu übernehmen. Und sie gibt nicht auf: «Das ist meine Spezialität – mit jenen problematischen Hunden arbeiten, bei denen alle anderen jegliche Hoffnung aufgegeben haben.»
Das Motto, das zuoberst auf ihrer Website aufploppt, passt letztlich nicht nur für Hunde, sondern auch für Anna Mori selbst: «Gib niemals auf», schreibt sie dort. Sie nickt zufrieden. Nicht aufzugeben, habe sich auch bei ihr gelohnt, sagt sie: «Jetzt mache ich all das, was ich am besten kann und am liebsten tue.»
Erstellt:
21.01.2024
Geändert: 21.01.2024
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