- Kultur
Schauspieler Michael Enzler: Aus Liebe von St. Gallen nach Stettlen
Wenn morgen Freitag die Freilichtspiele Moosegg mit einem neuen Stück Premiere feiern, steht auch ein Stettler auf der Bühne. Michael Enzler spielt den nicht besonders sympathischen Philosophen Leo. Mit BERN-OST hat er über seine Anfänge, seinen Alltag und die Arbeit zu Corona-Zeiten gesprochen.
BERN-OST: Herr Enzler, wollten Sie schon immer Schauspieler werden?
Michael Enzler: Ja, tatsächlich ist das so. Ich hatte schon immer den Drang, andere zu unterhalten, und wahrscheinlich war ich auch ein wenig der Klassenclown. Als Kind konnte ich irgendwann mit meinem Grossvater die Oper Maria Stuart schauen gehen. Die ganzen Tücher und wie es gerochen hat – das gefiel mir. Als Jugendlicher fing ich dann an, in Laientheatern zu spielen und hatte erste Engagements als Statist. Bevor ich in Konstanz an die Clownschule ging, musste ich aber eine Lehre in einer Druckerei machen. Meine Grosseltern, bei denen ich aufgewachsen bin, bestanden darauf.
Und ist das Schauspielern jetzt so, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Die ganze Arbeit dahinter war mir damals natürlich noch nicht bewusst. Für mich ist es eine Berufung. Wenn die Regie gut ist, wächst man zu einer Gemeinschaft zusammen und ist als Einzelner ein kleiner Teil von einem grossen Ganzen.
Gibt es nichts, das Ihnen nicht gefällt?
Schwierig war am Anfang, mit Ablehnung umzugehen. Weil mein Gesicht nicht passte oder weil ich zu klein war. Aber man gewöhnt sich daran.
Wie sieht ein normaler Tagesablauf aus?
Da ich nebenbei noch im Lager des Blutspendedienstes in Bern arbeite, stehe ich meistens um halb fünf morgens auf. Proben sind oft vom Nachmittag bis am Abend. Wenn ich frei habe, übe ich Texte oder Szenen aus dem aktuellen Stück oder recherchiere schon für nächste Rollen. Ausserdem muss ich meinen Körper pflegen, er ist mein Instrument. Das heisst etwa Stimmtraining oder Yoga.
Wem würden Sie den Beruf des Schauspielers empfehlen?
Leuten, die unterhalten wollen und die gern Botschaften vermitteln. Es braucht Herzblut, Freude und Kraft, nicht zuletzt auch um trotz Absagen und trotz schlechter Bezahlung durchzuhalten. Auch die Bereitschaft sich intensiv mit sich selber auseinander setzen zu können um dann auch das ‘Innere’ zu zeigen, ist wichtig.
Was waren die bisherigen Höhepunkte Ihrer Theaterlaufbahn?
Schwierig. Ich bin in jeder Produktion mit Herzblut dabei. Zu den Höhepunkten zähle ich sicher die Niederdorfoper, wo ich auf den Spuren meiner Vorbilder wie Ruedi Walter und Inigo Gallo wandeln konnte. Oder die "Karl May Festspiele" in Engelberg mit echten Pferden und Explosionen... Auch die zahlreichen Auftritte in der Zirkusmanege und die Theaterspaziergänge von StattLand und mes:arts. Und jetzt aktuell das Stück auf der Moosegg. Was unser Regisseur Simon Burkhard da geleistet hat, ist phänomenal. Wir wollten nämlich eigentlich ein anderes Stück spielen. Wegen dem Lockdown und den Abstandsregeln ging das aber nicht. Da hat er umgedacht und die "Mittsommernachts-Sexkomödie" von Woody Allen so adaptiert, das wir sie proben und jetzt auch aufführen können.
Warum ging das mit den anderen Stücken nicht?
Das Ensemble wäre viel zu gross gewesen, um die Abstandsregeln einzuhalten.
Worum geht es in der "Mittsommernachts-Sexkomödie"?
Drei Ehepaare kommen zusammen, alle mit ihren Problemen, die Vergangenheit kommt ins Spiel und es gibt Verwirrungen. Wir spielen das Stück in einer Art «Setzkasten», und Simon Burkhard hat die Rolle eines BAG-Beamten als Erzähler eingeführt, und auch gleich selbst übernommen, damit das Stück auch auf Abstand funktioniert.
Wen spielen Sie?
Ich bin Leo, ein Philosoph, der mit seiner Verlobten unterwegs ist. Er ist sehr studiert, fühlt sich erhaben und denkt, alle würden ihn kennen, weil er einmal ein Buch veröffentlicht hat. Auch ist er sehr stolz auf seine Verlobte, die für ihn eine Art Trophäe ist.
Das klingt nicht sehr sympathisch. Macht es denn Spass, die Figur zu spielen?
In Leo hat sich so einiges aufgestaut, das irgendwann raus muss. Und ja, es "fägt", ihn zu spielen. So wie überhaupt das Stück und die Arbeit mit Burkhalter und dem Ensemble.
Erkennt man im Stück die Filme von Woody Allen wieder?
Es sind schon spezielle Figuren, wie man sie auch aus seinen Filmen kennt. Ich denke, das Stück ist sowohl für Allen-Fans wie auch für andere eine Freude.
Während dem Spielen sehen sich die Schauspieler*innen nicht, jede*r ist im eigenen Kästchen isoliert. Ist es schwierig, so zusammenzuarbeiten?
Es ist schon speziell. Und man muss noch besser auf das Timing achten, etwa wenn eine Person einer anderen eine Ohrfeige gibt und diese im richtigen Moment reagieren muss. Dass wir extra einen Geräuschemacher haben für das Stück, hilft dabei.
Am 3. Juli feiert das Stück Premiere. Sind sie nervös?
Ich bin immer sehr nervös, ja, nicht nur vor Premieren. Ungefähr ab Mittag kriege ich keinen Bissen mehr runter und werde ziemlich still. Ein einziges Mal, bei einer Zirkusaufführung, war ich es nicht und es wurde die wohl schlechteste Vorführung meines Lebens. Also braucht es die Nervosität wohl, um die Energie aufzubringen.
Wie hat es Sie als St. Galler eigentlich nach Stettlen verschlagen?
Ich war mit dem Zirkus "Adrenalin und Protein" auf Tournee und lernte so meine Partnerin Ursula Bühler kennen. Sie lebte damals noch in Riggisberg. Da dort aber am frühen Abend der letzte Bus fährt, sind wir irgendwann nach Boll und später nach Stettlen gezügelt.
[i] Eine Mittsommernachts-Sexkomödie. Eine Komödie von Woody Allen. 3.7. bis 5.8.2020. Freilichtspiele auf der Moosegg. www.freilichtspielemoosegg.ch
Erstellt:
02.07.2020
Geändert: 02.07.2020
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