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Rolf Gottier: «Dieses Jahr haben wir noch einen Zacken zugelegt»
2011 feierte die Gemeinde Kiesen ihr 775-jähriges Bestehen und organisierte einen Mittelaltermarkt. Im selben Jahr gründete sich der Mittelalterverein Bern, welcher mittlerweile vermutlich einer der grössten in der Schweiz sei und dem Rolf Gottier kurze Zeit später beitrat. Der Verein verlegte seinen Sitz nach Kiesen und organisierte selbst einen Markt. BERN-OST wollte wissen, warum das Mittelalter im Zentrum steht.
«Beim ersten Mal war der Markt noch relativ klein», sagt Rolf Gottier, Präsident des Mittelaltervereins Bern. Seine Frau, Sandra Gottier ergänzt: "Wir hatten mit 500 Besucher:innen gerechnet, aber es kamen 4000 bis 5000 Leute.» Daraufhin entschied der Verein, den Markt alle zwei Jahre zu veranstalten. 2022 fand der Markt nach einer pandemiebedingten Verschiebung wieder statt.
Wie damals...
«Mittlerweile kommen um die 250 Darsteller:innen in verschiedenen Lagern aus ganz Europa zu uns. Dies sind Heerlager, welche unterschiedliche mittelalterliche Handlungen darstellen. Beispielsweise wie man damals gekocht hat, andere zeigen militärische Einheiten, Schaukampflager, andere sind Handwerkerlager», erklärt Gottier. «Es haben sich so viele Lager angemeldet, dass wir leider einigen absagen mussten», sagt Sandra Gottier, «was für uns aber den Vorteil hat, dass wir die Besten auswählen konnten, welche wirklich etwas zu bieten haben und die Zeit so gut wie möglich wiedergeben.»
Weiter seien rund 40 verschiedene Marktfahrer:innen anzutreffen, welche zum Teil ihre Ware herstellen wie damals, und diese verkaufen. Auf dem ganzen Gelände würden Gruppen musizieren wie damals, erklärt Sandra Gottier: «Sie haben keinen festen Platz zum Spielen oder eine Bühne, sie werden sich auf dem Markt aufhalten und immer wieder etwas spielen. Auch ist uns wichtig, dass sie ohne Verstärker musizieren, einige spielen historisch korrekte Musik mit den entsprechenden Instrumenten.»
Ein Tröimli wird war
«Dieses Jahr haben wir noch einen Zacken zugelegt, und zwar mit einem Ritterturnier, sprich Tjost», freut sich Gottier, «kein Schauturnier, sondern ein richtiges Turnier. Dieses wird möglichst historisch korrekt nachgestellt, so wie es vor 500 bis 600 Jahren üblich war.» Dies war schon lange ein heimlicher Wunsch des Präsidenten: «Es ist ein ‘chlises Tröimli’ welches in Erfüllung geht.» Am Turnier nehmen sechs professionelle Turnierreiter aus verschiedenen Ländern teil. Sie treten unter anderem mit Vollholz-Lanzen gegeneinander an.
«Einer der besten und bekanntesten Ritter der Szene, Arne Koets, ist mit dabei und organisiert alles rund um das Turnier», erklärt Gottier. Das Turnier soll möglichst an ein Turnier aus der Zeit des 15. Jahrhunderts erinnern. Die Turnierpferde sind hochspezialisiert, die Rüstungen der Reiter originalgetreu nachgebaut nach mittelalterlichen Vorlagen.»
Das Mittelalter erleben
Doch auch altbewährtes wird anzutreffen sein, so Gottier: «Speziell gibt es von uns eine Feuergeschichte. Dies ist wie ein kleines Theater, das mittlerweile Tradition ist auf unserem Märit und so einzigartig in der Schweiz.»
«Ein Märit auf dem Feld wie wir ihn machen, hat es so kaum gegeben», sagt Gottier. Die Märkte damals haben bei einer Burg oder in der Stadt stattgefunden, aber nicht auf einem Feld. Doch: «Wir versuchen die Qualität hochzuhalten und möglichst historisch korrekt wiederzugeben.» Dies ist dem Präsidenten sehr wichtig. Denn er möchte den Interessierten und Kindern möglichst viel Wissen und viele Erlebnisse mitgeben: «Es ist nicht nur ein Markt zum Anschauen, sondern auch zum Anpacken. So können die Kinder an verschiedenen Posten schnitzen, flechten, Steine bohren und vieles mehr selbst ausprobieren und erleben.»
Über 2500 Stunden Freiwilligenarbeit
«Beim ersten Mittelaltermarkt waren wir fünf Personen im OK, mittlerweile sind wir bei 17», erzählt der Präsident. Viele Helfer:innen aus dem Verein würden ihre Sommerferien opfern für Vorbereitungen und Aufbau des Markts. «Der Aufwand für ein Wochenende steht eigentlich in keinem Verhältnis. Ich habe vor einiger Zeit die Stunden versucht zu berechnen und kam auf über 2500 Stunden Freiwilligenarbeit», sagt Gottier. «Nach den vier Tagen Rückbau sind wir dann ‘nudelfertig’.»
Ohne die vielen Helfer:innen sei der Mittelaltermarkt kaum vorstellbar, so Gottier: «Wir sind selbsttragend, haben kaum Sponsoren. Unser Ziel ist es, eine schwarze Null zu schreiben, um im nächsten Jahr wieder in den Markt investieren zu können.» Es sei dem Verein wichtig, dass der Eintritt für alle zahlbar sei (Erwachsene zahlen 10 Franken, Jugendliche 5 Franken, Kinder bis zwölf Jahre sind gratis), weshalb der Preis auch noch nie erhöht wurde.
Friede, Freude, Mittelaltermarkt
Probleme habe es bisher kaum gegeben: «Die Anwohner freuen sich und schauen vom Balkon dem Geschehen zu. Zu Beginn waren einige etwas skeptisch, bis sie da waren und gesehen, dass alles friedlich ist.» Bis auf ein paar Wespenstiche mussten die Samariter:innen vor Ort kaum jemanden verarzten. «Auch der Abfall hält sich in Grenzen», staunt Gottier. Im vergangenen Jahr seien nur gerade 1.5 Tonnen Abfall entstanden, wovon nur etwa zwei Kilo beim «Fötzelen» noch zusammengekommen sein.
Nun hoffen Gottiers, dass der Sommer sich nach hinten verschiebt und das Wetter mitmacht. Gottier berührt sich am Kopf und lacht: «Holz anfassen, dass es so bleibt.»
[i] Der Mittelaltermarkt findet am Samstag 24. August, von 11 bis 21 Uhr (Festwirtschaft bis 01.00), und Sonntag 25. August, von 10 bis 17 Uhr statt. Parkplätze (5 Franken) sind begrenzt vorhanden und beschildert.
[i] Mehr Informationen zum Mittelaltermarkt Kiesen
[i] Mehr Informationen zum Mittelalterverein Bern
Erstellt:
11.08.2024
Geändert: 11.08.2024
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